Freitag, 20. September 2024
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Italien muss der Ukraine auch Centauro-Panzerjäger liefern!

Centauro während einer Feuerübung

Von Michael Springer

Die italienische Regierung ist immer noch uneins über Waffenlieferungen an die Ukraine. Doch die neue Regierungschefin Giorgia Meloni hatte sich schon im Wahlkampf klar an die Seite von Kiew und der Nato gestellt. — Anders als ihre beiden Koalitionspartner, Lega-Chef Matteo Salvini und Ex-Premier Silvio Berlusconi: beide haben Russlands Präsidenten Wladimir Putin jahrelang als Vorbild gesehen und auch freundschaftliche Beziehungen zu Moskau gepflegt.
Doch Meloni hat sich durchgesetzt: so hat Italien der Ukraine bisher Waffen im Wert von 300 bis 500 Millionen Euro geliefert, darunter schwere Artilleriegeschütze, Stinger-Raketen und leicht gepanzerte Truppentransporter. — Mit einem im Dezember 2022 beschlossenen Dekret kann die italienische Regierung die Ukraine bis mindestens Ende 2023 mit Waffen beliefern, ohne beim Parlament bei jeder Tranche um Zustimmung werben zu müssen.

Auf den italienischen Beitrag zur nächsten Ramstein-Konferenz am 20. Januar 2023 darf man nun gespannt sein, denn Italien gehört seit 1971 zu den langjährigen Käufern von Leopard-Panzern. Ab 1974 fertigte OTO-Melara sogar zwei Baulose des Leopard A2 mit über 400 Kampfpanzern. Alle Leopard 1 der Typen A2 bis A 5 wurden bis 2003 bzw. 2008 außer Dienst gestellt — und rosten noch heute zum Teil auf zwei „Lost Places“-Panzerfriedhöfen herum. Italien verfügt auch über zahlreiche Leopard 2-Kampfpanzer.
In den Wäldern bei Lenta, in den Reisfeldern des Vercelli-Gebietes, zwischen Rovasenda, Carpignano Sesia und Gattinara, lagert in Italien das wohl weltweit größte und seit Jahren geheim gehaltene Lager an gepanzerten Fahrzeugen und Kampfpanzern (YouTube-Link).

Besondere Beziehungen: Italien – Russland

Ein Blick in die Vergangenheit offenbart besondere Beziehungen zwischen dem NATO-Land Italien und der Russischen Förderation, die auch enge militärische Kooperationen beinhaltete.

Am Beispiel des Centauro — ein 8×8-Radpanzer mit 1 × 105-mm-Kanone Otobreda — der in der ersten Version in den 1990er Jahren in Dienst gestellt wurde, offenbarten sich enge Beziehungen zwischen der italienischen und russischen Rüstungsindustrie.

Der Centauro wurde in den 1980er-Jahren vom Firmenkonsortium CIO (IVECO-Fiat-Oto Melara) für das italienische Heer entwickelt. Nach damaligen Militärplanungen sollten sechs hochmobile, ausschließlich mit Radfahrzeugen ausgestattete Heeres-Brigaden in Nordwest-, Mittel- und Süditalien unter anderem mit 400 Centauros und deutschen Transportpanzern vom Typ Puma ausgerüstet werden, und in den rückwärtigen Gebieten in Italien Raumverteidigungsaufgaben übernehmen.

In den 1990er-Jahren wurden diese Pläne größtenteils aufgegeben. Mit den bereits beschafften Centauros wurden Kavallerieregimenter (bzw. Panzeraufklärungsbataillone) ausgerüstet, die heute verschiedenen Brigaden zugeteilt sind. Die Kavallerieregimenter übernehmen in der Landesverteidigung klassische Raumsicherungs- und Aufklärungsaufgaben. Mit starker Kanonenbewaffnung und hoher Mobilität ist der Centauro auch ideal für bewaffnete Aufklärungsmissionen (reconnaissance in force – RIF) geeignet.

Die Radpanzer waren deshalb auch bei vielen Friedensmissionen im Ausland bewährt, u.a. im Kosovo bei KFOR, und gelten für solche Einsätze als sehr gut geeignet.

Centauro: 1. Regiment „Nizza Cavalleria“ - Übung „Scorpion Legacy“, Cincu, Rumänien 15.11.2019 - Foto: www.esercito.difesa.it  CC BY-SA 2.5
Centauro: 1. Regiment „Nizza Cavalleria“ – Übung „Scorpion Legacy“, Cincu, Rumänien 15.11.2019 – Foto: www.esercito.difesa.it CC BY-SA 2.5


In der verlängerten Version Centauro B-1T mit Hecktür, führen die Radpanzer sogar einen 4-Mann-Aufklärungstrupp mit. Sie eigen sich damit auch als „Panzerjäger“ für „Scout-Shoot & Scoot“– Missionen.

Das russische Militär interessierte sich auch für den Centauro, als eine ideale Ergänzung zu zahlreichen eigenen amphibischen 8 x 8 Rad-Schützenpanzern BTR-80 (und dessen Folgeversionen), die nur leicht bewaffnet sind. — Insgesamt 12 Centauro B1 und Centauro 2 wurden zwischen 2011 und 2012 von den Streitkräften Russlands für Trainingszwecke geleast.

Dabei ging es vor allem auch darum, die Technologien zu adaptieren. Der damalige erste stellvertretende Leiter der militärisch-industriellen Kommission, Juri Borissow, sagte damals, dass Russland ausländische Waffenmodelle nur einmalig kaufen werde, um die Herstellungstechnologie zu studieren und dann seine eigene Produktion aufzubauen.

Dmitri Olegowitsch Rogosin, schon damals zuständig für zentrale Rüstungsbereiche in Russland, gab zu, dass Russland sich keinen Kauf fertiger Waffensysteme leisten konnte.

Später entstanden auf italienischer Seite Bedenken, vermutlich nach Intervention von NATO-Partnern, wegen des militärischen Technologie-Transfers. — Eine angestrebte Lizenproduktion in Russland wurde deshalb abgesagt. — Immerhin: Russland kaufte damals 60 leichte gepanzerte Lynx-Mehrzweckfahrzeuge (LMVs) vom damaligen italienischen Konsortium.

Inzwischen scheint die italienische Regierung auch in der Sachen Waffenexporte geeint zu handeln, denn sowohl Salvinis Liga und Berlusconis Forza Italia unterstützen das Dekret zu den Waffenlieferungen.

Weitere Informationen:

www.armyrecognition.com – Link
www.army-technology.com – Link