Viele Online-Zeitungen setzen Tracker ein, Programme die das Nutzerverhalten der Online-Besucher analysieren und aufzeichen. Den Rekord bei der Verwendung von TrRackern hält seit dem letzten Wochenende das Magazin FOCUS Online, das gegen Mitternacht des 30. Mai 2015 über das Pokalfinale zwischen FC Wolfsburg und Borussia Dortmund berichtete.
Mit dem Tool Ghostery wurden insgesamt 90 Tracker gezählt. Ein Screenshot wurde gesichert. FOCUS hält nun den Rekord bei den seit Monaten beobachteten Zahlen der wichtigsten deutschen Online-Zeitungen.
Was sind Tracker-Dienste?
Die Aufzeichnung und Auswertung des Nutzerverhaltens im Internet ist auf vielen Webseiten eine gängige Praxis. Nutzer wissen oftmals nicht, dass überhaupt Trackingdienste eingesetzt werden. Auch die Möglichkeiten der Auswertung werden allgemein unterschätzt.
Mit Hilfe von Tracking-Tools können solche Dienste aufgespürt werden, und bei Bedarf auch geblockt werden. Tracker-Dienste haben völlig unterschiedliche Funktionen und spüren auch unterschiedlichen Nutzungsdaten nach, die bei der Nutzung der Web-Browser wie Chrome, Firefox, Internet Explorer und anderen ausgelesen werden.
Überdies werden Cookies von den Diensten gesetzt, um die Nutzer zu einem anderen Zeitpunkt oder auf einer anderen Internetseite wiedererkennen zu können. Cookies sind kleine Programme, die aber per Browsereinstellung geblockt, oder auch nachträglich gelöscht werden können. Manche „Supercookies“ sind für Laien nur schwer zu finden. Spezielle Privatsphäre-Add-Ons helfen, auch diese Cookies in den Griff zu bekommen.
Was lesen die Tracker eigentlich aus?
Die Tracker sind so etwas wie die „kommerzielle NSA“ von Big-Data Firmen und Marketing-Diensten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, das Nutzerverhalten von Internetbesuchern auf Internetseiten zu analysieren, zu interpretieren – um daraus Hinweise für gezielte Werbung abzuleiten, die in geldwerte Marketingdaten verwandelt werden können.
Manche Tracker haben nur den Zweck, Cookies zu setzen, Nutzerkennungen zu vergebem und Fingerprints von Browsern abzubilden. Schon wenige Daten reichen aus, um sich nach und nach ganze Personenprofile anzulegen.
Werden die Daten getrennt gesammelt, so ist es möglich alle Datenschutz-Standards einzuhalten, weil nur Bruchstücke personenbezogener Daten gesammelt werden. Aber kein Gesetz verbietet es, die von 90 eingesetzten Trackern gewonnenen Daten an einem unbekannten Ort zu Profilen zusammenzusetzen.
Jahrelange Verfolgung ermöglicht vollständige Profile
Tracker vergeben u.a. eine Ihnen zugeordnete Nummer, die im Hintergrund in einem sogenannten Cookie auf Ihrem PC gespeichert und bei jedem der weiteren Abrufe wieder an die Trackerprogramme übertragen wird. Sogar bei wechselnden IP-Adressen oder Internetzugängen mitzuteilen, können die Träcker den Aufruf von Mailprogrammen und Profilen erfassen.
So können über Jahre hinweg alle Suchen und Seitenabrufe diesen eindeutigen Nummern zugeordnet werden. Diese Nummern können wiederum – z.B. durch im Laufe der Zeit erfolgte Logins, anhand bestimmter IP-Adressen, den Spuren auf Ihrem PC oder bestimmter Suchen oder Verhaltensmuster – mit Ihrer Person in Verbindung gebracht werden.
Welche Daten werden ermittelt?
IP-Adressen sind zunächst nur Hinweise auf eine Internetanschluß. Zusammen mit E-Mail-Adressen, Browserverlauf und Browser-Fingerabdruck und Querabgleich mit ganz normalen offenen Datenbanken kann jeweils ein Personenprofil erstellt werden.
Um einen Überblick zu gewinnen, was zum Beispiel Google über Sie gespeichert hat, kann seit dem 1.6.2015 über Google das eigene Konto abgefragt werden:
„Mit Google Ihre Privatsphäre & Sicherheitseinstellung anpassen: „Mein Konto“
Wie können Tracker geblockt werden?
Ein einfacher Schutz ist das Firefox-Add-On Ghostery. Das Tool muss explizit auf das Filtern solcher Cookie-Aufrufe konfiguriert wierden. In der Standardkonfiguration erfolgt nur eine Warnanzeige, aber keine Filterung.
Das Add-On Better Privacy schafft auch Super-Cookies und Flash-Cookies in den Griff zu bekommen. Ein einfacher Ersatz für Ghostery ist der neue PrivacyBadger von der Non-Profit-Organisation EFF. Daneben gibt es noch Programme wie AdBlock Plus, die speziell Werbeanzeigen blocken und das Setzen von Cookies unterbinden.
Fingerabdruck des Browsers
Jeder Webseitenaufruf hinterlässt eine Art digitalen Fingerabdruck, mit dem fast alle Internetnutzer wiederzuerkennen sind. Der Fingerabdruck setzt sich aus Informationen über den verwendeten Browser, das genutzte Betriebssystem, Systemfarben, installierte Schriftarten und Plugins, u. v. m. zusammen. Natürlich sind Fehler möglich, aber Experten haben in Untersuchungen herausgefunden, dass rund 93% der digitalen Fingerabdrücke in einem Untersuchungszeitraum einzigartig waren. Rund 90% aller Nutzer haben „stabile Fingerprints“, weil sie immer wieder vom gleichen Gerät aus auf das Internet zugreifen.
Für eine zuverlässige Nichtverfolgbarkeit muß auch mit einem diesen Fingerabdruck verfälschender Torbrowsers gesurft werden.
Dann sind allerdingst auch nicht mehr alle Dienste nutzbar, weil viele Mail-Dienste und Cloud-Dienste eine Identifikation über einen Fingerabdruck der Browsers absichern.
Tracker bei Online-Zeitungen
Die Verwendung von Tracker-Diensten bei Online-Zeitungen greift auf besondere Weise in das Verhältnis von Privatsphäre und Pressefreiheit ein. Die Dienste forschen im Auftrag der Zeitungsverlage persönliche Nutzerdaten aus. Gleichzeitig bieten manche Zeitungen „anonyme Hinweis-Postfächer“ an. Nur wer sich technisch auskennt, bemerkt den damit entstehenden Widerspruch. Gleichzeitig setzen die Zeitungen Cookies ein, um Content-Marketing zu betreiben, und dem Nutzer besondere Werbung zu zeigen.
Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass Informationen anhand nutzerbezogener Daten „vorgesetzt“ werden. Männern wird etwa eine Werbung über Rasierwasser angezeigt, Frauen bekommen eine Hautcremewerbung gezeigt. Ob auch Zeitungsinhalte angepasst werden, ist schwer feststellbar – aber jederzeit technisch möglich.
Im Fall der 90 gefundenen Tracker bei FOCUS Online stellt sich natürlich auch die Frage nach dem Datenschutz. Im Footer von FOCUS Online findet sich ein umfangreicher Beitrag, in dem die Praxis der Tomorrow Focus Media Gmbh zum Thema Datenschutz erläutert wird.
Zumutungen für die Leser
In dem umfangreichen Text sind viele Hinweise zu finden, dass man den Datenschutz ernst nimmt, und sich an gesetzliche Bedingungen hält. Erst nach einer Inhaltsanalyse fällt zunächst ein eklatanter Widerspruch auf:
Zitat: „Darüber hinaus ist es uns wichtig, dass Sie jederzeit wissen, wann wir welche Daten speichern und wie wir sie verwenden.“
Da die Zahl der eingesetzten Tracker unvorhersehbar schwankt, ist diese Aussage logisch falsch.
Natürlich fehlt auch nicht der Hinweis:
Zitat: „Um Werbung für Sie anhand Ihrer Nutzungsinteressen zu optimieren, haben wir es folgenden weiteren Unternehmen gestattet, Nutzungsdaten zu erheben. Auf den Webseiten der genannten Unternehmen finden Sie weitere Datenschutzinfos zu dem jeweiligen Angebot: …“.
Dort sind dann auch Opt-Out-Links vermerkt. – Die Leser müssten sich also jeweils noch vor dem Aufruf von FOCUS online davon gvergewissern, was diese Dienste mit ihren Daten anstellen, und zuerst in das Datensschutz-Verzeichnis der Zeitung hineinschauen.
Bei 90 Trackern wäre das viel Arbeit, und hätte sicher den ganzen Fußball-Abend des 30.5.2015 in Anspruch genommen.
Tracker ein offenes Problem zwischen Datenschutz, Pressefreiheit und Privatsphäre
Die Leser von Online-Zeitungen benötigen mehr Transparenz, um in Erfahrung bringen zu können, was mit ihren Browsern und Daten veranstaltet wird. Die Idee, einen „Tracker-Wetterbericht“ auf die Titelseite zu nehmen, damit man sich schon beim Einstieg informieren kann, wäre eine angemessene Lösung.
Die Pankower Allgemeine Zeitung verwendet keine Tracker-Dienste von Werbedienstleistern, sondern nutzt ausschließlich Google Analytics, das unumgänglich von Google aufgesetzt wird. Das Gravatar Widget dient dazu, Autoren, Kommentare und zugehörige Mail-Adressen mit einem Bild zu verknüpfen. Auch zu Facebook wird bewußt Distanz gehalten, weil eine neue „Topologie“ der Dienste im Internet entwickelt wird. Diese Topologie nimmt Datenschutz und Privatsphäre ernst, verzichtet auf Datenexport an Daten-Drittanbieter und setzt auf eine vertrauensvolle Internet-Nutzung.
Da sich die großen Online-Zeitungen mittlerweise erhebliche wirtschaftliche Vorteile aus der Datenauswertung verschaffen, hat die Pankower Allgemeine Zeitung einen Medien- und Wettbewerbsrechts-Experten mit der Prüfung des Themas beauftragt. Zugleich werden Schreiben an Datenschutzbeauftragten und an die Wettbewerbszentrale zum Schutz vor unlauteren Wettbewerb vor.
Weitere Informationen:
Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (Anstalt öffentlichen Rechts) – Link
Selbstdatenschutz – Link
Firefox – Persönliche Daten sichern – Link
Henning Tillmann: Browser Fingerprinting – Link
Themenvorschau:
Zum Thema Big-Data, Tracking, Datenschutz und Wettbewerb in der Medienlandschaft wird ein ausführlicher Beitrag vorbereitet.