Mittwoch, 04. Dezember 2024
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Mieterprotest in der Waldstraße

Waldstraße 22 am 9.11.2014

Zum 9. November 2014 hatte das Bündnis Pankower Mieterprotest eine „EINLADUNG ZUR BAUSTELLENBESICHTIGUNG“ zu einem Bauvorhaben in Niederschönhausen ausgesprochen. Das Modernisierungsvorhaben in der Waldstraße 22 sollte besichtigt werden. Die Geschäftsführung der GESOBAU AG untersagte die Aktion, kam jedoch zum Gespräch vor Ort.

Waldstraße 22 am 9.11.2014
Waldstraße 22 am 9.11.2014 – Baustellengespräch statt Begehung

Das Bündnis Pankower Mieterprotest ist seit Monaten in Pankow aktiv und setzt sich als Initiative von sanierungsbetroffenen Mietern insbesondere mit der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft GESOBAU auseinander.

Bauvorhaben Waldstraße in der Kritik

Das Haus in der Waldstraße 22 ist nach Ansicht des „Bündnis Pankower Mieterprotest“ ein Ausdruck und Beispiel für die aktuellen Modernisierungspraktiken der GESOBAU. In dem Haus wird seit Mai 2014 gebaut. Die Arbeiten verzögern sich – auch weil die wenigen, verbleibenden Mieter mit der GESOBAU bisher keinerlei Einigung erzielen konnten. Entweder befinden sie sich im Rechtsstreit oder es wurde ohne jegliche Grundlage begonnnen zu bauen. Eine Wohnung ist gar nicht mehr vorhanden – offensichtlich gegen den Willen des Mieters, so die Vertreter der Initiative.

Bruch des Rahmenvertrages zum Sozialplanverfahren?

Die Vertreter des „Bündnis Pankower Mieterprotest“ erheben noch einen weiteren Vorwurf: „Die GESOBAU verweigert den Bewohnern das Sozialplanverfahren, obwohl es laut des zwischen Bezirk, Mieterberatung und GESOBAU abgeschlossenen Rahmenvertrages zwingend vorgeschrieben ist. Dieser Bruch des Rahmenvertrages wurde dem Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner (Bü90/Die Grünen) als Vertragsunterzeichner auf Seiten des Bezirksamtes mehrfach angezeigt, was bisher nicht zur Einhaltung des Vertrages führte.“

Baupfusch und Mängel

Eine schleppende Bauausführung, Baupfusch, der auf mangelhafte Planung und Ausführung zurückzuführen ist, sollte während der geplanten Baustellenbesichtigung an mehreren Stellen im Haus aufgezeigt werden. Die Untersagung der Begehung und die Wahrnehmung des Hausrechtes sorgten dafür, dass die beanstandeten Mängel nicht besichtigt werden konnten.

Aus der Baupraxis der Sanierungen der GESOBAU AG ist jedoch allgemein erkennbar, dass bei der energetischen Sanierung und Modernisierung eine „eher inkrementelle Bauabwicklung“ vorherrscht, die durch osteuropäische Lohnarbeiter durchgeführt wird. Eine von deutschen Fachfirmen bevorzugte systematische Bauabwicklung mit klarer Arbeitsteilung, festen Taktzeiten und Bauzeitplänen scheint bisher die Ausnahme zu sein.

Zweistündiges Gespräch am Sonntag

Im Vorfeld hatte ein Mieter aus der Waldstraße zu der geplanten Besichtigung eingeladen, um den anderen Aktiven im Bündnis Pankower Mieterprotest einen Einblick in die derzeitige Situation zu verschaffen. Das bereits für September 2014 angekündigte Ende der Bauarbeiten liegt auch heute noch in weiter Ferne – die Baustelle ähnelt in weiten Teilen einem Rohbau.

Am Sonntagvormittag kamen Lars Holborn, Prokurist der GESOBAU, GESOBAU-Technikchef Unger und weitere von der GESOBAU beauftragte Personen zum Baustellentermin. Security-Personal vor und im Haus sorgte für die Einhaltung des Verbots der Baustellenbetretung.

Vor dem Haus entfaltete sich ein zweistündiges Gespräch zwischen Mieterinnen und Mietern aus unterschiedlichen Objekten und den GESOBAU-Vertretern. Viele Einzelaspekte und Themen wurden dabei kontrovers angesprochen und diskutiert.

Überraschend: beim Thema Fassadendämmung gab es einige Übereinstimmungen, da beide Seiten diese bei Altbauten für unsinnig halten. GESOBAU-Prokurist Lars Holborn verwies aber darauf, dass der GESOBAU aufgrund der Gesetzeslage (ENEV) die Hände gebunden seien.

Hintergrund des Mieterprotestes in Pankow

Die Mieter im Bündnis Pankower Mieterprotest wenden sich gegen die Praxis der kommunalen GESOBAU AG, die Miethöhen nach einer Modernisierung in Pankow auf bis zu 9 EUR/m² kalt zu erhöhen.

Zwar sind Arbeitslose und Geringverdiener durch das Sozialplanverfahren nach dem abgeschlossenen Rahmenvertrag mit dem Bezirksamt Pankow geschützt, die eine Mietkappung auf 30% des Nettoeinkommens beanspruchen können.

Doch bedeutet eine höhere Miete für die anderen sogenannten „Besserverdiener“ unter den Mietern eine erhebliche Einschränkung des frei verfügbaren Einkommens, das auch zu erheblichen Einschnitten im bisherigen Lebensstandard führt, und schrittweise zur Auflösung der bisherigen Mieterstruktur führt.

Verursacht werden die starken Kostensteigerungen durch die nach ENEV- und KfW-Vorschriften kreditfinanzierte „energetische Sanierung“, die insbesondere bei der Fassadendämmung unwirtschaftlich hohe Kosten verursacht.

Nur etwa 18% der Wärmeverluste eines Berliner Gründerzeithauses gehen i.d.R. über die Fassaden verloren, der Anteil der Fassadenwärmedämmung an den Bau- und Sanierungskosten ist jedoch sehr viel höher als nur 18%.

Während Dach- und Kellerdämmung wegen der höheren Wärmeverluste dieser Bauteile in der Regel wirtschaftlich zu dämmen sind, ist vor allem um die Fassadendämmung heftiger Streit entbrannt, der auch von Gutachtern ausgetragen wird.

Soziale Mieten – oder gerade noch „bezahlbare Mieten“?

Auffällig ist das Verhalten der Politik: bislang wurden im Mietenbündnis zwischen Senat und seinen kommunalen Gesellschaften
soziale Mieten entsprechend dem ortsüblichen Mietspiegel als Ziel vereinbart.

Doch insbesondere die GESOBAU hält sich nicht an die Leitlinie, die bisherigen Durchschnittsmieten bei der GESOBAU 5,13 EUR/m² werden nach den Sanierungsankündigungen weit überschritten und liegen über 8-9 EUR/m² – wobei in drei Jahren weitere Erhöhungen möglich werden.

Waldstraße 22 am 9.11.2014
Waldstraße 22 am 9.11.2014 – Lars Holborn im Gespräch mit Mietern

Energieeinsparung fraglich

Die baulichen Maßnahmen der energetischen Sanierung mit 16 cm Fassadendämmung im massiven Altbau, elektrischen Lüftungsanlagen, Ersatz mit Kunststofffenstern (trotz vorhandener intakter Holzkastenfenster) und Anschluss an Fernwärme erhöhen vor allem die umlagefähigen Kosten in der Miete.

Auch der Einbau von E-Herden, anstelle vorhandener Gasherde, stößt immer wieder auf Kritik. Die Fassadendurchdringung einer Gasheizung ist eine Schwachstelle in der Wärmedämmung, die unbedingt vermieden werden soll. Ferner sorgen neue luftdichte Energiesparfenster für ein grundlegendes Sicherheits-Problem beim Luftaustausch für Gasbrenner.

Die „energetische Sanierung“ erbringt daher bei den meisten Wohnungen nur eine Erhöhung der Wohnkosten. Die Energieeinsparung fällt dagegen zahlenmässig vernachlässigbar aus. Überdies: die Umstellung auf Fernwärme sorgt für andere „thermische Verhältnisse“. Das gedämmte Haus hat nach Sanierung praktisch auf 100% des Gebäudegrundriß dauerhafte Komforttemperaturen.
Die an schnell reagierende Gasheizungen gewöhnten Mieter müssen sich umstellen, und verbrauchen letztlich sogar mehr Energie, als mit den nur kurzzeitig laufenden Gasheizungen.

Die energetische Sanierung weitet praktisch die Komfortzone aus – und so ist es nicht erstaunlich, wenn bei der Gebäudeenergie sogar mehr Energie verbraucht wird.

Mieterprotest zeigt Wirkung

Der Pankower Mieterprotest hat inzwischen viele Fragen bei der energetischen Sanierung aufgeworfen. Das Eingeständnis, dass die Fassadendämmung wirtschaftlich nicht sonderlich sinnvoll ist, scheint inzwischen bei der Geschäftsführung der GESOBAU AG angekommen zu sein.

Immerhin: bei einem anderen landeseigenen Wohnungsbauunternehmen wurde schon auf eine Fassadendämmung verzichtet.

Die grundlegenden wohnungspolitischen Fragen sind aber ungelöst: so zwingt die hohe Verschuldung der GESOBAU AG zu einer besonderen gewinnorientierten „Baupolitik“.
Und die gesetzliche Bindung der KfW-Kredite an die vollständige Umsetzung der ENEV-Vorschriften zwingt zu einem kostentreibenden Maßnahmeumfang und einer exorbitanten Mietpreisentwicklung.

Der Gesetzgeber ist nun gefordert, und muß prüfen, ob eine wohnungswirtschaftlich und sozial verträglichere „modernisierende Instandsetzung“, mit schrittweisen Energiesparmaßnahmen nicht letztlich vernünftiger ist, und mehr Energie spart.

Im Ergebnis zählen eine hohe Sanierungsquote und schnelle Bauzeiten. Eine energetische Sanierung, die vor Gericht und Mieterbeiräten erst sozialverträglich und passfähig gemacht werden muß, ist in jeder Hinsicht ineffektiv:

– Klimaschutz-Ziele werden insgesamt nicht erreicht!
– Wohn- und Rechtsanwaltskosten treiben Mieter in relative Armut!
– bauwirtschaftlich und wohnungswirtschaftlich entwickelt sich ein enormes Risiko für Vermieter.

Weitere Informationen:

www.pankower-mieterprotest.de