„Sagen Sie uns Ihre Meinung: Wie sollte die Arktispolitik der EU in Zukunft aussehen?“ Die neue EU-Kommission ruft Ihre Bürgerinnen und Bürger auf, den Blick auf eine international umstrittene Region zu richten, die vermutlich schon im Jahr 2040 eisfrei sein wird.
Die Arktisregion wird bisher nach einem meteorologischen Kriterium definiert, als polare Region, in der die durchschnittliche Temperatur des wärmsten Monats unter 10° Celsius liegt.
Schön heute ergrünen aber weite Teile von Grönland, Island und Nordnorwegen, Nordkanada und Nordsibirien, einschließlich Nowaja Semlja und Severnaya Semlja. Biologische Aktivität und Fischreichtum werden bei nachhaltiger Bewirtschaftung eher noch zunehmen. Für Eisbären werden zukünftig künstliche Reservate in Nordgrönland, Ellesmere Island in Kanada und in Franz-Josefs-Land geschaffen werden müssen, die zeitweise im Winter über Schnee und Eis verfügen.
Die Arktisregion wird daher künftig stärker nach internationalen und nationalen Einflußzonen, Seerecht und Wirtschaftszonen definiert werden.
Grönland nach dem „Gröxit“ 1985
Die Grönländer reagierten zunehmend ungehalten auf die Überfischung ihres Meeres und der Ausbeutung ihrer Bodenschätze durch die europäischen Nachbarn. 1982 stimmten sie über den Verbleib in der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) ab. 53 Prozent der Befragten stimmten daraufhin für den Austritt. Der „Gröxit“ fand im Februar 1985 statt. Die Fläche der EWG wurde dadurch mit einem Schlag um mehr als die Hälfte kleiner. Die Grönländer sind heute dänische Staatsbürger, aber keine EU-Bürger, das Land selbst ist der Europäischen Union assoziiert.
Mit dem Austritt des Vereinten Königreichs und dem Brexit kommt auch wieder Bewegung in die Debatte, ob Grönland künftig wieder in die EU streben soll. Vor allem britische Fangflotten und Fischereistreite waren Ursache für den Gröxit. Dänemark dann großer Gewinner einer neuen Arktispolitik der EU.
Neue EU-Arktispolitik seit 2016
Schon seit 2016 hat die Europäische Kommission eine neue Politik für die Arktisregion vorbereitet. Federica Mogherini, Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, sagte schon damals: „Eine sichere, nachhaltige und prosperierende Arktis ist für die vier Millionen Menschen, die dort leben, für unsere Europäische Union und für die restliche Welt von Nutzen. Es handelt sich um eine Region von immenser ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Bedeutung für uns alle. Die heute unternommenen Schritte unterstreichen unser Engagement für die Region, die zugehörigen Länder und die dort lebenden Völker sowie unseren Willen, dafür zu sorgen, dass die Region weiterhin ein Beispiel für konstruktive internationale Zusammenarbeit bleibt.“
Damit ist auch klar, dass man schon seit Jahren von einem dynamischen Klimawandel in der Region weiß, und sich auf neue Chancen vorbereitet.
Öffentliche EU-Konsultation bis 6. November 2020
Am 20.7.2020 haben die Europäische Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst gemeinsam eine öffentliche Konsultation über das weitere Vorgehen in der Arktispolitik der Europäischen Union eingeleitet. Die Beiträge sollen helfen, die Stärken und Mängeln der bestehenden Arktispolitik zu identifizieren, damit möglicherweise ein aktualisierter Ansatz ausgearbeitet werden kann. „Die Arktis ist ein sich rasch wandelnder Faktor in den internationalen Beziehungen. Der Klimawandel verändert die Region dramatisch und erhöht ihre geopolitische Bedeutung, wobei eine Reihe von Akteuren neue strategische und wirtschaftliche Chancen im hohen Norden sieht. Wir müssen sicherstellen, dass die Arktis ein Gebiet mit geringen Spannungen und friedlicher Zusammenarbeit bleibt, wo Probleme durch einen konstruktiven Dialog gelöst werden. Die Europäische Union muss umfassend vorbereitet sein, um die neue Dynamik im Einklang mit unseren Interessen und Werten wirksam zu steuern“, sagte der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Josep Borrell.
„Was in der Arktis geschieht, bleibt nicht in der Arktis. Es betrifft uns alle. Die EU muss mit einer klaren und kohärenten Arktispolitik eine Vorreiterrolle übernehmen, um die Herausforderungen der kommenden Jahre zu bewältigen. Die Nutzung eines breiten Spektrums an Fachwissen und Meinungen im Rahmen dieser Konsultation wird uns dabei helfen, eine wirkungsvolle Strategie für die Region auszuarbeiten“, so Virginijus Sinkevičius, Kommissar für Umwelt, Meere und Fischerei.
Ziele und Prioritäten – und der mögliche deutsche Beitrag
Die Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen sowie der Umweltschutz sind zentrale Ziele der Europäischen Union für die Region. Eine weitere Priorität der EU ist die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung in der Arktis zugunsten der dort lebenden Menschen, einschließlich der indigenen Völker. Zu diesem Zweck ist es von entscheidender Bedeutung, das Wissen über die Veränderungen in der Arktis kontinuierlich zu verbessern und nachhaltige Lösungen zu ermitteln. Wissenschaft, Innovation und eine energische Unterstützung der multilateralen Zusammenarbeit bilden hier die Grundlage des Konzepts der EU für die Arktis.
Die Europäische Union muss umfassend vorbereitet sein, um die neue Dynamik im Einklang mit unseren Interessen und Werten wirksam zu steuern“, sagte der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Josep Borrell.
Konkrete Visionen, Vorschläge und Entwicklungskonzepte liegen bisher nicht vor. Angesichts des absehbaren Anstiegs des Meeresspiegels und der kommenden Überflutungen der europäischen Küstenländer müssen auch Vorschläge zur Umsiedlung und Neugründung von Städten und Produktionsanlagen und zur Rohstoffgewinnung und Energiegewinnung umfassend mit bedacht werden. Die Verbindung von neuen Technologien zur CO2-Sequestrierung und CO2-Speicherung mit neuen Bau-Technologien ist dabei eine sinnvolle und nachhaltige Systemstrategie. Der deutsche Beitrag könnte vor allem aus Schiffsbaubranchen, Anlagenbau, Bauindustrie und Baubranchen sowie Chemie und Steine-Erden-Industrie kommen.
Politisch und wirtschaftspolitisch entstehen auch neue Anlässe und Chancen, das Verhältnis zur Russischen Föderation auf neue Grundlagen zu stellen.
Die eingeleitete öffentliche Konsultation der EU läuft bis zum 6. November 2020.
EU-Konsultation: Wie sollte die Arktispolitik der EU in Zukunft aussehen?