/// Kommentar /// – Auf einer Teststrecke in der chinesischen Stadt Zhuzhou in der zentralen Provinz Hunan wurde Anfang Juni eine Mischung aus Bus und Straßenbahn auf Gummibereifung präsentiert. Noch sitzt ein Fahrer darin, doch das ungewöhnliche Fahrzeug ist in der Lage, ganz autonom einer einfachen Fahrbahn-Markierung zu folgen. Sensoren überwachen dabei den Kurs.
Der „World First Virtual Train“ aus China gehört zu den wichtigen Innovationen der chinesischen „Going Global“ – Strategie, mit der mit neuen Technologien zum Sprung auf den Weltmarkt angesetzt wird.
Bis 2025 werden weltweit über viel Milliarden Menschen in großen urbanen Ballungsräumen leben und überleben müssen – eine Herausforderung, die sehr schnell gelöst werden muss.
Während in Berlin ein Verkehrsstaatssekretär „Sitzgruppen auf Parklets“ in Hauptverkehrs-Straßen entwerfen lässt, ist man in China gewissermaßen auf „Speed“ und schreckt mit den geplanten 70 Stundenkilometern gleich auch noch die gesamte europäische Omnibus- und Schienenverkehrsbranche mit auf.
Der „Virtual Train“ ist vieler Hinsicht bemerkenswert: es wird eine eigene neue Fahrzeugkategorie für den Massentransport geschaffen, die ohne gro0e Schieneninfrastruktur auskommt. Die Fahrzeuggrösse übersteigt bisherige Omnibus-Systeme wie Gelenkbusse, und bewegt mehr als 300 Fahgäste.
Gleichzeitig setzt die neue Lithium-Titanat-Batterie neue Maßstäbe in der Elektromobilität. Schon nach 10 Minuten Ladezeit soll der „Virtual Train“ wieder einsatzbereit für die nächsten 25 Streckenkilometer sein.
Die Vorteile des „Virtual Train“ sind enorm: zu Kosten einer Straßenbahn kann ohne Schienen geplant werden. Die chinesische Innovation könnte weltweit das Ende der Rad-Schien-Straßenbahnen einläuten, die beim Neubau lange Planungszeiten und hohe Investitionskosten verursachen.
Sorgt diese Innovation etwa auch für eine neue Verkehrspolitik in Berlin? Der Virtual-Track-Train dürfte auch Verkehrsexperten in Berlin aufgeweckt haben, denn die bisherigen Ausbaupläne für Straßenbahnen werden durch die neue Technologie in Frage gestellt.
Auch die Radverkehrsstrategien der Fahrrad-Verbände und die Zielsetzungen des Radverkehrsgesetzes müssen nun modifiziert werden, denn völlig neue Kombinationen von öffentlichen Personen-Nahverkehr werden denkbar.
Rad-Schnellwege könnten gleichzeitig auch mit Virtual-Track-Trains kombiniert werden. Haltestellen erhalten einen Bypass für den weiter fließenden Verkehr.
Bus-Spuren könnten zugleich mit Virtual-Track-Trains in ihrer Verkehrsleistung enorm gesteigert werden. Busse und Radfahrer könnten auch mit Virtual-Track-Trains gemeinsam eine Busspur nutzen. Virtual-Track-Trains können sich auch im Autoverkehr einpassen und so auf breiten Verkehrsstraßen den Berufsverkehr entlasten.
Zugleich wird die europäisch geprägte Denkweise in der Automobil-Entwicklung grundsätzlich in Frage gestellt: ist es überhaupt noch sinnvoll, in Innenstädten auf autonome Automobile zu setzen? Können Technologien wie der Virtual-Track-Train die gesamte Verkehrslogistik von Städten revolutionieren, und ein „Post-Automobil-Zeitalter“ einleiten?
In Berlin weren völlig neue Fragen aufgeworfen. Statt neuer Gesetze und Vorschriften zur „gerechten Aufteilung des Straßenlandes“ zwischen Verkehrsmitteln sind echte „Stadtverkehrslösungen“ gefragt.
Sollte die BVG neben BUS und Tram auch den Virtual-Track-Train einsetzen? Kann der Autostau in Pankow so schnell abgeschafft werden? Ist es eine Lösung, die gemeinsame Nutzung von Busspuren durch Änderungen der Straßenverkehrsordnung zu regeln, die Mindestgeschwindigkeiten für Radfahrer vorschreibt, damit der ÖPNV nicht behindert wird?
Wann sind einsatzfähige Fahrzeuge verfügbar? Lohnen eigene Neuentwicklungen noch? Müssen Entwicklungszeiten und Einsatzerprobungen beschleunigt werden, um mit der chinesischen Industrie noch mithalten zu können?
Der Virtual-Track-Train hat nicht nur das Potential, einen Innovations-Sprung im Stadtverkehr auszulösen – vor allem die bisherige Berliner Verkehrspolitk könnte „gekippt“ werden!