Freitag, 29. März 2024
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Energetischen Modernisierung

1 Jahr Neuregelungen zur
Energetischen Modernisierung

1 Jahr neues Mietrecht im BGB

Am 01.05.2013 trat das Neue Mietrecht in Kraft. Der Gesetzgeber hat die Vorschriften über die Instandhaltungsmaßnahmen und den Abschnitt über die Energetische Sanierung in den Vorschriften der §§ 555a ff. im BGB neu geregelt. Zudem bietet das neue Mietrecht auch prozessuale Möglichkeiten, die Vermieterrechte ggf. im Einstweiligen Rechtsschutz durchzusetzen.

1 Jahr neues Mietrecht im BGB
Mietrecht seit 1.Mai 2013 verschärft – viele Streitpunkte ungeklärt

Die Duldung von Erhaltungsmaßnahmen und Maßnahmen der Energetischen Modernisierung

Der Gesetzgeber hat die Regelungen über die Duldung von Instandhaltungsmaßnehmen (§ 554 alter Fassung) in der Vorschrift des § 555a BGB neuer Fassung geregelt. Gemäß § 555a Abs.1 BGB besteht die Mieterpflicht, „Erhaltungsmaßnahmen“ zu dulden.

Sind zum Beispiel bei einem klassischen Altbau die Fenster defekt und müssen „ausgebessert“ werden, dann handelt es sich u.U. um eine Erhaltungsmaßnahme. Dasselbe gilt für den Fall, dass das Treppenhaus „renoviert“ wird oder die Elektroinstallationen neu durchgeführt werden müssen.

Ankündigung als notwendiges Formalkriterium

Eine korrekte Ankündigung der Maßnahmen ist gesetzlich vorgeschrieben. Dennoch tauchen in der täglichen mietrechtlichen Beratungspraxis regelmäßig Modernisierungsankündigungen auf, die entweder nicht fristgerecht kommuniziert werden und die nicht ansatzweise erkennen lassen, welche Maßnahmen nun geplant sind. Dauer, Umfang der Arbeiten und ein Kalkulationsansatz fehlen. Beispiel: Kosten für die Fassadendämmung werden auf der Grundlage einer Schätzung errechnet. Die Dauer der Maßnahmen ist auf ca. 4 Monate angesetzt. Bestimmt genug? – Nein lautet die Antwort.

Bei allen Modernisierungsmaßnahmen zur Erhaltung oder bei der Energetischen Modernisierung besteht gemäß § 555c BGB eine Ankündigungspflicht. Die Ankündigungsfrist muss alle unter die Modernisierung fallenden Maßnahmen umfassen, auch wenn Mieter durch Bauarbeiten nicht konkret betroffen sind (LG Berlin, Urteil vom 2.10.1986, 61 S 53/86). Die Ankündigung ist nicht nur formale Voraussetzung dafür, dass der Mieter die Modernisierung dulden muss (Kinne/Schach/Bieber, § 555c, Rnr.3f.) Nur bei Bagatellmaßnahmen ist eine solche Ankündigung entbehrlich.

Aus der „Modernisierungsankündigung“ müssen sich Art und Umfang der Maßnahmen zweifelsfrei ergeben. Beispiel: Die Bezeichnung „Renovierung Treppenhaus“ oder „Ausbesserung Fassade“ ist nicht hinreichend bestimmt genug, um die Auswirkungen für die Mietparteien abzusehen. Die „Modernisierungsankündigung“ muß Art, Umfang und Dauer der Maßnahmen erkennen lassen.

Sinn und Zweck von Modernisierungsmaßnahmen – Kritische Nachfragen ausdrücklich erlaubt

Dem Vermieter steht ein Anspruch auf die „Duldung“ dieser Erhaltungsmaßnahmen zu. Der Wortlaut sagt eindeutig: „hat zu dulden“. Wird die „Duldung“ verweigert, trägt der Vermieter die Beweislast, dass es sich um „duldungspflichtige Erhaltungsmaßnahmen“ handelt.

Eine Faustformel für die Frage der „Duldung“ gibt es nicht. Diese Maßnahmen werden oft als „Sanierung“ bezeichnet. Auf keinen Fall dürften hiervon die „Entkernung“ von Gebäudeteilen oder die Erneuerung der Außenfassade pauschal erfasst sein. Der Einzelfall ist rechtlich sauber zu differenzieren und zu prüfen.

RA Kai-Uwe Agatsy
RA Kai-Uwe Agatsy

Energetische Sanierung

Von den „bloßen Erhaltungsmaßnahmen“ sind die Maßnahmen der „Energetischen Modernisierung“ gemäß § 555b BGB zu differenzieren. Die Vorschrift des § 555b BGB wurde mit der Mietrechtsnovelle zum 01.05.2013 eingeführt. Diese Vorschrift beinhaltet einen abschließenden Katalog, wann es sich um „Modernisierungsmaßnahmen“ handelt. Unter Ziff. 1 und Ziff. 2 der Vorschrift ist die Grundlage für die „Energetischen Modernisierungsmaßnahmen“ geregelt.

Zu den Maßnahmen der Einsparung von Endenergie gehört die Wärmedämmung von Fenstern, Außentüren, Außenwänden (LG Hamburg, Urteil vom 11.9.2009, 311 S 106/08). Auch Kellerdecken und oberste Geschossdecken gehören dazu (KG Berlin, Urt. V. 20.04.2006, 8 U 204/05). Ob eine messbare Einsparung von der Heizenergie auf Dauer vorliegt, kann durch eine Wärmebedarfsberechnung ermittelt werden.

Eine pauschale Einordnung der Kriterien hierzu lässt sich allerdings nicht treffen. Der Einzelfall ist zu prüfen. Dies gilt vor allem für die Frage, ob denn die geplante Maßnahme überhaupt ihren Sinn und Zweck laut Ankündigung erfüllt. Gerade in Berlin werden die Fassaden von Altbauten der Baujahre 1904 bis 1910 die Außenfassaden mit einer Fassadendämmung versehen. Die Prüfung der bauphysikalischen Randbedingungen darf nicht vernachlässigt werden.

Einhaltung bauphysikalischer Grundsätze

Beispiel: Ein Berliner Altbau mit dem Baujahr 1908 mit einer Außenwand von 48 cm soll mit einer Wärmevolldämmung versehen werden. Die Wohnungen der Betroffenen sind noch mit klassischen „Doppelkastenfenstern“ aus Holz ausgestattet. Auf Nachfrage ließ der Vermieter mitteilen, dass es bei dem bautechnischen „Zusammenwirken“ von Dämmung und Bausubstanz nur auf die Dämmung ankommt, die nachweislich ausreichend sei.“ Die Frage der Effizienz solcher Maßnahmen ist eine „Tat-frage“, von der auch der Duldungsanspruch gemäß § 555b Abs.1 BGB unmittelbar abhängt.

Effizienz der Sanierungsmaßnahmen und Einhaltung von Grenzwerten nach der EnEV

Die Wirksamkeit z.B. von Dämmmaßnahmen wird durch die Vermieter oftmals damit begründet, dass die Grenzwerte der Energieeinsparverordnung (EnEV) einzuhalten sind. Die „spürbare“ Einsparung von Heizenergie wird als funktionales Argument vorgetragen. Zur Feststellung der Energieeinsparung ist auf die Verbesserung der Dämmwerte unter Heranziehung des „Wärmedurchlasskoeffizienten“ U nach der Tabelle 1 Anlage 3 EnEV 2009 (seit dem 01.05.2014 neue Fassung in Kraft). Die Einhaltung dieser Grenzwerte wird als Argument für die „Rundum-Sanierung“ ganzer Fassaden angeführt.

Beispiel: Die Fassade eines Wohnhauses wurde seit dem Jahr 1995 weder malermäßig noch putz-technisch überarbeitet. Der Putz bröckelt, da sich der Eigentümer über entsprechende Maßnahmen nicht einig war. Im Jahr 2013 wird das Haus zu wesentlichen Teilen an einen Investor veräußert. Dieser plant eine vollumfängliche Fassadenrenovierung sowie weitreichende Instandhaltungsmaßnahmen. Die Fassade ist noch nicht mit einer Dämmung versehen, die Mieter haben bisher Doppelkastenfenster.

Eine pauschale Aussage lässt sich nicht treffen. In Zweifelsfällen dürfte die Hinzuziehung eines Sachverständigen zweckmäßig sein. Bei instandsetzungsbedürftigen Außenwänden ist darauf abzustellen, ob die Wärmedämmung durch die Fassadenverkleidung gegenüber einer –hypothetisch – ordnungs-gemäß instandgesetzten Fassade wesentlich verbessert worden ist (LG Berlin, Urteil v. 29.1.1998, 62 S 295/97; GE 1998, 550; Kinne/Schach/Bieber, § 555nb, Rnr. 4ff.).

Wird die Einhaltung der Grenzwerte der EnEV gemäß Anlage 3 zu der Verordnung angezweifelt, muss die Einhaltung der Grenzwerte widerlegt werden. Die Gesamtheit aller Außenbauteile der Fassade ist dabei zu prüfen, um im Einzelfall den „Sinn und Zweck“ einer Maßnahme zu widerlegen. Wird ein Prozentsatz von mehr als 10 % der Außenfassade renoviert, müssen die Grenzwerte der EnEV eingehalten werden. Diese Argumentation wird zum Teil auch als Begründung unnötiger Dämmmaßnahmen herangezogen. Diese spielt im Gerichtsprozess um die Duldung eine entscheidende Rolle.

Ein Ansatz ist konsequent zu verfolgen: Der Mieter soll nicht verpflichtet sein, unnötig hohe, übertriebene oder gar unsinnige Kosten zu tragen (BGH VIII ZR 41/08, Urt. v. 17.12.2008). Es ist zu erwarten, dass es Entscheidungen zum neuen Recht geben wird, wonach Maßnahmen der „Energetischen Sanierung“ mit Einstweiligen Verfügungen unterbunden werden sollen.

Mieterhöhung als Auswirkung – Bestreiten der Miethöhe und Sinn und Zweck der Maßnahmen

Im Abschluss an die Modernisierungsmaßnahmen kommt es zu einer Mieterhöhung gemäß § 559 BGB. Die Miete darf die bisherige Grundmiete um bis zu 11 % übersteigen. Da viele Vermieter die Miete zeitnah nahezu verdoppeln oder erheblich aufstocken, führt dies zum rechtlichen Diskurs. Wird die Mieterhöhung in schriftlicher Form nach dem Abschluss der Maßnahmen angekündigt ist zu prüfen, ob ein Vermieter die zulässigen Kosten der Modernisierung oder Instandsetzung umgelegt hat. Hier ist zu hinterfragen, ob z.B. die „Energetische Modernisierung“ letztendlich ihr Ziel erfüllen oder eben nicht. Beispiel: Die Nettokaltmiete erhöht sich von vormals 360,00 € kalt auf 600,00 € kalt für die Wohnfläche von 50,00 m². Die Berechnung der Miethöhe muss nachvollziehbar bleiben.

Den betroffenen Mietern ist zu empfehlen, die Abschlussrechnungen prüfen zu lassen und ggf. mit Hilfe eines Sachverständigen die Miethöhe zu verifizieren. Teilweise könnten Zweifel an dem Sinn und Zweck der Maßnahmen bestehen. Fraglich ist, ob eine Fassadendämmung ohne den Austausch der Fenster Sinn gemacht hätte bzw. ob die teilweise Dämmung eines Dachstuhls ausreicht, wenn der andere Teil nicht für Wohnzwecke bestimmt ist. All diese Fragen sind im Miethöhungsverfahren nochmals zu prüfen und ggf. kritisch zu hinterfragen.

Das neue Mietrecht wirft viele Fragen auf, die es im Einzelfall zu klären gilt

Das neue Mietrecht u.a. die Vorschriften der §§ 555a ff. BGB wirft viele Einzelfragen auf, die es noch zu klären gilt. In Berlin gibt es zum Neuen Mietrecht bisher kaum Einzelfalljudikatur.

Im Bereich der „Duldungsansprüche!“ zeichnet sich jedoch eine sehr vermieterfreundliche Entscheidungstendenz der Berliner Amtsgerichte ab. Man darf gespannt sein, wie sich die Gerichtspraxis entwickelt.

Es ist zu erwarten, dass viele Sanierungsmaßnahmen durch Gerichte überprüft werden, weil viele Streitpunkte ungeregelt sind.

Der Autor ist Rechtsanwalt in Berlin
mit Tätigkeitsschwerpunkten im Mietrecht, Zivilrecht, Unternehmensrecht, IT-Recht
Kanzlei im Bötzowviertel
Rechtsanwalt Kai-Uwe Agatsy
Bernhard-Lichtenberg-Straße 14
10407 Berlin-Prenzlauer Berg