Das Bezirksamt Pankow hate ein neues Fachinformationsangebot zu Multiresistenten Erregern auf der Internetseite veröffentlicht. Hier ist Wissenswertes über die für das menschliche Auge unsichtbare Gefahr zu finden, die infolge des altbewährten Antibiotika-Einsatzes immer handgreiflicher wird.
Was sind „Multiresistente Erreger“?
Als Multiresistenz wird in der Medizin eine Form der Antibiotikum- oder Virostatikum-Resistenz bezeichnet, bei der Bakterien oder Viren gegen mehrere verschiedene, oder fast alle Antibiotika bzw. Virostatika unempfindlich sind.
Multiresistenz gegen Antibiotika ist ein immer größer werdendes Problem, für das es völlig verschiedene Ursachen gibt:
– häufiger Einsatz und falscher Einsatz von Antibiotika
– Antibiotika in der Lebensmittelindustrie im Tierfutter:
– Einsatz von Breitband-Antibiotika, obwohl spezifische Antibiotika ausreichen
– Unzuverlässige Medikamenteneinnahme durch die Patienten
– lebenslange Therapie mit Virostatika (z.B. bei HIV).
Die Antibiotika wirken dabei im Körper unzureichend, und töten nicht alle Erreger ab. Die überlebenden Erreger entwickeln Resistenzen. Zudem gelangen diese Erreger über Ausscheidung, Atemluft, Wasser, Abwasser in die Umwelt.
Verbreitete Gefahr für Gesunde, für Kranke und alte Menschen
Durch den Anstieg resistenter und multiresistenter Erreger und Keime (MRE) wird vor allem die Behandlung von bakteriellen Infektionskrankheiten zunehmend erschwert. Eine verzögerte oder nicht eintretende Heilung der Infektion, längere Behandlungen und zusätzliche Belastungen sind die Folgen.
Resistente Erreger können ungefährlich für einen gesunden Menschen sein, sie stellen jedoch ein zunehmendes Problem für geschwächte und erkrankte Menschen dar, wenn die nötigen Antibiotika nicht mehr wirksam sind. Leider ist die Entstehung von Antibiotika-Resistenzen sehr komplex und wird von vielen Faktoren in unterschiedlichen Wirkungsketten beeinflusst.
In Deutschland hat sich seit ein paar Jahren die mikrobiologische MRSA-Rate auf mittlerem Niveau von ca. 20 % eingependelt. Jährlich infizieren sich zirka 14.000 Menschen mit MRSA. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich im Mittelfeld. Nach Einschätzungen des European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) gibt es jährlich zirka 170.000 MRSA-Infektionen, zirka 5000 Todesfälle durch MRSA und zirka 1 Mio. zusätzliche Krankenhaustage in Europa.
Inzwischen ist ein dringender Handlungsbedarf auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene erkannt worden, welcher auch von der Europäischen Kommission gefordert wird. Die Übertragungen dieser resistenten Erreger sind nicht auf Krankenhäuser beschränkt, eine gezielte Herangehensweise ist daher erforderlich, die alle relevanten Teilbereiche berücksichtigt, in denen die Übertragung möglich ist.
EU-Strategie gegen „Multiresistente Erreger“
Das Thema „Multiresistente Erreger“ ist seit einigen Jahren Gegenstand von Untersuchungen und Forschungen. Dabei sind große Unterschiede zwischen den Ländern aufgefallen: in einigen südeuropäischen Ländern sind sogar Infektionsraten von 25–50 % erreicht worden. Dagegen hält sich der Anteil in den Niederlanden und Skandinavien seit Jahren stabil auf unter 3 %. Europaweit steht das Thema ganz oben auf der Agenda der Gesundheitsexperten. Bereits am 18. November 2008 wurde auf Initiative der Europäischen Infektionsschutzbehörde (ECDC, Stockholm) zum ersten Mal der »Europäische Antibiotikatag« begangen, der seitdem jährlich stattfindet – und auf die Bedeutung des Erhalts der Antibiotikawirksamkeit durch Prävention von Resistenzen hinweist. In Deutschland hat die Gesundheitsministerkonferenz 2006 die Bildung regionaler Netzwerke empfohlen.
Seit dem 1. Juli 2009 gibt es in Deutschland eine Meldepflicht für den Nachweis von MRSA aus Blut und Liquor (klare Körperflüssigkeiten).
Im Rahmen von Modellversuchen hat man eine Modellregion zwischen den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen eingerichtet, die inzwischen eine Gesamtstrategie erarbeitet und methodisch abgesichert hat. In dem EUREGIO-Projekt wurde u.a. eine Datenbank MRSA-net mit Fragen und Antworten eingerichtet.
Erfahrungen aus den Niederlanden zeigen es deutlich: durch ein konsequentes und koordiniertes Vorgehen kann MRSA auf einen geringen Restanteil zurückgedrängt werden. Schon seit Anfang der 80er- Jahre wird hier nach dem Prinzip „search and destroy“ vor der Krankenhausaufnahme nach MRSA gesucht und der Patient ggf. konsequent saniert, bevor eine Behandlung beginnt.
Regionale Netzwerke in Deutschland
Seit 1999 liegen in Deutschland Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle von MRSA von der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) des Robert Koch-Instituts vor. Diese wurden jedoch nicht konsequent umgesetzt. Inzwischen ist es akzeptiert: ein nachhaltig erfolgreiches MRSA-Management erfordert regional abgestimmtes Handeln innerhalb etablierter Zuweiserstrukturen, d.h. von Krankenhaus, Rehabilitation, Heim, Praxis und anderen betroffenen Einrichtungen.
Dieser Ansatz der regionalen Netzwerkbildung hat Eingang in nationale Strategien zur Eindämmung der Weiterverbreitung von MRSA gefunden.
Das neue Informationsangebot des Bezirksamtes Pankow ist nun ein wichtiger Schritt, diese regionale Netzwerkbildung auch in Pankow voranzutreiben. Bürgerinnen und Bürger sowie Fachpersonal und Fachpublikum können sich nun zur Unterstützung ihrer Arbeit im hygienischen Bereich fachlich informieren – und sich im bezirksübergreifenden MRE/MRSA-Netzwerk leichter zurechtfinden.
Weitere Informationen:
Gesundheitsamt Pankow: Informationsangebot über Multiresistente Erreger (MRE)
EurSafety Health Net – Modellprojekt für Patientensicherheit und Infektionsschutz
Kostenfreie MRSA-App vom Gesundheitsamt RheinKreisNeuss (Gewinner Gesundheitspreis NRW 2012).
Wikipedia: Multiresistenz
Fachartikel: Problemkeime – Vernetzter Kampf gegen MRSA – von Alexander W. Friedrich