Das BAIZ – die Kultur- und Schankwirtschaft am Südzipfel des Prenzlauer Berg muss aus ihrem altbewährten und angestammten Quartier ausziehen. Kiezkultur versus Gentrifizierung ist auch hier der hintergründige Streit. Doch Mathias Bogisch hat das BAIZ zur Institution gemacht. Es ist nicht nur Urgestein der Kneipenkultur in Prenzlauer Berg, sondern ein soziales Netz.
„Kein Bex, kein Latte, kein Bullshit, und dann auch noch Selbstbedienung“ – der Spruch an der Markise warnt den Gast: diese Kneipe ist anders. Geöffnet ist „täglich ab 16:00 bis Barmensch am Ende“. Die Gäste kennen sich fast alle, und der Mann am Tresen Mathias Bogisch hat für jeden Gast Augen und Ohren.
Kleine Alltagserledigungen gehen hier neben Bier und Getränken über den Tresen, und ein unendliches Kiezgespräch wird hier in Gang gehalten. Das BAIZ ist Kult und Heimat, für alle, die es schon lange kennen, täglich vorbeischauen und im Mail-Verteiler verbunden bleiben.
Ein zutiefst menschliches Verständnis prägt auch die Gästeansprache, wie auf der Internetseite zu lesen ist:
„Aufgrund unseres “niedrigschwelligen Angebots“ können sich immer mal wieder Menschen zu uns verirren, die aufgrund eines hohen Alkoholspiegels oder einer geringeren Auffassungsgabe [oder beidem] nicht sofort bemerken, dass hier andere Prioritäten gesetzt sind, als in Ihrer Lieblingsbar auf “Malle“. Deshalb hier noch mal deutlich: Wir wollen ein Freiraum sein, in dem sich jede/r wohl und sicher fühlt. Egal ob frau, mann, trans, queer oder wie der Mensch sich sonst definiert. Jede/r die/der bei uns arbeitet, ist für Probleme offen, die an uns herangetragen werden, wird darauf in angemessener Form reagieren und den Menschen nicht in Frage stellen. Natürlich können wir nur tätig werden, wenn Ihr uns ansprecht, denn es ist bei uns streckenweise sehr voll und der Mensch, der allein arbeitet, kann seine Augen und Ohren auch wegen unserer verwinkelten Räume nicht überall haben. Deshalb zögert bitte nicht, Euch bei unangenehmen Situationen direkt an den Treser / die Treserin zu wenden… “
Das Kulturprogramm lockt seit über 8 Jahren eine große Fangemeinde, oft ist auch überfüllt. Werbung im TIP ist verpönt. „Wir versuchen, unser kulturelles/politisches Angebot und günstige Preise in einer angenehmen Atmosphäre unter einen Hut zu bringen;“ so die einfache Philosophie. Das Programmheft ist begehrt und liegt nur im Kiez aus.
Die Kulturbühne bringt Folk und Swing, Kino, Literaturabende, „Kapitalistische Wohnungsfrage“ und Kickerturnier in einem Monatsprogramm zusammen. Zu den „netten Läden“ im Kiez wird eine freundschaftliche Verbindung gepflegt. Ob Leute am Teute, Café Morgenrot oder KvU und Rumbalotte. Das BAIZ gehört zum alten linksalternativen Prenzlauer Berg. Die vielen politischen Plakate im Innenraum sind Zierde und Statement zugleich.
Kneipenambiente und Habitus der Gäste bilden einen eigenen Kosmos. In einem Kneipenführer müßte das BAIZ neben dem Typus „Berliner Eckkneipe“ als Archetypus der „linken Eckkneipe“ stehen.
Baiz kommt übrigens aus dem süddeutschen Raum und steht für Spelunke, Eckkneipe, im badischen Raum heißen alle Kneipen natürlich „die Baiz“. Großgeschrieben ist es ein Wortspiel, das auch B wie Berlin, A wie alternativ, anarchistisch oder antifaschistisch – und IZ wie Informationszentrum heißen kann. Im Kiez heißt es längst „das BAIZ“ – oder die Kultur- und Schankwirtschaft BAIZ.
Umzug nach längeren Kampf
Nach längeren Streit mit der Investorengruppe Zelos Properties GmbH, die das Gründerzeithaus an der Christinenstrasse erworben hat, zieht das BAIZ nun aus.
Nach zu letzt drei fristlosen Kündigungen im letzten halben Jahr hat man sich noch vertraglich geeinigt, den Betrieb bis zum 28.2.2014 aufrecht zu erhalten. Das Baugerüst steht schon, die Handwerker sind schon im Haus.
„Wir sind vertraglich verpflichtet, darauf hinzuweisen, „dass mit dem Vermieter eine abschließende Einigung über eine befristete Verlängerung des Mietverhältnisses bis zum 28.02.2014 gefunden wurde, um dem Cafe BAIZ einen nahtlosen Übergang an einem anderen Ort zu ermöglichen.“ – so steht es auf der Internet-Seite des BAIZ.
Das „BAIZ bleibt – woanders!“ – der Kampfspruch wurde aktuell modifiziert, weil im Herbst 2013 neue Räume gefunden wurden, die das Überleben des BAIZ als „Kiezbiotop“ zu garantieren scheinen.
In den Räumen einer alten Table-Dance-Bar an der Schönhauser Allee Ecke Wörther Strasse wird das BAIZ in die Mitte des gentrifizierten Kollwitzkiez rücken, und den angestammten Kiez an der Torstrasse verlassen.
Ein Verlust, der den Erlebniswert der Immobilien im Umfeld erheblich schmälern wird. Die „kapitalistischen Eiferer“ unter den Immobilieninvestoren verzehren das soziale Kapital, auf dem sie ihre Planungen bauen.
Lediglich die Gaststätte W. Grassnick an der Angermünder Strasse/Ecke Torstrasse hält noch die Stellung als „perfekte Emulation einer HO-Gaststätte“ und hält eine Erinnerung wach.
Umzugs-Menschenkette! Bitte Mitmachen und helfen!
Der Umzug soll zum Happening werden. Die „Umzugs-Menschenkette gegen den Ausverkauf der Stadt“ wird zugleich ein Protest gegen die als kulturzerstörend erlebte Gentrifizierung des Prenzlauer Berg sein.
Auf Facebook und in einigen Medien wird in den nächsten Tagen zum Mitmachen aufgerufen. Über Christinenstrasse, Schwedter Strasse soll der Umzug bis zur neuen Adresse in der Schönhauser Allee 26 a führen. Für die etwas mehr als einen Kilometer lange Strecke werden mindestens 300 HelferInnen gesucht, mit 500 UnterstützerInnen sind auf jeden fall genug Leute zur Schließung der Kette da…
Viel Unterstützung im Bezirk Pankow
In den letzte Monaten gab es ganz große Unterstützung für die Erhaltung des BAIZ. Menschen aus dem über 100köpfigen BAIZ-Bleibt-UnterstützerInnenkreis haben auf Demos und Straßenfesten auf das Problem aufmerksam gemacht, und neben einer Petition auch in Papierform über 5000 Unterschriften gesammelt.
Am 5. März werden diese von Mathias Bogisch im Rahmen der monatlichen Bezirksverordnetensitzung in der Fröbelstrasse öffentlich übergeben.
Das Bezirksamt Pankow hat auch aktiv und beratend bei der Genehmigung der neuen Gaststätte unterstützt. Auch die Genehmigung für einen Schankgarten ist bis zum Frühjahr rechtzeitig erteilt. Das neue Objekt wurde von BAIZ-Gästen gefunden, der alte Eigentümer kannte das BAIZ, und beide Parteien wurden in kürzester Zeit handelseinig.
Die Finanzierung des neuen BAIZ wurde mit Hilfe der Gäste und NachbarInnen komplett ohne Banken gestemmt. Und auch beim Umbau der Räumlichkeiten legen die Fans und Unterstützer mit Hand an.
Mathias Bogisch geht aufgrund der bisher großen Unterstützung davon aus, „… dass wir die Kette – wenn das Wetter halbwegs mitspielt – auch geschlossen kriegen“. m/s
Weitere Informationen:
Umzugs-Menschenkette:
Sonntag, 23.02.2014, 15:00 Uhr
BAIZ, Christinenstraße, Schwedter Str.
Schönhauser Allee bis zur 26A, neues BAIZ