Donnerstag, 03. Oktober 2024
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Kultur zeigt sich öffentlich!

Kulturöffentlichkeit an "Kulturstelen"

/// Kolummne /// – Kultur und Kreativität sind in Wahlkampfzeiten politisch wichtig. Deshalb wird programmatisch groß ausgeholt. Möchten Sie O-Ton lesen? Von der größten aller in Pankow regierenden Parteien? Es gibt keinen O-Ton! Zu der bevorstehenden Wahl im Herbst ist die „größte Partei“ stumm. Die größte relevante Gruppe in Pankow ist politisch in Kiez-AG´s, Nachbarschaftszentren und Vereinen und kryptischen Facebook-Familien organisiert. Es sind die Bildenden Künstler. Malerei, Bildhauerei, Performing Arts und künstlerisch schaffende Designer.

Kulturöffentlichkeit an "Kulturstelen"
Kulturöffentlichkeit an frei zugänglichen „Kulturstelen“: Analog ist die prekäre Bio“

Nehmen wir also die nächstgrößte politisch organisierte Partei, die sich in Wahlkampfzeiten gern zum Stellvertreter der Interessen der Künstler stilisiert:

„Kunst und Kultur sind gerade in Pankow von zentraler Bedeutung. Zahlreiche Kulturschaffende leben und arbeiten hier, an vielen Orten im Bezirk findet kulturelles Leben und Wirken statt. Hier gibt es starke bezirkliche Kultureinrichtungen ebenso wie eine lebendige Freie Szene, hier findet sich die ganze Bandbreite künstlerischen Schaffens, in der bildenden ebenso wie in der darstellenden Kunst.“

„Kulturschaffende“ – was für ein Wort! Der Begriff „Kulturschaffender“ kam im den 1920er-Jahren in der Kulturwissenschaft auf, später im Nationalsozialismus, danach und unmittelbar nach dessen Ende auch in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR.
Eine Begriffsverwendung totalitärer Systeme, die politisch gesellschaftliche Aufgaben der „Kulturschaffenden“ (zugunsten des jeweiligen Systems) festlegte.

Der Leipziger Duden von 1951 versah das Stichwort „Kulturschaffende“ mit einer Fußnote: „sprachlich richtiger: der kulturell Schaffende“. Aber das war womöglich nur eine Reaktion darauf, dass Wilhelm Emanuel Süskind 1946 in der „Wandlung“ den „Kulturschaffenden“ dem „Wörterbuch des Unmenschen“ zugeordnet hatte. Die Fußnote erschien in den folgenden Duden-Auflagen nicht mehr.
Nach 1990 rechnete die Gesellschaft für deutsche Sprache den „Kulturschaffenden“ zu den überlebensfähigen DDR-spezifischen Wörtern. Verwendet wird er aber noch heute. Insbesondere die Sozialdemokraten des Kulturforums Nordost verwenden den Begriff noch heute. So ist heute ist auch die Frage erlaubt: Wieviel DDR steckt noch in der Pankower Kulturpolitik?

Zunächst einmal wäre da die Perspektive auf die „historischen Subjekte“: die Künstlerin und der Künstler als Personen der Kultur- und Bürgerstadt. Sie werden gar nicht auf Augenhöhe angesprochen:

„Unser Ziel ist es, Kunst und Kultur allen Schichten, Kulturen und Generationen zugänglich zu machen. Dies ist für uns eine wesentliche Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit. Kunst ist international und kann deshalb ein wichtiges Element für eine lebendige Willkommenskultur im Bezirk sein. Kultur ist aber auch Wirtschaftsfaktor und Lebensunterhalt für viele Menschen. Daher ist unser Bestreben, die Arbeitsbedingungen der Kulturschaffenden zu verbessern.“

… so steht es optmistisch im Wahlprogramm-Entwurf einer bekannten ehemaligen Volkspartei SPD.

Zeilen, die nicht sättigen, und die angesichts vieler teurer Rahmenbedingungen und verdrängender Mieten ein unkonkreter schlechter Witz sind.

Kulturgeiz kostet Künstlerleben
Wenn Kulturwerbung nicht finanziert ist – stimmt auch die Abendkasse nicht!

Ausstellungshonorare, Mindestlohnbedingungen, Raum und Förderpolitik

Was sollte in einem bezirklichen Parteiprogramm stehen? Was ist konkret zu fordern? Den Pankower Parteien fehlt bisher der Blick für die Nöte der Bildenden Künstlerinnen und Künstler. Sie brauchen Geld, und die Hilfe, um mehr Publikum zu erreichen und mehr Einnahmen erzielen zu können.

Ein paar Anregungen, die Bezirkspolitik „systemisch“ in aufräumen und wirtschaftlich effektiv helfen können:

1. Die Einzelprojekt-Förderung für freie Künstler sollte auf 7.000 € je Projekt aufgestockt werden. Einzige Bedingung: Die ausgewählten Künstler dürfen nur Helfer und Dienste aus der Kunst, Kreativ- und Kulturwirtschaft in den Sachkosten abrechnen. Eine vierwöchige Ausstellungszeit ist anzustreben – und für diese Zeit sind Ausstellunghonorare zu zahlen.
Effekt: es werden nur noch auskömmliche Projekte mit „Binnenwirtschaftlichkeit“ gefördert. Verwaltungsaufwand wird gesenkt.

2. Bei allen neuen Bebauungsplänen wird der Bauherr im Rahmen der Bauvoranfrage mit einer Checkliste Kultur- und Kulturraumschutz konfrontiert, in der Projektraum, Ausstellungsraum, Veranstaltungsraum, Ateliers und schallgeschützte Übungsräume und Musikerwohnungen angeregt werden. Wohnortnahe Kultur kann so unbürokratisch und ggf. durch Mietgestaltung gefördert werden. Diese Liste sollte VOR Festlegung von Planungswertausgleichen und Infrastrukturumlagen verhandelt werden, denn Kulturraum steigert den Wert von Immobilien und Wohnlagen.

3. Ein Kulturbezirk ohne Etat für reichweitenstarke Öffentlichkeitsarbeit verschenkt Chancen und Publikum. Pro Jahr sollte ein Etat für ein Kulturgemeinschaftsplakat eingestellt werden, das in ganz Pankow und anderen Berliner Bezirken gehängt werden kann. Etat: 34.000 €. Vor allem muss die Internationalisierung der Sprachangebote vorangetrieben werden. Englisch und weitere europäische Sprachen sollten wenigstens in Internetangeboten verfügbar gemacht werden. Hierzu sollte eine Kofinanzierung von 10% für EU-Sprachförderungen eingestellt werden. Mindestens 15.000 €.

4. Für eine Präsenz auf der BERLIN ART WEEK und dem GALLERY WEEKEND fehlt Pankower Künstlerinnen und Künstlern, sowie ihren Galerien schlichtweg Geld für die Anmeldegebühren. Zwei Gemeinschafts-Stände sollten im Jahr finanziert werden, mit zusammen ca. 16.000 €. Zusätzlich soll dies genutzt werden, um internationale Kontakte zu knüpfen.

5. Pankow sollte die Kulturverwaltung auf den Kopf stellen! Es wird ein Künstlerinnen- und Künstlerbeirat benötigt, der die Kulturverwaltung berät, wie man Kunst & Kultur im Bezirk besser zu fördern kann. Ziel ist es Synergien zu ermöglichen und Einnahmen und Drittmittel zu stärken.

6. Pankow sollte seine Kunstszene stärker fördern und an berlinweite Förderprogramme und an den Hauptstadtkulturfonds heranführen, was im Wesentlichen mit informellen Mitteln und Netzwerkarbeit des zuständigen Kulturamtes und der politischen Parteien geschehen kann. Sachkosten: 5.000 € pro Jahr.

7. Einmal im Jahr vor Haushaltsaufstellung sollte eine Schwerpunkt-BVV zu Themen der Kreativ- und Kulturwirtschaft, Kunst und Kultur eingeladen werden, auf der spezielle Anfragen und Bürgeranfragen behandelt werden.

8. Einmal im Jahr sollte ein Tag der Kreativ- und Kulturwirtschaft, Kunst & Kultur & Digitales zu Schwerpunktthemen veranstaltet werden.

Weitere Anregungen und Kommentare bitte an die Redaktion senden!

redaktion@pankower-allgemeine-zeitung.de

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