Im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ist das Thema „Überbauung von Gleis- und Verkehrstrassen“ schon länger auf der Tagesordnung. Hier steht der Wunsch nach einer Überbauung der Stadtautobahn A100 im Raum. Im Bezirk gibt es auch schon lange ein mögliches städtebauliches Vorbild: die Autobahnüberbauung Schlangenbader Straße, die inzwischen sogar unter Denkmalschutz steht.
Mit der Abkehr vom Leitbild der autogerechten Stadt und mit der Entwicklung neuer Mobilitätskonzepte entsteht ein weltweiter Trend, der in vielen Metropolen zu ähnlichen städtebaulichen Konzepten führt. Die trennenden Verkehrsschneisen werden überbaut und ganze Stadtquartiere werden ebenenerdig und barrierefrei verbunden.
Die hohen Baukosten und Aufwendungen für Lärm- und Emissionsschutz und neue Wohlfahrtswirkungen und neue „Stadtrenditen“ müssen dabei gegeneinander aufgewogen werden. Bei Bodenpreisen oberhalb 4.000 €/Quadratmeter fängt auch das kreative Nachdenken und Entwerfen von Architekten und Immobilienentwicklern an.
Werden zum Beispiel Wohnungen über Gleisanlagen und Stadtautobahnen errichtet, so fallen bei eingeschossiger Bauweise bis zu eine Million € Mehrkosten je Wohnung für das „Fundament“ an. Bei vier Geschossen liegt der Anteil schon unter 250.000 €/Wohnung. Bei acht Geschossen ist sogar schon öffentlich geförderter sozialer Wohnungsbau finanzierbar.
Interessant werden Überbauungen, wenn auf diese Weise bisher getrennte Stadtviertel neue Flächen für Wohnen und Infrastruktur gewinnen, und sich zu sogenanten „Superblocks“ verbinden können, die dem Modell der SmartCity Barcelona entsprechen. Auto- und Lieferverkehr wird um die „Superblocks“ herumgeführt. Das innere Straßennetz wird zur Fahrrad- und Fußgängerzone. Vor allem kann lokale Infrastruktur besser ausgenutzt werden, wenn etwa Wege zu Kitas und Schulen abgekürzt werden, oder gemeinsame grüne Infrastruktur neu entstehen kann.
Es entsteht nicht nur eine immobilienwirtschaftliche „Stadtrendite“, sondern auch eine „volkswirtschaftliche Nutzenbilanz“ und vor allem eine höherwertige LebensqQualität und Urbanität.
Vorlagen im Berliner Abgeordnetenhaus
Im Berliner Abgeordnetenhaus sind Vorlagen auf den Weg gebracht:
– Antrag der Fraktion der CDU (Drucksache 18/1741):
Machbarkeitsstudie Deckelung A 100 beauftragen
– Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke & Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Drucksache 18/1776)
Deckel drauf: Infrastrukturflächen mehrfach nutzen
Die Behandlung der Themen wird nun zunächst den Ausschuss für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz (federführend) und den Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen, sowie den Hauptausschuß beschäftigen. Da es um Landesgrundstücke und Bundesvermögen geht, wird die Finanzierung dieser Bauprojekte auch mit dem Bund und mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur abzustimmen sein.
Schon vor der Beauftragung von Machbarkeitsstudien sollte daher ein bundesweites städtebauliches Förderprogramm auf den Weg gebracht werden, das in allen Städten und Verdichtungsräumen anwendbar ist, und die Schnittstellen bei Finanzierung und Planfeststellungsverfahren einheitlich regelt.
Bisherige zehnjährige Planfeststellungsverfahren, wie bei der Planung eines zweiten S-Bahn-Zugangs am S-Bhf. Prenzlauer Allee müssen in jedem Fall vermieden werden.
Der Hamburger Deckel als Vorbild?
Im Westen von Hamburg entsteht ein zukunftsweisendes Lärmschutzprojekt im Zuge der Erweiterung der A 7 um zwei Fahrstreifen. Nördlich des Elbtunnels wird ein umfassender Lärmschutz aus Tunneln und Wänden in den Stadtteilen Altona und Eimsbüttel geschaffen.
Auf den Tunneldeckeln entstehen Parkanlagen und Kleingärten. Die angrenzenden Stadtquartiere wachsen zusammen. Auf lärmberuhigten Flächen können sogar mehr als 3.000 neue Wohnungen errichtet werden.
Superblocks in Prenzlauer Berg
Bei einer Überbauung des S-Bahn- und Eisenbahn-Rings zwischen Schönhauser Allee Arcaden und Prenzlauer Allee wurden die Stadtquartiere Humannplatz und Helmholtzplatz-Quartier zusammen wachsen. Zwischen Wisbyer Straße und Danziger Straße, flankiert von der Schönhauser Allee und Prenzlauer Allee könnte das Herz von Prenzlauer Berg zu einer Superblock-Struktur entwickelt werden, in der Individualverkehr im Umweltverbund, zu Fuß und per Rad geregelt wird. Auto- und Lieferverkehr kann dann unterirdisch und entlang der Hauptverkehrsstraßen stattfinden. Ausnahmen für Feuerwehr, Müllfahrzeuge, Logistik und Krankentransporte sind in den Bewegungszonen, Fahrradstraßen und Fußgängerzonen natürlich unumgänglich.
Die Troglage der Ringbahntrasse ermöglicht in Prenzlauer Berg eine gemischte Überbauung. Bisherige Wohnblöcke können bis an die Bahntrasse herangebaut werden. Auf den Tunneldecken kann „gewichtssparende“ grüne Infrastruktur entstehen. Zwischen Schönhauser Allee Arcaden und Prenzlauer Allee entsteht zusätzlicher Platz von bis zum 1.600 Wohneinheiten.
Weitere Informationen:
Das Thema „SmartCity“ und moderne Stadtkonzepte ist in mehreren Berliner Bezirken auf der Tagesordnung. Eine gedruckte Sonderveröffentlichung ist in Vorbereitung. Autor-Beiträge, Projektvorstellungen, SmartCity-Technologien und Stadtbaukonzepte in Europa, Indien, Kanada und Bharain sind u.a. auf der Themenliste.
Informationen: info@anzeigio.de