Dienstag, 19. März 2024
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Karow: „Unser Dorf soll schöner erreichbar werden!“

Feld bei Karow

Kommentar Michael Springer

In Pankow vollzieht sich in Zeitlupe ein Desaster der Berliner Stadtentwicklungspolitik — mit Langzeitfolgen. Letzter aktueller Schritt: die Pankower Bezirksverordnetenversammlung hat den Bau von 3.000 neuen Wohnungen auf den auf den möglichen Baufeldern Karow-Süd, Straße 52 und Teichberg abgelehnt. Das nächste mögliche große Bauvorhaben ist damit gekippt.

Nach Michelangelostraße, Kopenhagener Straße in Wilhelmsruh, Pankower Tor und Blankenburger Süden wird nun das nächste große Wohnungsbauvorhaben gekippt oder auf lange Zeit verzögert.

Die Pankower Bezirksverordnetenversammlung hat den Neubau von 3.000 Wohnungen in Karow auf den möglichen Baufeldern Karow-Süd, Straße 52 und Teichberg gestoppt. Die Bedingung: die Rahmenplanung Karow soll nur durchgeführt werden, wenn „eine leistungsfähige Erschließung des Berliner Nordostens für den öffentlichen Personennahverkehr und den Autoverkehr (…) vor dem Beginn jedweder Baumaßnahmen umgesetzt“ wird.

Die treibenden Akteure hinter der Beschlußlage stützen sich dabei auf die aktuelle Phänomenologie der „alltäglichen Stauverkehrslage“. Doch sie haben keine nach Planungszeiten, Genehmigungsverfahren und Bauzeiten gestaffelte Strategie. Bei zügiger Verfahrensweise hätten Wohnungsbau und Verkehrsausbau durchaus Hand in Hand gehen können.

Stattdessen freuen sich nun die stillen spekulativen Akteure, denn Karow und viele Grundstücke werden aufgrund der auf Dauer anhaltenden Wohnungsknappheit hohe Wertzuwächse erzielen. Die Summe dieser Wertzuwächse bis 2030 erlaubt es, ein paar Kilometer S-Bahn, Straßenbau oder 1-2 Kilometer U-Bahn zu bauen.
Der CDU-Fraktionschef Johannes Kraft hatte die Wertzuwächse offenbar längst selbst im Blick, denn er brachte einen U-Bahn-Ausbau bis nach Buch zuerst ins Spiel.

Doch die Zeche der in ganz Pankow verzögerten Neubaupolitik müssen jene Familien zahlen, deren Kinder heute nach Abitur und Schulabschluß eine Lebensperspektive in Pankow aufbauen wollen. Wohnungen werden auf Dauer zu knapp und zu teuer sein. Neue Familiengründungen werden enorm erschwert. Und die heutigen Schul-Neubauten werden sich ab 2028 schon wieder leeren.

Die vier großen Parteien DIE LINKE, Bündnis 90/Grüne, SPD und CDU haben in Pankow, trotz gestaltungsfähiger Mehrheiten, auf ganzer Linie  und in bundesweit beispielloser Weise in der Stadtentwicklungspolitik versagt.

Das ganze Ausmaß des Versagens erschließt sich nur, wenn man die zeitlichen Dimensionen stadtplanerischer Zusammenhänge und Engpässe zusammen betrachtet. Nach zehn Jahren Verzögerungen ist die Bodenordnung rund um den S-Bahnhof Pankow-Heinersdorf noch immer nicht vorbereitet, um etwa die Straßenbahnpläne zeitnah voran zu treiben. Das städtebauliche Großvorhaben „Pankower Tor“ bremst noch immer die verkehrstechnische ÖPNV-Erschließung im Nordosten und die gesamte Stadtentwicklung aus.

DIE LINKE, Bündnis 90/Grüne, SPD und CDU in Pankow haben praktisch eine ganze Legislaturperiode„ergebnislos“ verschenkt!

Die Lasten der Corona-Pandemie und die Eröffnung des Flughafen Berlin-Brandenburg „Willy Brandt“ werden künftig auf Haushaltspläne und auf alle Stadtentwicklungspläne durchschlagen. Prioritäten der Berliner Verkehrsplanung werden sich völlig neu sortieren, und erst in der neuen Legislaturperiode ab 2021 wird mit neuen Mehrheiten weiter geplant.

Schon heute ist erkennbar: erst nach 2025 wird sich in Pankow die Lage nur neu ordnen lassen, wenn die bisher „miserable Performance“ der Pankower Stadtentwicklungspolitik überwunden wird.

Die Politik der Lokalpatrioten nach dem Motto Karow: „Unser Dorf soll schöner erreichbar werden!“ sorgt für einen längerfristigen Baustopp.

Danach wird man sich ungeliebten neuen Prioritäten stellen müssen. Diese entwickeln sich ab September 2022, wenn der Turmbahnhof Karow fertiggestellt ist. Es ist dann auf lange Zeit das letzte größere Projekt der ÖPNV-Schienen-Infrastruktur, für das es ein übergeordnetes Interesse in Berlin-Pankow gibt.

Ob ein nachfolgender Verkehrssenator ab Ende 2021 dann noch finanzpolitischen und kommunalpolitischen Spielraum hat, um ambitionierte lokale ÖPNV-Pläne in Pankow zu verfolgen ist sehr fraglich.

Wer keine Wohnungen baut, wird auch keine Investitionszuschüsse für neue Infrastruktur nutzen können!

Wer darüber besorgt ist, und wirtschaftliche Folgen befürchtet, wird nicht umhinkommen, alle „stadtentwicklungspolitischen Versager“ in Pankow am 26.9.2021 abzuwählen!

m/s