Das Projekt „Pankower Tor“ hat sich innerhalb von zwei Jahren Werkstattverfahren in eine Art gordischen Knoten verwandelt. In der letzten Sitzung des Stadtentwicklungsauasschuß der BVV Pankow ist dem normalerweise freundlichen Investor Kurt Krieger der Kragen geplatzt. Er hat ein Ultimatum gestellt, die für ihn hinderlichen Planungsprobleme am Pankower Tor bis Weihnachten 2015 zu lösen.
Die Drohung klang nett: „… er werde sich sonst zurückziehen und das Projekt an die nächste Generation weitergeben!“ Krieger meinte dabei aber seinen 13 Jahre alten Sohn – was wohl noch mindestens 10 weitere Jahre Stillstand bedeuten würde, denn volljährig möchte ein Investor doch schon sein, wenn ein dreistelliges Millionenprojekt gestemmt wird.
Hausinterne Rangeleien?
Kurt Krieger hat eigentlich das Rentenalter erreicht, und seine 36 Jahre alte Tochter Sonja bestimmt bereits seit 2008 in weiten Teilen das Geschäft. Das „Projekt Pankower Tor“ ist geschäftspolitisch längst zu sehr mit Sentimentalitäten belastet. Krieger hat sich aus persönliche Rücksichtnahme viel zu weit in politische vor-Ort-Absprachen hinein begeben, die das Projekt lähmen.
Der Standort des Möbelhauses in der Weddinger Pankstraße soll baldmöglichst aufgegeben und ersetzt werden, es pressiert, denn der Wettbewerb mit den anderen Handelskonzernen in der Möbelbranche ist hart.
Inzwischen sind am Projekt Pankower Tor mindestens zwei Projektleiter intern „verschlissen“ worden, weil man allzusehr als Familienunternehmen plant, statt sich auf externe Architekten und Städtebauexperten zu stützen. Widerspruch ist unbeliebt – zumal wenn er Realitäten betrifft.
Krieger drängt die Zeit. Er muß nun auch ganz persönlich abwägen, ob er am Pankower Tor seinen Lebensabend aufs Spiel setzt, oder sich ganz zurück zieht.
Mitgefühl für den Investor
Kurt Krieger ist tatsächlich inzwischen in einer sehr prekären Lage: er hat viel Herzblut in das Projekt gesteckt, er ist schließlich hier in Pankow groß geworden und zur Schule gegangen. Es sollte „sein großes Projekt“ in Pankow werden, sein Lebenswerk vollenden.
Krieger hatte rechtzeitig vorgeplant, auf die Kraft der Lobby des Vereins für Pankow e.V. gebaut. Doch die alten Herren haben sich – bar jeder städtebaulichen Kompetenz – vereinspolitisch völlig überschätzt. Städtebau geht nicht mehr wie in der DDR per Beschluß und Dekret, sondern nach Planungsrecht, Stadtentwicklungsplan und Baurecht: Mit klaren fachlichen Bedingungen für Lärm, Verkehr, zentrenverträgliche Konzepte und städtebauliche Verträglichkeiten.
Erst mit dem Politikwechsel zur rot-grünen Zählgemeinschaft, und mit der Übernahme des Amtes für Stadtentwicklung durch Stadtrat Jens-Holger Kirchner, kam neue Bewegung in das Projekt.
Es wurden viele Hoffnungen auf das Werkstattverfahren gesetzt, doch hinter den Kulissen wurde hart um Kaufkraft, Einzugsgebiete, Handelsflächenindizes, VerkaufsFlächen und Handelsgutachten gekämpft. Mindestens ein Jahr ging so verloren.
Inzwischen sind 20 Entwürfe zu dem über 40 Hektar großen Areal gezeichnet worden. Vor allem die beiden Ausschußvorsitzenden Roland Schröder (SPD – Stadtentwicklungsausschuß) und Wolfram Kempe (Linksfraktion – Verkehrsausschuß) in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung haben versucht, in dem Projekt ein „städtebauliches Wunschkonzert“ zu etablieren:
– eine Straßenbahnlinie nach Pankow-Heinersdorf
– eine Grundschule zwischen Mühlenstraße und Berliner Straße
– eine Oberschule auf dem Gelände neben dem Rundlokschuppen am Bahnhof Heinersdorf
– die Verhinderung einer im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Planstraße Ost/West
– Denkmalsschutz und Erhalt des Rundlokschuppens, mit kultureller Nutzung.
Sozialstadträtin Zürn-Kastantowicz (SPD) hatte schnell die pflichtigen Infrastrukturanteile ermittelt, und quasi beide Schulstandorte „beschlagnahmt“, die aus dem Planungswertausgleich des Investors finanziert werden sollen.
Normalerweise wird der Planungswertausgleich in Geld bemessen, und dann an anderen Standorten verbaut. Hier aber wurde entschieden, das Vorhaben zwischen zwei Schulstandorte einzuspannen, um die Planstraße Ost-West zu verhindern. Ein Unding – soetwas tun Planer nicht! Nur Politiker kommen auf derart dreiste Ideen! Zumal der eine Schulstandort auch noch im Abgasstrom der Autobahn liegt und ungeeignet ist.
Krieger hatte sich auf diese Absprachen eingelassen, die schwierigen Bedingungen und die im Standort liegenden Verkehrs- und Planungsprobleme aber nicht richtig eingeschätzt.
Schröder und Kempe haben dabei ihre Rolle als Bezirksverordnete völlig überzogen: sie saßen selbst gern im Werkstattverfahren herum. Ihre Aufgabe aber haben beide verfehlt: dafür zu sorgen, dass endlich mehr Architekten, Planer und Experten beidseits des Verhandlungstisches angesiedelt werden.
Umgekehrt hat Krieger aber auch für eine falsche Doppelbindung gesorgt: er hat die zu Beginn eingesetzte Moderatorin im Werkstattverfahren herausgedrängt, und selbst einen Expertendialog aus wirtschaftlichen Eigenmotiven kurzsictig verhindert.
Stadtrat Jens-Holger Kirchner hielt sich klug zurück, er sieht das Projekt von Anfang an skeptisch, weil Ideen der siebziger Jahre mit einem für die grüne Wiese geplanten Möbelhaus-Kubus und großen Parkplatzflächen nicht nach Pankow passen.
Das Projekt passt zudem nicht in den Stadtentwicklungsplan Zentren. Nicht nur der vormalige Stadtentwicklungssenator Müller (SPD), sondern auch Andreas Geisel (SPD) ließen bisher durchblicken, dass ein Einkaufszentrum in der Granitzstraße nicht gewünscht ist.
Zu der im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Planstraße Ost-West hatten sich beide enthalten, wohl wissend, dass weder Krieger noch Bezirk Pankow eine derartige Lösung befürworten, weil sich einen zusätzlichen Brückenschlag zur Mühlenstraße erforderlich macht, und die nutzbare Baufläche einengt.
Unglückliche Konstellation für das Projekt verhindert Innovation
Das Projekt Pankower Tor leidet nun grundlegend unter einer unglücklichen „politischen“ Konstellation: Krieger hat versucht etwas städtebaulich durchzusetzen, was in der Verkehrsführung und in der städtebaulichen Verträglichkeit nicht umsetzbar ist.
Krieger der patriarchalisch regiert, will unbedingt sein aus der Betriebswirtschaft der Möbelkette heraus geplantes Baustein-Schema umsetzen. Dazu hatte er unerfahrene Berater, die dem Investor keine Grenzen und fachlichen Bedingungen abstecken helfen. Die Lobbyarbeit des Verein für Pankow e.V. hat auch nur falsche Erwartungen geschürt. Der Verein der konzeptionslos immer nur bestärkt, aber nicht qualifiziert städtebaulich nachgedacht hat, hat sich und die Öffentlichkeit mehrfach über die Realitäten gestäuscht – und Zeit verplempert.
Dazu kommt der „sentimentale Investor“ Krieger, der es „seinen Pankowern“ eigentlich Recht machen wollte, und nun in mehreren ernsten Sachzwängen steckt.
Auch die Pankower SPD sieht überhaupt nicht gut bei diesem Projekt aus.
Sie hat nicht verstanden, dass zwei BVV-Ausschußvorsitzende unrealistische eigene Vorstellungen haben. Der Abgeordnete Torsten Schneider (SPD) forderte dazu sogar eine Bürgerabstimmung über das Projekt, das völlig ungelöste Planungs- und Verkehrsprobleme hat.
Bürgermeister Köhne (SPD) lauert im Hintergrund und bezieht öffentlich keine Position zu einer sinnvollen Lösung. Er war bisher aber auch nicht in der Lage, das Projekt aus dem politischen Raum heraus zu lösen, und in eine Ebene städtebaulicher Fachplanung zu lenken.
Das Projekt Pankower Tor ist nun tatsächlich als „Planungsknoten“ im politischen Raum gefangen. Investor und Bezirkspolitik haben sich in allergrößte Not gebracht, weil sie alle zusammen grundlegende Fehler gemacht haben:
„Politiker können keine Planung machen“ – „Investoren müssen sich an städtebauliche Realitäten halten“ – und dabei ihre fachliche Verantwortung selbst organisieren – auch wenn dabei unangenehme Realitäten das eigene Vorhaben behindern.
Werkstattverfahren ohne Öffentlichkeit auf dem politischen Basar gelandet
Das Projekt „Pankower Tor“ ist nun auf dem politischen Basar gelandet. Bundesweit werden bei derartigen bedeutenden Projektentwicklungen ganz normale fachliche Standards eingehalten: es werden Architekten, Planer und Städtebauer eingeladen, städtebauliche Wettbewerbe und Verkehrsgutachten vorgeschaltet, um auch innovative städtbauliche Ideen und Konzepte zum Tragen zu bringen.
Das noch vom Architektenbüro Lorenzen zu Beginn des Werkstattverfahrens eingeführte „LEGO-Schema“ hat aber dazu geführt, dass Investor, Politik und ehrenamtliche BVV-Politiker in den Glauben geraten sind, man könne an diesem sensiblen Ort in Pankow mal eben selbst „Stadtplanung“ machen.
Nach Lage der Dinge gibt es nun noch immer keine stimmige planungsrechtliche Grundvariante für das Pankower Tor.
Ein lokalpatriotisch sentimentaler Investor, Lobbyarbeit und „planende Sozialdemokraten“ haben Pankow wenigstens zwei Jahre wertvolle Planungszeit gekostet.
Neueste Variante: Einkaufszentrum direkt am Pankower Tor
Investor Krieger hat inzwischen auch die Pläne des Marktführers IKEA zur Kenntnis nehmen müssen, der künftig auf urbane Standorte und ein junges Publikum in der Stadt setzt.
Eine Planung für ein Einkaufszentrum direkt am Pankower Tor wäre nun eine zeitgemässe Antwort, um das Zentrum von Alt-Pankow entlang der Berliner Straße zu stärken.
Wegen der besseren Anbindung an den Knotenpunkt S-Bahnhof Pankow könnte die Variante eines großen Einkaufszentrums an der Ecke Berliner Straße / Granitzstraße zum Zuge kommen, das geplante Möbelhaus kann dahinter angebunden werden.
Wird heute die Lösung verhandelt?
Stadtentwicklungssenator Geisel ist heute im Rathaus Pankow und wird auch die Frage mit der Planstraße Ost/West lösen müssen.
Mit der Variante eines großen Einkaufszentrums am Pankower Tor würde Krieger ein „innenstadtverträgliches Projekt“ beginnen, das einen völlig neuen städtebaulichen Plan erfordert.
Der neue Plan wäre dann der 21. Planentwurf für das Pankower Tor, wenn man die Vorgängerplanungen mitzählt.
Pankower Tor 21 – das wäre dann der Projektname, wenn endlich Architekten und Städtebauer neu mit dem Entwerfen beginnen können.
Städtebaurecht und Zentrenverträglichkeit
Der Flächennutzungplan von Berlin sieht eine zusätzliche leistungsfähige Straße im Verlauf der Achse Granitzstraße /Mühlenstraße vor. Die Achse wird auf lange Sich benötigt, wenn der Autobahnabzweig Pankow an der Prenzlauer Promenade langfristig funktionieren soll.
Schon heute gibt es hier Stauprobleme, der Verkehrsfluß in ganz Pankow wird sich bei einem Einwohnerzuwachs von bis zu 60.000 Einwohnern massiv verändern.
Bisher wäre an der Prenzlauer Promenade ein Fachmarktzentrum mit zentrenverträglichen Sortimenten genenmigungsfähig. Investor Krieger möchte aber ein Einzelhandels-Zentrum mit Vollsortiment, weil dies eine hohe Besucher- und Kundenfrequent garantiert.
Doch ein solches Zentrum kann nicht an eine nur zweispure Granitzstraße angeschlossen werden, es werden wenigstens vier Zufahrten benötigt, um den erwarteten Verkehr aufzunehmen.
Die Lösung, an der Prenzlauer Allee ein Möbelhaus mit Fachmarktzentrum zu bauen, mit Brückenhaus und Überfahrt am Bahnhof Heinersdorf, plus Nahversorgungszentrum, wurde überhaupt nicht bedacht. Entlang der Damerowstraße gäbe es auch Potentiale, um eine zentrenähnliche Nutzung zu schaffen, die weit weniger Verkehrsprobleme verursacht, und den S-Bahnhof Heinersdorf entwickelt.
Sitzung im Rathaus Pankow soll Probleme lösen
Auf der heutigen Sitzung zwischen Baustadtrat Jens-Holger Kirchner, Stadtentwicklungsenator Andreas Geisel und Bezirksbürgermeister Matthias Köhne soll nun Lösung gefunden werden.
Da keine Architekten und Städtebauer am Tisch sitzen, müssen die Politiker nun überlegen, ob sie sich weiter in politische Pflichten nehmen lassen, oder den Investor daran erinnern, dass er auch für die Fachplanung seines 400 Mio. Euro umfassenden Vorhabens zuständig ist.
Nachdem das Grundstück nun über 5 Jahre im Besitz der Krieger Grundstück GmbH ist, wird es Zeit, dass endlich auch renommierte Architekten und Stadtplaner ein Wörtchen zum Konzept mitreden.
Termin-Hinweis:
Am 2. Juni 2015 (18:00 Uhr) findet das öffentliche “Forum Einzelhandel in Pankow, Wilhelmsruh und Heinersdorf” im Rathaus Pankow statt.
Rathaus Pankow (Großer Ratsaal) | Breite Str. 24a-26 | 13187 Berlin Pankow