Mittwoch, 09. Oktober 2024
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Das Weißenseer Blumenfest 2018 fällt aus!

Weißenseer Blumenfest

/// Kommentar /// – Das Weißenseer Blumenfest war zehn Jahre lang ein erfolgreiches Stadtfest im Bezirk, das den sommerlichen Terminkalender mit Kultur, Festivitäten und einem Umzug bereicherte. Die Wahl einer Blumenkönigin war beste Sympathiewerbung für Weißensee – und manche lokalen Akteure, Firmen, Institutioen und Vereine konnten sich einer größeren Öffentlichkeit bekannt machen. In den besten Zeiten klappte Kunst- und Kulturförderung.

In diesem Jahr fällt das Weißenseer Blumenfest 2018 aus. Der gemeinnützige Verein für Weißensee e.V. hat die beliebte Veranstaltung abgesagt. Doch die Absage kommt nicht ganz plötzlich, denn schon seit 2013 zeichneten sich eklatante Mängel in der Organisation und allzu idealistische Zielsetzungen ab, die zu einer Überforderung des Veranstalters führen mussten.

Pankower Stadt-Feste unter Kostendruck

In einem Beitrag am 2.März 2017 in der Pankower Allgemeine Zeitung wurde die schwierige Problemlage angesprochen, die in Berlin praktisch alle Stadtfeste in ähnlicher Weise betrifft:

„Die Organisatoren von Stadtfesten in Berlin stehen unter enormen Kostendruck. Genehmigungsgebühren für die Nutzung von Straßenland und Grünflächen, Verkehrregelungen mit Verkehrszeichen und Absperrungen, sorgen für unabdingbare Kosten. Neuerdings kommen bedarfsweise auch Betonbarrieren und erhöhte Schutzmaßnahmen dazu. GEMA-Gebühren für Musikaufführungen und Konzerte sind enorm gestiegen. Ausgaben für Wasser- und Abwasserinstallationen und Kosten für Stromanschlüsse, Stromversorgung und Starkstrom für Marktstände schlagen ganz erheblich zu Buche.

Für wichtige Teile der mobilen Infrastruktur müssen dazu Auf- und Abbau-, Transportkosten und Personalkosten mitfinanziert werden. Zusätzlich schlägt die Mietdauer von angemieteten Geräte, Installationen und Mietanlagen und WC´s zu Buche.“

Selbstüberforderung des Vereins

Wer schon einmal so ein Stadtfest mit allen Einzelheiten geplant und erfolgreich umgesetzt hat, weiß wieviel Arbeit darin steckt. Mindestens sechs Monate Vorarbeit einer Vollzeit-Geschäftstätigkeit müssen aufgewendet werden, um alle Pläne, Genehmigungen und Auflagen zu erfüllen. Bis an wenigen Tagen Standaufbau und die technische Infrastruktur realisiert werden können. Viele Dutzend Beteiligte und zuständige Stellen müssen koordiniert werden.

Dazu kommt die betriebswirtschaftlich umfangreiche Abwicklung von Gebühren, Einnahmen und Kostenumlagen, die wegen der Gemeinnützigkeit des Vereins auch oft schwierige Buchungsprobleme nach sich zieht. Imbiss-Buden und Verkaufsstände sind „gewerbliche Betriebe“, deren Kostenbeiträge im Konto „wirtschaftllicher Geschäftsbetrieb“ des Vereins abzurechnen sind. Zudem fallen manche Kosten unvorhersehbar an, einzelnen Kostenstellen werden überzogen, weil die Kosten erst spät nachgemeldet werden.
Kurz: der Weißensee e.V. hatte eine Aufgabe übernommen, die andernorts in Alt-Pankow oder Rosenthal von einer professionellen Veranstaltungsagentur übernommen werden.

Politische Ambitionen und fehlende Aufgabenkritik

Die Macher im Vorstand, vor allem Dirk Stettner und Andreas Neumicke, haben Jahr um Jahr mit viel Idealismus und ehrenamtlichen Einsatz die Blumenfeste organisiert. Die Vereinstätigkeit wurde aber mehr und mehr als rein christdemokratische Initiative wahrgenommen. Überdies haben Generationenwandel und Zuzug von Neubürgern das Konzept des Blumenfestes etwas aus der Zeit fallen lassen. Es entstand ein Mißverhältnis zwischen Ambitionen, Zwecken und tatsächlich verfügbaren Ressourcen. Zudem hat ein Streit um Stellplätze von Partei-Ständen wichtige kommunalpolitische Akteure entzweit.

Statt einer radikalen Aufgabenkritik hat man sich durchgewurstelt, Vereinzwecke, förderpolitische Ziele, Ziele des Stadtmarketings und wohl auch parteipolitische Ziele miteinander vermengt. Die Last der Sponsoren-Mittel verschob sich so immer mehr auf wohlgesonnene lokale Unternehmer und Händler, die aber im scharfen Wettbewerb stehen, und einen wachsenden Druck bei Gewerbemieten zu tragen haben.

Christdemokraten zwischen Idealismus – Ehrenamt – Gemeinnützigkeit & Staatsozialismus

Die hehren gemeinnützigen Ziele des Vereins, wirtschaftliche Rahmenbedingungen und alte aus der Zeit des Staatssozialismus stammende Zielsetzungen, haben eine spannungsreiche Gemengelage gebildet:

Verein Weißensee e.V.: „Wir haben jedes Jahr intensiv diskutiert, wie wir möglichst viel Kunst, Musik und Kultur möglichst kostenfrei für #Weißensee organisieren können. Dafür haben wir mit vielen Standbetreibern zusammengearbeitet, die durch die Standmieten einen wesentlichen Beitrag für die Refinanzierung der hohen Kosten geleistet haben.“

Mittelständische Unternehmer wurden für „Kultuförderung“ in Anspruch genommen. Dabei wurde außer Acht gelassen, dass mit dem Blumenfest eigentlich ein „wirtschaftsförderndes Stadtfest“ in Gang gesetzt wird, das viele gesamtwirtschaftliche Ziele verbinden kann, und so auch viele Förderzwecke und Sponsoren finden kann.

Längst hätte man sich auf Wirtschafts- und Tourismusförderung als Hauptziele ausrichten müsssen, statt eines teuren Fest-Umzugs. Und es hätte eine klare Zuständigkeit und Aufgabenteilung zwischen den Hauptakteuren Verein für Weißensee e.V. und der Interessengemeinschaft City Weissensee e.V. geben müssen.

In diesem Jahr ist nun eine fatale Lage entstanden:

Mitten in der Boom- und Wachstumsphase Berlins und in der aufkommenden Gentrifiztierungs-Phase in Weißensee, gibt es keinen leistungsfähigen Akteur für das Stadtmarketing und das Geschäftsstraßenmanagement. Es ist auch kein Konzept in Sicht, um das Knäuel von lokalen, politischen und wirtschaftlicheen Interessen mit notwendigen neuen Zielen zu bündeln.

Fehlende Strategie für den Wandel der Stadt

In Weißensee wird nicht nur das Blumenfest fehlen. Es fehlt auch eine moderne und durchdachte Stadtmarketing-Strategie, die dazu befähigt, die reichlich vorhandenen Fördermittel für Wirtschaftsförderung, Ehrenamtsförderung, Familien- und Kulturförderung und „Kampf gegen Rechts“ zu „orchestrieren“.

Allerdings müssen dazu erst Gemeinsamkeiten hergestellt werden, die schon seit 2013 politisch auseinanderdriften.

Parteien, die auf Stadtfesten rote und blaue Luftballons an Kinder verteilen, müssen wissen, was sie damit langfristig anrichten! Unklug ist es, Kindern blaue Ballons in Anwesenheit ihre Familien zu zerstechen, um sie sofort durch rote Ballons zu ersetzen.

Inzwischen gibt es nicht nur in Weißensee eine politische Polarisierung, die die wirtschaftliche Durchführung von Stadtfesten insgesamt in Frage stellt.

Auch die „Institutional-Readiness“ der tragenden Hauptakteure muss heute in den Blick genommen werden:

– ein Jugend- und Kulturförderverein der Stadtfeste organisiert, ist überfordert.
– eine Interessengemeinschaft City Weissensee e.V. ist als Händlergemeinschaft zu schwach für modernes Stadtmarketing.

Doch Hilfe ist von der Pankower Kommunalpolitik nicht zu erwarten! Im Hintergrund steht auch in Weißensee ein Pankower Grundsatzproblem: die politischen Parteien sind inzwischen selbst viel zu schwach, um neben sich starke bürgerschaftliche Institutionen in den Ortsteilen entstehen zu lassen! Politisches Kiez- und Klüngeldenken wurden kultiviert und mit Projekt- und Ehrenamtsförderungen ausgestattet.

Die Intentionen des Konzepts „soziale Stadt“ werden im Effekt konterkariert: statt Aufstiegsmöglichkeiten und Chancen entsteht ein Teufelskreis aus prekärer Arbeit, Ehrenamt bei „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ (DAWI) und vergeblichen Projektsubventionen.

Ganz Pankow wird so seit „zig Jahren“ kultur- und wirtschaftspolitisch ausgebremst – und bleibt weit unter seinen Möglichkeiten!

Nun müssen endlich wirtschaftlich stärkere Akteure einspringen, damit keine weiteren gesamtwirtschaftlichen Chancen, Lebenszeit und Biografien verspielt werden.


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Wie können Vereine den Datenschutzgau und Abmahnungen verhindern? Internetseiten sofort abschalten – oder in wenigen Schritten modernisieren? Wie kann man in wenigen Schritten rechtskonforme Internet-Seiten herstellen?
Wie müssen Verantwortlichkeiten, Haftung und Satzung im Verein neu geordnet werden?

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