Die Stadt-Oberhäupter der drei großen deutschsprachigen Hauptstädte Berlin, Bern und Wien trafen sich am 8. Juli 2021 auf Einladung von Wiens Bürgermeister Dr. Michael Ludwig zum Erfahrungsaustausch. Ziel des war des neu in Gang gesetzten „Städte-Trialogs“ ist es, voneinander zu lernen.
Die Allianz der drei Städte besteht seit zwei Jahren, das letzte Treffen fand 2019 statt und musste im vergangenen Jahr wegen der Pandemie ausfallen.
Gemeinsame Themenschwerpunkte waren die Auswirkungen der Pandemie auf die Arbeitswelt, Jobchancen für Jüngere und Ältere sowie leistbares Wohnen als kommunale Kernaufgabe.
Im Rahmen des Treffens wurde eine gemeinsame Erklärung zur Bedeutung einer aktiven Städtediplomatie verfasst. Im zusammenwachsenden Europa entwickeln Städte und Kommunen ein zunehmendes politisches Gewicht, und bestimmen über Innovationen und Strukturinnovationen mit.
Spielte früher die Außenpolitik allein in der Kooperation von Nationalstaaten eine führende Rolle, so drängen heute Metropolen, Städte und Kommunen mit ihren Agenden und Interessen in kooperative EU-Initiativen und Programmentwicklung hinein.
Anders als Ministerien müssen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister auch direkte Problemlöser sein, da sie näher an den Bürgerinnen und Bürgern sind, und über konkretes Handeln und über Investitionen und Innovationen in Infrastrukturen bestimmen.
Drei Bürgermeister, ein Trialog und eine gemeinsame Erklärung, das ist ein wichtiges Zeichen für Kooperation.
Drei Bürgermeister und drei „Akzentuierungen“ — die Kernaussagen von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, Bürgermeister Michael Müller und Berns Stadtpräsident Alec von Graffenried werden hier gegenüber gestellt:
Bürgermeister Michael Ludwig: „Wir stehen ein für liberale Demokratie, Medienfreiheit und Rechtstaatlichkeit. Städte treiben die demokratische Innovation an, dafür stehen wir in Bern, Berlin und Wien.“
Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller: „So unterschiedlich unsere Städte auch sein mögen, so eint sie doch vieles: Die Herausforderungen unserer Zeit sind in allen Metropolen vergleichbar. Es geht um die Frage, wie wir leben wollen, um Klimawandel und Mobilitätswende, um Wohnungsnot und steigende Mieten und um gesellschaftliches Miteinander. Das haben wir nicht zuletzt während der Corona-Zeit erlebt. Dabei können die Städte voneinander und miteinander lernen. Ich freue mich daher sehr, dass wir den gemeinsamen Austausch zwischen Wien und Bern in diesem Jahr fortführen können und freue mich darauf, diese enge Kooperation auch in Zukunft weiterzuführen.“
Der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried berichtet vom Treffen auf der Internetseite der Stadt Bern. Bianca Blywis-Bösendorfer vom Auslandsbüro der Stadt Wien in Berlin berichtet mehr: Er (von Graffenried) erinnerte an den US-amerikanischen Politologen und Autor Benjamin Barber. Dessen Buch „If mayors ruled the world“ („Wenn Bürgermeister die Welt regierten“) zeige eindringlich, wie „nahe am Menschen wir als Bürgermeister sein müssen. Wir sind direkte Problemlöser.“ Früher sei Außenpolitik alleinige Aufgabe von Nationalstaaten gewesen; „aber auch Städte haben Agenden und Interessen, und die sind nicht immer deckungsgleich mit jenen der Staaten“, erinnerte von Graffenried an Hauptstädte wie Budapest und Warschau.
Die gemeinsame Erklärung unter dem Motto „Aktive Städtediplomatie für eine gute Zukunft für alle“ wurde jeweils in den drei Städten als Dokument veröffentlicht.
Die Zielformulierungen in Wien, Berlin und Bern sind in den Bereichen „Klimaziele“, „Leistbares Wohnen“, „resiliente und kreislauforientierte Wirtschaft für gute Arbeit“ und „Demokratie und Rechtsstaat in Europas Städten stärken“ übereinstimmend formuliert. Damit ist eine Basis zur Zusammenarbeit und Austausch geschaffen, die auch Lernprozesse und Innovationen fördert.
Mit dem Begrifff „Leistbares Wohnen“ wird zugleich eine wichtige Formel geprägt, denn alle drei Städte sind in gleicher Weise von steigenden Baukosten und Mieten im Bestand bedroht, sodass auch Demokratie und Rechtsstaat in Gefahr geraten.
Wie ernst die Gefahr ist, müssen inzwischen auch Immobilien-Investoren und Vermieter begreifen: der neuste „Digitising Europe Pulse“ vom Vodaphone Institut für Gesellschaft und Kommunikation zeigt einen deutlichen Kipp-Punkt: „Mehr als die Hälfte der deutschen Stadtbewohner:innen (53%) kann sich vorstellen, in den nächsten ein oder zwei Jahren aufs Land zu ziehen.“
Ein Blick in andere europäischen Länder zeigt ähnliche Ergebnisse, mit Ausnahme der Niederlande, die eine hohe Eigenheimquote aufweisen.
Weitere Informationen:
Gemeinsame Erklärung Berlin Bern Wien 8. Juli 2021