Freitag, 19. April 2024
Home > Sliderblock > Inventur Europa 2017

Inventur Europa 2017

Inventur Europa 2017

/// Kolummne /// – Heute wird ein neuer Präsident des Europäischen Parlaments gewählt. Gleichzeitig stehen die Europäische Union und auch die europäische Währung unter Druck. Der gewählte 45. US-Präsident Donald J. Trump hat sich als Gegner der Europäischen Union geouted, und sagt einen Zerfall der EU voraus. Das Jahr 2017 wird somit ein Jahr der Unruhe, der Umbrüche und bevorstehender Konflikte.
Die britische Premierministerin Theresa May wird heute ihre Grundsatzrede zum „sauberen Brexit“ halten, während Bundeskanzlerin Angela Merkel die Europäer in Reden zum Zusammenhalt aufruft.

Europa ist unter Druck, das bisherige europäische Wirtschafts-Modell ist angesichts wachsender Disparitäten zwischen Nord- und Südeuropa offenbar nicht mehr in Gänze tragfähig.

Die Reformen nach dem Vertrag von Lissabon, die Bologna-Reformen und die Reformpolitik der Barroso-Kommission haben nicht zu mehr wirtschaftlicher Stabilität geführt, sondern zu sehr gemischten Strukturen, in denen heute ländliche Regionen abgehängt, alte Industrieregionen abgestürzt sind. Gleichzeitig explodieren in vielen Großstädten und Ballungsräumen die Immobilienmärkte, auch weil Europa im internationalen Vergleich eine rechtssichere Sphäre zur Anlage von „Fluchtgeldern“ legaler und illegaler Art ist.

Millionen Europäer sind gleichzeitig ohne Arbeit und sicheren Lebensunterhalt. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in Südeuropa auf einem skandalösen Niveau, dem mit einer noch größeren Gleichgültigkeit und Verlogenheit der politischen Eliten begegnet wird, die weiterhin „Business as usuael“ machen, und ihre Belange, Pfründe und Subventionslandschaften pflegen.

Die Finanzmarkt-Regulierung ist heute bürokratisch gescheitert: wir haben eine „Euro-Moneto-Sklerose“, in der Banken nicht mehr fähig sind, ihre volkswirtschaftlichen Aufgaben der „erneuernden Kreditfinanzierung“ auf breiter Basis wahrzunehmen.

Austeritätspolitik und Fiskalpolitik sorgen für immer größere Verluste an Humankapital und strukturellen Ressourcen, die für den Erhalt von Wohlstand und Prosperität nötig sind.

Innovation, Digitalisierung und Arbeitsplätze – die EU-Modernisierungs-Strategien reichen offensichtlich nicht aus, zumal längst auch vielversprechende Technologien und Unternehmen aus dem Ausland aufgekauft werden. Die NOKIA-Krise hat zudem gezeigt:

Wo Europäer eine heilige Kuh sehen, sehen Konkurrenten nur Steaks und Felle.

Zudem stimmt die Formel nicht mehr: „Innovation schafft Arbeitsplätze und Wachstum“.

Die Digitalisierung nach dem Muster kalifornischer Investmentstrategien mit IT-Technologien und Wertschöpfungsmustern des Silicon Valley zerstört auch Arbeitsplätze und Wachstum. Auch Müll und prekäre Arbeitsplätze werden geschaffen.

Hunderttausende Kurierfahrer und Lieferdienst-Kuriere begründen kein Wohlstandswachstum in Europa, sondern verschieben Provisionen und Ertragsspannen in Rechenzentren, die in ganz anderen Ländern Gewinne abwerfen.

In dieser kritischen Phase der Digitalisierung, die längst auch eine Phase der Roboterisisierung wird, fallen vorhersehbar immer mehr gut bezahlte Arbeitsplätze weg.

Die Aufnahme von Flüchtlingen sorgt zudem für politische Verwerfungen, weil die kurzfristigen Auswirkungen zusätzliche Unsicherheit und auch Überforderungen mit sich bringen.

Wiederbelebung des „Sozialen Europas?“

Jean-Claude Juncker möchte nun die Idee eines „Sozialen Europas“ wiederbeleben, und Menschen künftig unabhängig von ihrem Beschäftigungsstatus gegen Risiken, versichert sind. – Doch kommt die Idee möglicherweise zu spät, denn Populisten und Nationalisten betreten die politischen Bühnen, und sorgen mit Abschottungs-Konzepten für den weiteren wirtschaftlichen Abwschung, der soziale Sicherungssystem unbezahlbar machen wird.

Gleichzeitig will die Juncker-Kommission will einen digitalen Binnenmarkt schaffen, ohne dessen zerstörische Struktur auf den Faktor Arbeit zu bedenken. Schon jetzt ist absehbar: die Ideale des „Sozialen Europa“ geraten in einen schwer auflösbaren Konflikt mit den heutigen „Strategien der Innovation.“

Auch auf dem kommenden Weltwirtschaftsforum inn Davos ist die Stimmung düster: Ein Vor-Davos-Bericht warnte sogar, dass die Demokratie „tieferen Krisen“ sei. Es ist daher an der Zeit, innezuhalten, nachzudenken – und zugleich einen entscheidenden Schritte voran zu tun, den man „aktive Selbstvergewisserung“ nennen kann.

Inventur Europa

Wir brauchen eine europäische Inventur, die und Auskunft darüber gibt, wo Europa heute steht! Die Komplexität des politschen und administrativen Systems muss analysiert, neu betrachtet und vor allem neu „gelernt“ und „vermittelt“ werden.

Politische Vereinfacher und Populisten wachsen wie Pilze aus einem Misthaufen des Unwissens! – Aber auch die Verlogenheiten und ideologischen Luftschlösser und Lutbuchungen der politischen Eliten müssen dabei auf den Tisch kommen!

Man kann beispielsweise nicht gleichzeitig über die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich klagen, und gleichzeitig eine Wirtschafts- und Kreditpolitik fahren, die auschschliesslich Reichen immer mehr Kredit und Wachstumschancen einräumt.

Man kann auch nicht gleichzeitig über hohe Sozialkosten klagen, wenn man seit Jahrzehnten eine ausgrenzende Bildungspolitik macht, die zwischen 7-14% eines Schülerjahrganges ohne Bildungsabschluß beläst.

Man kann keine Entwicklungspolitik betreiben, wenn man nur Freihandel im Kopf hat, und sich nicht auf ein weltumspannendes Konzept von „fairen komparativen Wettbewerb“ einlässt.

Und man kann nicht gleichzeitig Lohn- und Tarifpolitik machen, die Löhne und Preise im Blick hält, die aber für hohe externe soziale Kosten sorgt, sodass immer weniger Netto vom Brutto übrigbleibt.

Ebensowenig kann man eine „Digitalisierung“ auf Dauer betreiben, die Wertströme vom der Realökonomie und vom Menschen abführt, um in Rechenzentren digitale Werte in Form von immateriallen EINSEN und NULLEN übereinandezustapeln!

Die politischen Eliten haben eklatante Wahrnehmungs-, Wissens- und Bildungslücken – aus denen fehlende Führungsfähigkeiten und fehlende Strategiefähigkeiten resultieren. Obendrein sorgt „Twitter-Performance“ für Sinnverlust und performative Sprechakte der Politiker, die so ihre Selbstkontrolle und Kontrollfähigkeiten verlieren – bis hin zum Zivilisationsbruch.

Es ist Zeit für eine Wende; Europa braucht zuerst auf allen Ebenen und in allen Köpfen eine INVENTUR!

Die Inventur (von lateinisch invenire = etwas finden bzw. auf etwas stoßen) ist die Erfassung aller vorhandenen Bestände, Schulden, Potentiale und wertvollen Schätze Europas. Auch die wertvollen Fähigkeiten der Europäer und ihrer Kulturen nüssen im neuen Licht betrachtet werden.

Die Inventur muss auch Lasten und Chancen erfassen, und die Suche nach neuen strategischen weltwirtschaftlichen Chancen vorbereiten! Ohne Zukunftsstrategien wird sich Europa ungeordnet in der Weltwirtschaft auflösen!

Zur Inventur Europa gehört der Blick auf die Welt, auf Partner, Freunde und auf Despoten, Autokraten und Populisten.

Es ist eine Welt, die heute um 11:30 MEZ gerade 7.478.117.655 Menschen umfasst. Eine Welt, die Tag für Tag um 229.277 Menschen wächst. Wäre die Welt ein Dorf mit 100 Einwohnern, so wären 10 Europäer darunter, 60 Asiaten, 16 Afrikaner, 8 Lateinamerikaner, 1 Ozeanier – sowie 4 Nordamerikaner und Donald J.Trump.

Ein Ergebnis der Inventur steht schon heute fest: 10 Europäer haben in der Welt mehr Chancen und Freunde, als jene 2 Nordamerikaner, die eine Zerstörung der europäischen Gemeinschaft herbeidiskutieren und herbeitwittern wollen.

Weitere Informationen:

Die Welle des Populismus und der Yachtclub Europa | 21.12.2016 | Pankower Allgemeine Zeitung