Die Kündigungsrechte des Vermieters im Spannungsfeld zwischen Pflichtverletzung und Verhältnismäßigkeit sind Gegenstand der aktuellen Rechtskolummne in der Pankower Allgemeinen Zeitung. Rechtsanwalt Kai-Uwe Agatsy geht der Frage nach: Was folgt aus dem neuen Mietrecht?“
Kündigungsrecht
Eine Kündigung von Wohnräumen durch einen Vermieter wirft diverse Fragen auf. Zum einen stellt sich die Frage, warum der Vermieter – fristlos oder fristgerecht – kündigen durfte. Zum anderen, ob dieser Schritt tatsächlich oder rechtlich zu rechtfertigen ist. Anhand des konkreten Einzelfalles ist zu klären, ob ein Kündigungsgrund vorliegt, die Kündigung formal korrekt erklärt wurde und die Entschei-dung rechtlich tragfähig ist. Durch die Regelungen der Mietrechtsnovelle, die zum 01.05.2013 in Kraft trat, wird sich nochmals einiges ändern.
Kündigungsgründe – wann darf mein Vermieter überhaupt den Mietvertrag kündigen?
Ein Vermieter kann aus verschiedensten Gründen einen Mietvertrag über Wohnräume fristlos oder fristgerecht kündigen. Eine klassische Fallgruppe ist die Kündigung wegen Zahlungsverzuges. Im Regelfall ist die Zahlung der Miete im „Voraus“ geschuldet. Verzögerungen bedeuten eine Pflichtver-letzung. Eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges ist bei zweimonatigem Zahlungsverzugs möglich (§§ 543 Abs.2 Ziff.1, 569 BGB). Die Praxis zeigt, dass Vermieter sogar kleinste Zahlungsverzögerungen als Argument für eine fristlose Kündigung ausreichen lassen. Es dürfte allerdings immer auf den Einzelfall ankommen d.h. Häufigkeit und Zeitpunkt der Zahlungsverzögerungen.
Eine Abmahnung ist jedoch unabdingbar und muss durch den Vermieter in schriftlicher Form gegenüber dem Mieter ausgesprochen werden.
Ein relevantes Verschulden wegen der Zahlungspflichten liegt vor, wenn der Mieter die geschuldete Miete mehrfach nach dem vereinbarten Zahlungstermin leistet. Die Rechtsprechung hat anerkannt, dass eine relevante Verspätung erst ab einem Monat vorliegt. Die Mietzahlungen dürfen nicht voll-ständig auf dem Konto des Vermieters eingegangen sein (BGH Urt. 14.7.2010 – VIII ZR 267/09).
Streitpunkt Job-Center
Streitpunkt sind die Fälle, in denen das Job Center die Miete entweder direkt auf das Konto des Vermieters überweist oder der Mieter den Mietbetrag weiterzuleiten hat. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass das Job Center nicht Erfüllungsgehilfe des Mieters ist. Jede Zahlungsverzögerung wird dem Mieter zugerechnet (BGH, Urteil vom 21.10.2009 – VIII ZR 64/09). Seither müssen Mieter den Nachweis führen, dass sie alles getan haben, Zahlungsverzögerungen zu vermeiden oder die Miete auf alternative Weise zu finanzieren. Leider gilt hier der Grundsatz: „Geld hat man zu haben“. Der Mietzins bleibt eine eigene Verbindlichkeit des Hilfebedürftigen.
Eine fristlose Kündigung hängt stets davon ab, ob sich der Mieter mit einem Betrag von mehr als zwei Monatsmieten in Verzug befindet. Der Mieter kann die fristlose Kündigung durch die sogenannte „Schonfristzahlung“ heilen. Der Mieter kann noch im Vorfeld des Räumungsprozesses und im Ge-richtsprozess die rückständigen Mieten ausgleichen, was dann zu dem Heilungstatbestand führt.
Fristgerechte Kündigung
Die hilfsweise fristgerechte Kündigung kann ein Vermieter wegen Zahlungsverzuges aussprechen. Nach einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofes liegt in der Nichtzahlung der vereinbarten Miete jedenfalls auch eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung des Mieters (BGH Urt. v. 10.10.2012 – VIII ZR 107/12). Bei einem derartigen Verhalten ist der Vermieter zur hilfsweise ordentlichen Kündigung berechtigt (BGH, Urt. v. 13.07.2010 – VIII ZR 129/09). Mit diesem aktuellen Urteil hat der Bundesge-richtshof klargestellt, dass auch die Zahlung innerhalb der Schonfrist die „Pflichtverletzung“ als solche – den Zahlungsverzug nicht entfallen lässt. Eine entsprechende Heilungsmöglichkeit der fristgerechten Kündigung ist nicht anerkannt.
Das Neue Mietrecht sieht eine Sicherheitsleistung vor. Die neue Vorschrift des § 283a ZPO sieht vor, dass dem Mieter bei einer Zahlungsklage auf rückständige Wohnraummiete auferlegt werden kann, eine Sicherheitsleistung zu hinterlegen (§ 283a ZPO).
Die Sicherheitsleistung kann für künftige Forderungen u.a. Nutzungsentschädigung gefordert werden. Hat die Klage eine hohe Aussicht auf Erfolg, kann der klagende Vermieter die Erbringung der Sicherheitsleistung beantragen.
Pflichtverletzungen
Die fristlose Kündigung wegen der nichtgeleisteten Kaution ist seit der Mietrechtsnovelle zulässig. Die Vorschrift des § 569 Abs.2a BGB gibt dem Vermieter das Recht, die Kündigung auszusprechen, wenn ein Betrag in Höhe der zweifachen Monatsmiete rückständig ist. Gerade leistungsschwachen Mieter sind gut daran beraten, die Kaution als Sicherheit unverzüglich beizubringen.
Eine unberechtigte Mietminderung kann unter Umständen zu einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung führen, wenn ein Mieter sein Minderungsrecht fehlerhaft ausübt. Viele Vermieter verlassen sich auf den zuverlässigen Rat eines Rechtsanwalts des Mietervereins oder sonstiger Organisationen. Dem Mieter dürfte in Zweifelsfällen zu raten sein, die Miete unter Vorbehalt zu zahlen, damit nicht das „böse Erwachen“ in Form der Kündigung droht
Verweigerung der Zahlung der erhöhten Miete trotz Verurteilung zur Zahlung der erhöhten Miete (§§ 558, 560 BGB) führt nur dann zur Kündigung, wenn ein rechtskräftiges Urteil vorliegt und die „Rückstände“ nicht innerhalb von zwei Monaten nach Rechtskraft des Urteils ausgeglichen werden.
Sonstige Pflichtverletzungen können eine Kündigung durch den Vermieter rechtfertigen sofern diese wesentlich sind. Stört ein Mieter dauerhaft den Hausfrieden z.B. durch Lärmstörungen oder Belei-digung kann der Vermieter den Mietvertrag u.U. sogar fristlos kündigen. Für Aufsehen sorgt ein aktueller Fall aus Düsseldorf. Einem Rentner wurde durch seinen Vermieter gekündigt, nachdem er in seiner Wohnung ständig und intensiv rauchte. Gegen die Räumungsklage verteidigte er sich vor Gericht.
Der Richter vor dem Amtsgericht Düsseldorf hielt die fristlose Kündigung für gerechtfertigt, da der Mieter als starker Raucher die „Gesundheit“ der anderen Hausbewohner „nachhaltig beeinträchtigt habe“. Die Medien haben über diesen Fall umfassend berichtigt. Grundsätzlich gibt es keine rechtliche Möglichkeit, Rauchen per se als Pflichtverletzung zu bewerten.
Durch das Mietrechtsmodernisierungsgesetz können Mieter die Räumung auch mittels einstweiliger Verfügung gemäß § 940a ZPO durchsetzen. Dies ist der Fall, wenn sich ein Dritter im „Besitz“ der Wohnung befindet. Ferner kann die Räumung auch gegen den Hauptmieter durchgesetzt werden, wenn dieser der gerichtlich angeordneten Sicherheitsleistung gemäß § 283a ZPO nicht nachkommt.
Möglichkeiten der Kündigungsabwehr – Muss ich meine Wohnung sofort räumen?
Eine Räumung muss nicht sofort erfolgen. Dem Mieter steht die Möglichkeit zu, bereits im Räumungs-prozess einen Antrag auf Gewährung einer angemessenen Räumungsfrist zu stellen (§ 721 ZPO). Darüber hinaus besteht ein Anspruch auf Gewährung von Räumungsschutz (§ 765a ZPO). Dies hat zur Folge, dass ein Räumungstitel nicht sofort vollstreckt werden kann. Der Mieter kann „Zeit“ gewinnen, um die Obdachlosigkeit abzuwenden. Die Entscheidung ist von bestimmten Härtefaktoren wie z.B. Krankheit, fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit und Ablehnung durch andere Vermieter. Die Praxis zeigt jedoch, dass gerade bei den Instanzgerichten in Berlin ein besonders schwerer Grund hinreichend dargelegt werden muss.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass es für eine Kündigung stets auf die Schwere der Pflichtverletzung ankommt. Entscheidend ist, wie der Mieter die Pflichten aus dem Mietvertrag verletzt hat. Durch das Mietrechtsmodernisierungsgesetz ist nun möglich, wegen der nichtgeleisteten Kaution zu kündigen. Gerichte können eine Sicherheitsleistung anordnen.
Der Autor ist Rechtsanwalt in Berlin mit Tätigkeitsschwerpunkten im Mietrecht, Zivilrecht, Unternehmensrecht, IT-Recht
Kanzlei im Bötzowviertel
Rechtsanwalt Kai-Uwe Agatsy
Bernhard-Lichtenberg-Straße 14
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