Von Michael Springer
Die Auswirkungen des von Russland geführten Krieges gegen die Ukraine treffen mit voller Wucht auch die Baustellen hierzulande: Die Baubranche schließt deshalb Baustopps für eine Vielzahl von Projekten nicht mehr aus.
„Wir können heute nicht sicher sagen, ob genügend Material für alle Baustellen in Deutschland vorhanden sein wird“, so Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Bauindustrie.
Noch vor wenigen Tagen ging die Branche davon aus, dass die steigenden Preise vor allem auf die Sorge vor drohenden Lieferengpässen und weiteren Sanktionen zurückzuführen sind. „Heute wissen wir aber, dass die Stahlproduzenten ihre Produktion drosseln müssen. Zudem haben große Raffinerien angekündigt, ihre Bitumen-Produktion, die dringend für den Straßenbau benötigt wird, kurzfristig deutlich reduzieren müssen.“
Allein die Preisentwicklung bei Bitumen kann den Straßenbau mitten im aktiven Baufortschritt stoppen, weil schon bis zu 64 % höhere Preise für Lieferungen gefordert werden.
Teilweise kommen sogar einfache Lieferungen, wie Schrauben und Nägel, aufgrund von Sanktionen nicht mehr in Deutschland an. Müller warnt: „Wir sollten uns heute schon die Frage stellen, welche Projekte wir einstellen müssen und auf welche wir nicht verzichten können.“
Große Krise auf dem Baustoffmarkt
Die Krise auf dem Baustoffmarkt hat sich in den letzten Tagen bereits angekündigt: „Wir haben große Preissteigerungen, etwa bei Stahl, Bitumen und Aluminium gesehen. Die Materiallieferanten geben uns deshalb keine verbindlichen Angebote mehr. Teilweise werden Preise nur im Stundenrhythmus garantiert. Angebote wie bisher seriös zu kalkulieren und abzugeben, ist damit unmöglich.“
Bauwirtschaft steckt in Vertragsfallen fest
Die in der Regel mittelständischen Baufirmen müssen alle Baustoffe zwischenfinanzieren und oft langfristig oder überjährig Preise aus gewonnenen Ausschreibungen des Vorjahres garantieren.
Hintergrund: In laufenden Bauverträgen können die Unternehmen größere Preissteigerungen nicht weiterreichen, was zu einem großen wirtschaftlichen Risiko führen wird. Müller sagte dazu: „Sie bleiben auf den Mehrkosten sitzen. Helfen würde uns für alle Verträge die Vereinbarung einer Preisgleitklausel, insbesondere für laufende Verträge.“
Das heißt aber die Übernahme von unkalkulierbar gestiegenen Mehrkosten durch die Auftraggeber.
Bleibe die Situation so bestehen, warnt Müller, würden Projekte in die Verlustzone rutschen, ein kurzfristiger Baustopp könne aus heutiger Sicht nicht ausgeschlossen werden.
„Mit den Vorständen der großen Auftraggeber, etwa Deutsche Bahn oder Autobahn GmbH, sind wir in Kontakt. Unsere Situation wird verstanden. Wir warten dringend auf eine konkrete Festlegung des Bundesverkehrsministeriums.“
Ausweg Preisrecht
Die Bauverträge haben in der Regel nur indexierbare Preisgleitklauseln und Tarifanpassungsklauseln. Bei exorbitanten unvorhersehbaren Preissprüngen können weder Bauherr noch Bauunternehmen nachlegen. Um die außergewöhnlichen Preissprünge vertragsssicher und fair zu verhandeln, gibt es nur die Möglichkeit, das Preisrecht anzuwenden, und die Baupreiskalkulationen für gestiegene Materialpreise nach VO PR 30/53 nachzuweisen und zu bemessen.
Bundeswirtschaftsministerium und Bundesfinanzministerium müssen hier planungssichere Leitplanken für alle Sektoren der Bauwirtschaft, vom Verkehrsbau bis zum Wohnungsbau auf dem Verordnungsweg schaffen. Denn Baustillstand verursacht allerorten unübersehbare Mehrkosten – bis hin zu Firmenpleiten!