Weniger Bienen, Fliegen, Schmetterlinge – der Naturschutzbund Deutschland beklagt den dramatischen Rückgang der Fluginsekten. Viele Vögel, Tiere & Pflanzen, Insekten & Spinnen sind gefährdet, weil deren Nahrungskette damit schwindet und z.T. ganz unterbricht.
Bernd Pieper schreibt in einem Beitrag für den Naturschutzbund Deutschland (NABU): „Manche Zeitgenossen mögen sich darüber freuen: Die Windschutzscheibe bleibt länger sauber, und das hektische Gefuchtel an der sommerlichen Kuchentafel auf der Terrasse könnte demnächst weniger heftig ausfallen. Für die biologische Vielfalt jedoch ist das eine schlechte Nachricht.
Nach Untersuchungen in NRW ist die Biomasse der Fluginsekten seit 1989 mancherorts um bis zu 80 Prozent zurückgegangen. Nicht nur die Zahl der Arten, sondern auch die der Individuen befindet sich in einem dramatischen Sinkflug.
Weiße Fangzelte – sogenannte Malaisefallen, benannt nach dem schwedischen Insektenkundler René Malaise, – haben Aktive des Entomologischen Vereins Krefeld zwischen 1989 und 2014 an 88 Standorten in ganz NRW aufgestellt. Die Arten der darin gesammelten Fluginsekten wurden bestimmt, und die Masse aller Tiere gewogen. Die Ergebnisse sind deprimierend: „Während wir 1995 im Durchschnitt noch 1,6 Kilogramm aus den Untersuchungsfallen sammelten, sind wir heute froh, wenn es 300 Gramm sind“, so der nordrhein-westfälische NABU-Landesvorsitzende Josef Tumbrinck. Alleine im Großraum Krefeld sind mehr als 60 Prozent der ursprünglich dort heimischen Hummelarten ausgestorben, in Düsseldorf sind es 58 Prozent der Tagfalterarten.
Experten warnen
Im Januar war Tumbrinck als Experte zu einem öffentlichen Fachgespräch des Bundestags-Umweltausschusses eingeladen. Er stellte dort die Ergebnisse aus NRW vor und gab erste Hinweise auf mögliche Ursachen. Dazu gehören die Fragmentierung und Zerstörung von Lebensräumen, möglicherweise aber auch der Einsatz von hochwirksamen Insektiziden, den sogenannten Neonicotinoiden. Auf deren negative Auswirkungen verwies auch Teja Tscharntke, Professor für Agrarökologie an der Uni Göttingen. Der Einsatz von Pestiziden müsse reduziert werden, schließlich beeinflusse der Rückgang blütenbestäubender Insekten, wie Wildbienen, Fliegen und Schmetterlinge, die Vielfalt von Wild- und Nutzpflanzen ebenso wie die Nahrungsmittelproduktion.
Thomas Schmitt, Direktor des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts Müncheberg, gab Einblicke in Details der Artenverluste. So seien Spezialisten stärker betroffen als Generalisten, große Arten mehr als kleine. Nach Auffassung von Josef Settele, Biologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle, ist der Einfluss des Klimawandels auf die Entwicklung der Artenvielfalt in Deutschland eher gering, da der eventuelle Verlust durch Zuwanderung anderer Arten ausgeglichen werden könne. Settele plädierte dafür, bei künftigen Zulassungsverfahren für Pestizide auch den Effekt von nichttödlichen Mengen auf die Insekten und die Populationsentwicklung zu berücksichtigen.
Vögel müssen hungern
Die Folgen des Insektensterbens gehen weit über die „Bestäubungskrise“ hinaus. Auch Vogelarten wie Blaukehlchen, Mehlschwalbe oder Dorngrasmücke, die ohnehin schon unter der Zerstörung ihrer Lebensräume zu leiden haben, werden bei einem weiteren Rückgang ihrer wichtigsten Nahrung Probleme bekommen, genügend Nachwuchs aufzuziehen. Keine schöne Perspektive, zumal auch in anderen Regionen Deutschlands die Bestandsentwicklung bei den Fluginsekten ähnlich aussehen dürfte wie in Nordrhein-Westfalen. So haben Wissenschaftler der Technischen Universität München und des Deutschen Entomologischen Instituts für drei Magerrasenflächen bei Regensburg alte Aufzeichnungen mit aktuellen Messergebnissen verglichen. Kamen dort in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch mehr als 110 Tagfalterarten vor, waren es 2013 nur noch 71.
Der NABU fordert angesichts der alarmierenden Daten, bundesweit möglichst schnell ein dauerhaftes und flächendeckendes Insektenmonitoring aufzubauen. Auch dürften Insektizide erst dann zugelassen werden, wenn nachgewiesen ist, dass diese Stoffe keine schädigenden Auswirkungen auf die Ökosysteme haben. „Ebenso wichtig ist es, den ökologischen Landbau weiter auszubauen und ganz besonders in Schutzgebieten und ihren Pufferbereichen zu fördern, da auf diesen Flächen keine Pestizide eingesetzt werden dürfen“, betont Josef Tumbrinck vom NABU NRW. /// Autor: Bernd Pieper, NABU ///
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