Das ehemalige Kinderkrankenhaus Weißensee in der Hansastraße kommt nicht aus den Schlagzeilen, immer wieder wird es zur Zielscheibe von Vandalismus und Brandstiftung. Die BVV-Fraktion von Bündnis 90/Grüne hat in der letzten BVV im September 2013 einen Antrag gestellt, der eine Mehrheit fand: „Der Senat muss das Gelände umgehend absperren und das Gebäude vor weiterem Vandalismus und Zerstörung schützen.“
Das im Jahr 1911 eröffnete und 1997 geschlossene erste kommunale Säuglings- und Kinderkrankenhaus Preußens in der verlängerten Kniprodeallee (heute Hansastraße) ist ein Sorgenfall für Pankow.
Das 21 Hektar große Gelände mit den fünf denkmalgeschützten Bauten wurde vom Liegenschaftsfond Berlin an eine Gesellschaft mit russischen Eigentümern verkauft, unter der Auflage, die Bauten und das Gelände für Wohnen und medizinische Zwecke neu zu entwickeln zu nutzen. Die denkmalgeschützten Gebäude sollten erhalten und saniert werden.
Russischer Investor untätig
Eine Firma mit dem Namen MWZ Bio Resonanz GmbH hatte am 25.11.2005 die Liegenschaft des ehemaligen Kinderkrankenhauses in Weißensee erworben. Seit dem wartet das denkmalgeschützte Gebäude in der Hansastraße auf eine sinnvolle Nutzung. Bis 2015 sollte auf dem Areal ein wissenschaftliches Zentrum für die Krebsforschung entstehen. Neben einem Therapiezentrum waren ein ambulanter Klinikbetrieb sowie ein Tagungszentrum geplant.
Der Investor war offensichtlich in Finanzierungsschwierigkeiten geraten – und hatte deshalb auch keine Bauvoranfragen gestellt oder Bauprojekte begonnen. Stadtrat Jens-Holger Kirchner hatte deshalb mehrmals nachdrücklich auf die Interessen des Denkmalschutzes gepocht und die Einhaltung der vertraglichen Sanierungsauflagen angemahnt.
Doch es hat sich nichts getan – der Investor blieb untätig. Die Gebäude wurden über mehrere Jahr durch Wind, Wetter, Feuer und Vandalismus demoliert. Die Fassaden wurden zum Ziel von wilden Graffiti-Schmierern, unter denen leider keine Künstler zu finden waren.
Die Freiflächen und Grünanlagen sind verwildert und tragen heute ein zum Teil völlig undurchdringliches Gestrüpp.
Das Gelände wurde in den letzten beiden Jahren immer wieder zum Ziel von Brandstiftungen. Inzwischen hält das Grundstück einen einsamen Rekord als Objekt mit den meisten Brandstiftungen in Berlin.
Meist wurden nur Gerümpel und herumliegender Müll angezündet, doch einige Male griffe die Flammen greifen auf das Gebäude über.
Gebälk und Teile des Daches und einige der Zwischendecken wurden verbrannt und stürzten ein. Das bisher größte Feuer entstand am 6. Juni 2013, der Dachstuhl brannte dabei auf 80 Quadratmetern mit einer kilometerweit sichtbaren Rauchsäule. Ende August brannte es wieder, diesmal war ein jedoch nur ein Schuppen betroffen.
BVV fordert Rückabwicklung des Kaufvertrages
Die Bezirksverordnetenversammlung Pankow fordert nun den Senat einstimmig auf, das ehemalige Kinderkrankenhaus Weißensee in der Hansastraße vor der endgültigen Zerstörung zu retten.
„Der Senat muss das Gelände umgehend absperren und das Gebäude vor weiterem Vandalismus und Zerstörung schützen. Die Brandanschläge der letzten Monate sind eine ernste Gefahr“, erklärte Cornelius Bechtler, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen.
Er stellte weiterhin fest: „Seitdem der Senat die Verantwortung für das denkmalgeschützte Gebäude trägt, wird es schutzlos der Zerstörung ausgesetzt. Es ist eine Schande, in welchem verkommenen Zustand das erste kommunale Säuglings- und Kinderkrankenhaus Preußens mittlerweile ist.“
Insgesamt 8 Jahre lang hat die Senatsverwaltung für Finanzen ihre Verantwortung sträflich vernachlässigt.
Auf die Kleine Anfrage (Drs. 17/10 926) von Andreas Otto (MdA, Bündnis 90/Die Grünen) antwortet die Senatsverwaltung, die Verpflichtung zur Einhaltung denkmalschutzrechtlicher Vorschriften sei durch den Eigentümerwechsel auf den Käufer übergegangen.
Doch bei der Grundstücksübertragung ist man nicht sorgfältig genug vorgegangen und hat keinerlei Vorsorge getroffen.
Dazu sagte Cornelius Bechtler: „Erst versäumte die Senatsverwaltung vertragliche Regelungen zu treffen, in denen der Erhalt des Denkmals als Verpflichtung des Käufers festgeschrieben wird, und dann schauten sie weg und überließen das Denkmal der Zerstörung.“
Wie geht es weiter?
Der Bezirk Pankow hatte schließlich 2012 den Liegenschaftsfond Berlin aufgefordert, rechtliche Schritte gegen den Investor einzuleiten, und gegen dessen Untätigkeit vorzugehen. Der Liegenschaftsfond war auch tätig geworden, und hatte eine Vertragskündigung und Rückabwicklung des Kaufvertrages gegenüber dem Investor angedroht.
Nach Auskunft von Baustadtrat Jens-Holger-Kirchner auf der Sitzung des Ausschuß für Stadtentwicklung und Grünanlagen am 23.8.2013 hat sich daraufhin eine neue Aktivität beim Investor gezeigt.
Demnach hat bei der Eigentümergesellschaft ein Gesellschafterwechsel stattgefunden. Der Liegenschaftsfond Berlin hat deshalb die Vertragskündigung gestoppt – und wollte der Eigentümergesellschaft in neuer Konstellation eine weitere, letzte Chance geben. Doch der Investor rührte sich bis dato nicht.
Bezirksamt Pankow macht Druck
Das Bezirksamt Pankow setzt sich nun bei der Senatsverwaltung mit allem Nachdruck dafür ein, dass umgehend Sicherungsmaßnahmen für das Gebäude ergriffen werden. Es geht dabei um die Sicherung der Bausubstanz – aber auch um den Schutz von Menschenleben.
Es wird nun auch gefordert: „Der Kaufvertrag muss rückabgewickelt werden und dann eine neue Ausschreibung erfolgen“.
Zwar könnte das Bezirksamt Pankow auch direkt handeln – aber das kostet Geld aus dem Bezirksetat.
Chancen für konsequentes Handeln
Wegen des Nichthandelns der Eigentümerin und zur direkten Gefahrenabwehr könnte das Bezirksamt Pankow auf Grundlage der Bauordnung Berlin tätig werden und für das Gelände eine Ersatzvornahme gegen die derzeitige verantwortliche Grundstückseigentümerin erwirken.
Einen Präzedenfall gab es dazu erst im Herbst 2012 im Bezirk Lichtenberg-Hohenschönhausen. Hier handelte die Bauaufsicht Lichtenberg und sicherte ein Grundstück mit mehreren Plattenbauten in Wartenberg durch eine Zaunanlage vor unbefugtem Betreten.
Rechtliche Grundlage dafür ist die Bauordnung für Berlin in Verbindung mit dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz.
Doch das Land Berlin müßte dann mit dem noch zuständigen Liegenschaftsfond handeln, und erst einmal eigenes Geld in die Hand nehmen, einen Zaun sichern, und eine Bewachung des Geländes bezahlen.
In Leipzig geht man einen noch kreativeren Weg: dort werden Häuser zum Schutz vor Verfall als sogenannte „Wächterhäuser“ an Künstler und Kreative vermietet, die sich hier Wohnungen und Ateliers einrichten.
Im Fall des ehemaligen Kinderkrankenhauses Weißensee hätte man schon 2005 auf den Gedanken kommen können – doch nun ist es dafür zu spät. Die Gebäude müssen erst mit großen Aufwand instand gesetzt werden.
Doch im Gegensatz zu 2005 hat sich auf dem Berliner Grundstücksmark der Wert des Grundstücks erhöht. Die Vertragskündigung und Neuvergabe an einen tatkräftigen Investor könnte neuen Schwung und neues Geld in die Landeskasse bringen.
Im Sinne der neuen Liegenschaftspolitik wäre es auch sinnvoll, das Grundstück zu teilen, und an Baugruppen und Genossenschaften zu vergeben. Für eine Klinikinvestition ist dann immer noch Platz genug. m/s
KAMPAGNE: Urban Explorer schützen verfallene Denkmale
Urban Explorer fotografieren oder filmen verfallene oder
verlassene Gebäude und Bauten jeder Art ausschließlich
zu Dokumentationszwecken und distanzieren sich in jeder
Form von jeder Art des Vandalismus.
Die Pankower Allgemeine Zeitung unterstützt diese Kampagne!
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Axel Hansmann – Fotografie: www.fotoausstellung.wordpress.com