Samstag, 02. November 2024
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Gericht zu rbb24.de: Verbreitung presse-ähnlicher Inhalte verboten

rbb24: Urteil des Landgericht Potsdam

Der öffentlich-rechtliche Sender Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) darf presse-ähnlich gestaltete Inhalte in seinem Telemedienangebot rbb24.de nicht mehr anbieten.
So lautet die am 15. Dezember rechtskräftig gewordene Entscheidung des Landgerichts Potsdam (LG). Der RBB hatte seine hiergegen gerichtete Berufung zurückgenommen, womit das erstinstanzliche Urteil der Potsdamer Richter nun maßgeblich ist.

Streit um Presseähnlichkeit öffentlich-rechtlicher Medien
„Diese Entscheidung bestätigt unsere Auffassung, dass das Angebot des RBB, aber auch einige vergleichbare Telemedien anderer Rundfunkanstalten, in wichtigen Teilen gegen den Medienstaatsvertrag verstoßen oder immer noch verstoßen dürften“, erklärte eine Sprecherin des BDZV in Berlin.

Dem Urteil komme aktuell im Licht der laufenden Drei-Stufen-Tests und der gerade begonnenen Debatte um den neuen Rundfunkauftrag erhebliche Bedeutung zu. Die ARD und ihre angeschlossenen Anstalten seien nun aufgerufen, „ihre Telemedienkonzepte und die Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags zu überprüfen und in Zukunft keine presse-ähnlichen Angebote mehr zum Teil ihrer Online-Strategie zu machen“. Dies müsse durch wirksame Regelungen in den Telemedienkonzepten sichergestellt werden.

Streit um die Presseähnlichkeit
Der Streit um die Presseähnlichkeit zwischen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und privaten Verlagen ist schon seit 2011 im Gang. Damals stritten einige Zeitungsverlage, darunter die Axel Springer SE, in der WELT erscheint, vor Gericht über die mobile App der „Tagesschau“.
Die Position der Verlage: der Anteil von Texten, der in dieser App der ARD-Nachrichtensendung ausgespielt wird, war hoch. Dabei geht es vorwiegend um „nichtsendungsbezogene presse-ähnliche Angebote“, die wegen des hohen Anteils von Texten in Form und Inhalt an Angebote von Verlagen erinnert.

Wettbewerbsrechtlich ist der Streit grundlegend: so verhindert die mit Beitragsgeldern finanzierte Tagesschau-App, die kostenlos verfügbar ist, dass Verlage mit ähnlichen, aber kostenpflichtigen Angeboten ein Geschäftsmodell aufbauen.

Medienrecht und Medienstaatsvertrag
Nach Ansicht des Landgerichts Potsdam (LG) ist dies bei den 2016 vorgelegten Angeboten von rbb24.de der Fall: Diese entsprächen dem typischen Erscheinungsbild von Zeitungen und Zeitschriften, Textbeiträge stünden im Vordergrund. Insbesondere seien die vorgehaltenen Nachrichtentexte ohne Kenntnisnahme von weiteren Inhalten wie Audio oder Video verständlich.
Das Gericht sah mit dem ausgesprochenen Verbot für den RBB zudem keinen Eingriff in die Rundfunkfreiheit und betonte den Ausgleich mit der grundgesetzlich verankerten Pressefreiheit, die hier für die Zeitungsverlage einschlägig sei.
Mit der Rechtskraft des Potsdamer Urteils liegt nach der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs in Sachen Tagesschau-App neben dem Urteil des OLG Köln aus dem Jahr 2016 eine weitere Gerichtsentscheidung vor, die Inhalte der öffentlich-rechtlichen Telemedien für unzulässig erklärt, weil sie presse-ähnlich gestaltet sind.
Außergerichtlich hatten bereits der Bayerische Rundfunk und Radio Bremen strafbewehrte Unterlassungserklärungen mit Blick auf ihre Telemedienangebote abgegeben.

Neue Rechtslage betrifft auch kommunale Stadtinformationsportale
Medienrechtlich sorgt die Rechtsprechung des Landgerichts Potsdam mittelbar auch für mehr Klarheit für alle presse-ähnlichen öffentlichen Medienangebote von Stadtinformationsportalen der Kommunen. Deren Inhalte sind nach letzten Urteilen in Dortmund und München auf Inhalte mit kommunalen Belang beschränkt.
Bei digitalen Pressemedien treten mit Geltung der EU-Datenschutzgrundverordnung neuen Rahmenbedingungen ein: lokale Pressemedien mit Leseeinzugsgebieten unter 10 Mio. Einwohnern sind wirtschaftlich existenziell gefährdet – denn die bisherigen werbefinanzierten digitalen Erlösmodelle funktionieren nicht mehr auf lokaler und hyperlokaler Ebene. Die Formel: zu wenige Einwohner = zu wenige Leser = zu geringe Werbereichweiten.

Vom Nutzen der Pressefreiheit
Die Bundeszentrale für politische Bildung ruft den Wert der Pressefreiheit in Erinnerung: „Pressefreiheit ist daher eine systemrelevante Errungenschaft. Kommunikationsfreiheit ist nicht nur ein Menschenrecht, sie dient dem Allgemeinwohl. Das Bundesverfassungsgericht hat im „Spiegel“-Urteil 1966 festgestellt: „Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muss er umfassend informiert sein (…).
Das Mediennetzwerk Berlin sichert zudem volkswirtschaftlichen Nutzen und die wirtschaftlichen Entfaltungsfreiheiten der sozialen Marktwirtschaft, indem inklusive und selbst-tragfähige Marktzugänge und lokale Märkte aufgebaut werden.

a/m