/// Kommentar /// Am nächsten Wochenende findet das fünfzigste Pankefest in der Breite Straße/Am Anger und in der Ossietzkystraße statt. Der Veranstalter hat als einzige PR-Agentur die Pressestelle des Bezirksamtes Pankow beauftragt, die Festankündigung zu verbreiten.
Die Pressestelle hat wie schon in anderen bedeutenden Fällen eine digitale „Gleichschaltung*“ unternommen, und den Link des Veranstalters ohne öffentlich-rechtliche Kontrolle hinterlegt.
Da der Veranstalter und das Bezirksamt Pankow tausende Euro für Straßennutzungs- und Standgebühren von den politischen Parteien AfD, Bündnis 90 /Grüne, CDU, FDP, Die Linke und SPD erheben, müssen sich die auf dem Fest vertretenen Parteien, Vereine, soziale Träger, Fahrgeschäfte, Standbetreiber, Imbissanbieter, Künstler und vor allem Sponsoren fragen, ob das eine würdige Praxis für einen sogenannten Kulturbezirk Pankow mit fast 400.000 Einwohnern ist?
Der Veranstalter, Diplom-Ingenieur Hans-Dieter Laubinger trägt dafür die Verantwortung, aber auch der Pankower Bürgermeister Sören Benn (Die Linke) und die in der BVV vertretenen Parteien.
Die Pankower Bürgerinnen und Bürger, ihre Gäste und auch Geflüchtete haben nun einen großen Anlaß über Pressefreiheit, Kultur und digitale Öffentlichkeit zu diskutieren.
Und alle Standbetreiber können sich fragen, welche Kosten eine unzureichende Pressearbeit in der eigenen Kasse verursacht, und ob sich hier sogar ein betriebswirtschaftlicher Schaden ergibt?
Hintergrund
Da der Berliner Senat den Konsortialvertrag mit dem Betreiber des Stadtportals „berlin.de“ gekündigt hat, entsteht hier eine besondere medienrechtliche Brisanz. Die BerlinOnline Stadtportal GmbH & Co.KG, eine Tochter der Verlagsgruppe Dumont, sorgt mit der o.g. Praxis auch indirekt für eine Zerstörung der wirtschaftlichen Basis der Berliner Zeitung, die vermutlich am Jahresende veräußert wird.
Präzedenzfälle der digitalen „Gleichschaltung“
Mit der digitalen „Gleichschaltung“ für den Veranstalter des Pankefest liegt nicht der erste Präzedenzfall in Pankow vor. Der noch prominentere Fall ist die sogenannte Bürgerbeteiligung Pankower Tor. Hier ist gleich die gesamte Bürgerbeteiligung auf die Internetseite einer börsennotierten europäischen Aktiengesellschaft der Krieger Handel SE digital gleichgeschaltet worden.
Damit trägt auch die Krieger Grundstück GmbH die inhaltliche Verantwortung nach §55 Abs. der Rundfunkstaatsvertrages.
Die in der Zählgemeinschaft der Pankower BVV vertretenen Parteien haben damit de Facto die kommunale Planungshoheit per digitaler „Gleichschaltung“ abgetreten, die Gewaltenteilung verletzt und die Pressefreiheit in Frage gestellt. Überdies: Aus der staatlichen Pressestelle des Bezirksamts Pankow wurde nicht nur eine PR-Agentur, sondern auch eine „Link- und SEO-Agentur“ für einen Investor.
Die gesetzlichen Möglichkeiten des Informationsfreiheitsgesetzes werden im Planverfahren Pankower Tor aus der Hand gegeben, zudem bestimmt der Investor, welche ihm genehmen Bürgerinnen und Bürger beteiligt und informiert werden.
Rechtsfolgen und Planungsfolgen
Die digitale „Gleichschaltung“ ist kein Pappenstiel: Rechtsfolgen und Planungsfolgen treten ein. Vor allem jene Bürgerinnen und Bürger im Pankower Norden, die alltäglich im Stau stehen und auf die Beseitigung der Flaschenhälse in der Verkehrsinfrastruktur warten und hoffen, sind die Leidtragenden. Auch Verzugsschäden treten ein, und verwaltungsrechtliche Beanstandungen der verfassungswidrigen Planungspraxis werden heraufbeschworen.
Wehret den digitalen Anfängen
Angesichts der historischen Erfahrungen macht es besonders betroffen, wie diese Publikation-Praxis und Unkultur in der Amtszeit eines linken Bürgermeisters und eines Linken Kultursenators fällt. Auch die zuständigen Abgeordneten in BVV und Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien werden ihrer Verantwortung offenbar nicht gerecht.
Immerhin: das Thema ist auf Betreiben von Stefan Förster (MdA FDP) schon angekommen, doch es wird noch nicht allgemeinöffentlich diskutiert: „Umbruch am Berliner Zeitungsmarkt – Die Tageszeitungen zwischen sinkenden Auflagen und Herausforderungen der digitalen Welt“, dieser Besprechungspunkt verharrt seit 23. Januar 2019 auf der Agenda.
Auf die Idee ist man allerdings im Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien noch nicht gekommen, die Politik selbst und politische Verantwortungsträger könnten Verursacher und Akteure sein, und nicht eine wie immer geartete anonyme „Digitalisierung“.
* „Gleichschaltung“ – ein Begriff aus dem Ermächtigungsgesetz, erlassen durch den Reichstag am 23. März 1933.