Heute ist ein historischer Jahrestag, der sich als auch als wichtige Wegmarke der „Wirtschaftswunder-Ära“ verstehen lässt: vor genau 50 Jahren trat Bundeskanzler Ludwig Erhard zurück.
Ludwig Erhard hatte unter der Kanzlerschaft von Konrad Adenauer vierzehn Jahre lang als Wirtschaftsminister erfolgreich zum Wiederaufbau Deutschlands und zum „Wirtschaftswunder“ der Nachkriegs-Ara beigetragen. Sein Buch „Wohlstand für Alle“ war so etwas wie das Programm, das auch den Ruf der CDU als Volkspartei und Wirtschaftspartei begründete.
Als Regierungschef war Erhard weniger glückhaft. In drei glücklosen Jahre scheiterte der CDU-Kanzler an der Außen- und Wirtschaftspolitik – und an der FDP, die vier ihrer Minister aus der Regierung aufgrund unüberbrückbarer Differenzen zurückzog. Es folgte ein abrupter Abgang des CDU-Kanzlers.
Der Deutschlandfunk hat in einem Beitrag noch einmal an die näheren Umstände erinnert: „Kanzler ohne Fortüne“| 30.11.2016 | Deutschlandfunk.
„Ein gutes Jahr nach seinem triumphalen Wahlerfolg kam ihm der freidemokratische Koalitionspartner abhanden. Erich Mende, der Minister für gesamtdeutsche Fragen, begründete den Abgang am 27. Oktober 1966 so:
„Ich habe den Herrn Bundeskanzler informiert, dass die vier Minister der FDP ihren Rücktritt erklären, nachdem auch gestern Abend die Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Koalitionsfraktionen über die Finanz- und Haushaltspolitik nicht überbrückt werden konnten.“
Tiefgreifender Dissens über die Sanierung des Bundeshaushalts
Hinter den „Meinungsverschiedenheiten“ verbarg sich ein tiefgreifender Dissens über die Sanierung des Bundeshaushalts. Erhard wollte die Etatlücken mit Steuererhöhungen stopfen. Die Liberalen lehnten gerade die aber ab. Sein Versuch, mit einem allein von CDU und CSU gestellten Minderheitenkabinett weiterzuregieren, misslang. Stattdessen forderte ihn die oppositionelle SPD am 8. November 1966 im Bundestag auf, die Vertrauensfrage zu stellen. Erhards Antwort:
„Ich werde dem mir empfohlenen Antrag, das Vertrauen des Hauses für mich zu erbitten, unter gar keinen Umständen nachkommen, und zwar, weil ich nicht gegen Geist und Sinn der Verfassung verstoßen möchte. An mir wird eine regierungsfähige Mehrheit nicht scheitern. Aber ich lehne es ab, hier an einem Schauprozess teilzunehmen.“
Ein „Schauprozess“ war es zwar nicht, aber verfassungsrechtlich problematisch schon, wie die SPD mit dem Werkzeug der Vertrauensfrage jonglierte. Schließlich ist das Stellen der Vertrauensfrage solange ins Ermessen des Kanzlers gestellt, solange der Bundestag nicht in der Lage ist, mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger zu wählen. Ein neuer Bundeskanzler war aber an jenem 8. November noch nicht gefunden.“
Die CDU nominierte schließlich Kurt-Georg Kiesinger als neuen Kanzlerkandidaten – und wenig später kam es nach heftigen internen Auseinandersetzungen in der SPD zur ersten „schwarz-roten Koalition“ von CDU, CSU und SPD.
Wohlstand für Alle – die soziale Marktwirtschaft
In Ludwig Erhards Werk formuliert er das Ziel, breiten gesellschaftlichen Schichten Wohlstand zukommen zu lassen. Nach Erhards Überzeugung könne nur eine freie Wirtschaft Wohlstand für alle schaffen. Diese freie Wirtschaft müsse vor staatlichen Eingriffen sowie vor Kartellen und Monopolen geschützt werden.
Die überkommene Situation einer dünnen Oberschicht, die einer breiten Unterschicht gegenüberstehe, müsse überwunden werden. Als Mittel dazu sah Erhard den Wettbewerb.
Erhard: „Das erfolgversprechendste Mittel zur Erreichung und Sicherung jeden Wohlstandes ist der Wettbewerb. Er allein führt dazu, den wirtschaftlichen Fortschritt allen Menschen, im besonderen in ihrer Funktion als Verbraucher, zugute kommen zu lassen, und alle Vorteile, die nicht unmittelbar aus höherer Leistung resultieren, zur Auflösung zu bringen. (…) Auf dem Wege über den Wettbewerb wird – im besten Sinne des Wortes – eine Sozialisierung des Fortschritts und des Gewinns bewirkt und dazu noch das persönliche Leistungsstreben wachgehalten.“
In der Würdigung wurde der Anspruch „Wohlstand für alle“ – zum Leitbild, hinter dem sich einmal ganz Deutschland versammelte, und sich über Parteipamphlete und politischen Sonntagsreden hinaus auch in der konkreten Lebenswirklichkeit vereinigte.
Ludwig Erhards volkswirtschaftliches Kalkül war übrigens recht einfach: „Die Politik müsse nur dafür sorgen, dass der Kuchen wachse, dann würde für alle ein entsprechend größeres Stück davon abfallen.“
Heute wissen wir, dass eine Wirtschaft-Politik mit Wachstum und Vollbeschäftigung kein einfaches Projekt ist, und vieler Ordnungen, Übereinkünfte und Strategien bedarf – und letztlich auf fragile Synergien bauen muss. Das Scheitern Ludwig Erhard ist zugleich auch eine Mahnung an die heutige Bundesregierung – denn die Weltlage und die Finanzpolitik haben plötzlich im Jahr 2016 ganz ähnliche Strukturen und Herausforderungen.
Das Scheitern der Bundeskanzlers Ludwig Erhard
Der Wirtschaftsfachmann Ludwig Erhard fand am Ende kein Rezept gegen eine eingetretene Rezession und den damit verbundenen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Als die US-Regierung 1966 drastisch erhöhte Zahlungen für ihre in der Bundesrepublik stationierten Truppen verlangte, entstand jenes Haushaltsdefizit, an dessen Deckung Erhards Regierung mit der FDP scheiterte.
Heute haben wir eine ganz ähnliche Situation, denn die USA mahnen Deutschland und Europa, ihre eingegangenen NATO-Bündnisverpflichtungen mit Aufwendungen in Höhe von 2% des Bruttoinlandsprodukts einzuhalten.
Vor allem aber scheint heute auch eine ganze Ära zu enden, denn die großen DAX-Konzerne Siemens, Eon, Volkswagen, Deutsche Bank haben einen großen Jobabbau von 53.300 Arbeitsplätzen angekündigt: Vorbereitung auf den Wirtschafts-Crash? Großkonzerne bauen 53.300 Stellen ab | 1.12.2016 | Focus.
Lesetipp:
Ludwig Erhard: Wohlstand für Alle – PDF-Volltext