/// Glosse /// – Der Senat von Berlin hat im Frühjahr eine Smart City Strategie Berlin beschlossen. Eines der Referenzprojekte soll das „Elektronische Genehmigungsverfahren zur Sondernutzung von Straßenland – eGeStra“ werden, das auf Grundlage der §§ 11 und 12 des Berliner Straßengesetztes (BerlStrG) in allen Straßenverkehrs- und Straßenbaubehörden etabliert werden soll. Ziel der Smart City Berlin ist es u.a., die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger nachhaltig zu verbessern.
In diese Gemengelage hinein platzt der Pankower Stadtrat für Verbraucherschutz, Kultur, Umwelt und Bürgerservice, Dr. Torsten Kühne (CDU), dem auch das Ordnungsamt untersteht. In Prenzlauer Berg wurden im Mai völlig überraschend für Gastwirte und Straßen-Café-Betreiber Bestimmungen für die Sondernutzung von Gehwegen verschärft. 13 beliebte Schankvorgärten sind betroffen. Hier sollen nach den Vorstellungen des Pankower Ordnungsamtes Pflanzkübel verkleinert und Pflanzen radikal gestutzt werden.
Ein Bußgeldbescheid von 10 € mit Verwaltungskosten von 200 Euro wurde auch schon ausgestellt.
Die Frage stellt sich, warum dies mitten in der Blütezeit geschieht? Eine mittelstandsfreundliche Partei wie die CDU hätte doch schon am Jahresanfang zu unternehmerischer Vorsorge aufrufen können! Auch liegen die Anträge und Bescheide auf Sondernutzung von Straßenland lange und meist mehrjährig vor.
Stadtrat Kühne ist in seiner Zuständigkeit für Naturschutzdelikte auch kompetent genug, um zu wissen, wie sensibel Pflanzen auf brutalen Rückschnitt mitten in der Blühsaison reagieren.
Automatisch kommen Fragen auf: „Was treibt den CDU-Stadtrat an?“ – „Was treibt ihn um?“ Ersten Aufschlu0 wird heute seine Bürgersprechstunde geben, einer der betroffenen Gastwirte hat sich angemeldet.
Immerhin wurde bekannt: Stadtrat Kühne wünscht sich „Sichtbarkeit“ als Prüfkriterium – doch im bisherigen Straßengesetz geht es nur zweidimensional zu: Länge mal Breite, freizuhaltende Gehwegbreite mindestens 1,50 Meter – wobei das Stühlerücken nicht zum Hindernis für Fußgänger werden darf. Von „Höhe“ von Sondernutzungen, Pflanzen und Pflanzkübeln steht nichts im Straßengesetz.
Über Motive darf spekuliert werden: vielleicht will Pankows Ordnungsstadtrat im Vorgarten sitzenden Gästen die freie Sich auf die Parkschein-Automaten sichern? Sollen die beim Bier und Chai-Latte sitzenden Gäste die tickende Uhr und die Nachzahlung im Blick behalten? – Nur so ist erklärbar, warum Pflanzkübel künftig nur noch 60 cm Durchmesser haben sollen, und die Gesamthöhe von Kübel plus Pflanze 1 Meter nicht übersteigen darf.
Womöglich wird Stadtrat Kühne von ganz anderen als „zweidimensionalen“ Zahlen getrieben, denn in seinem Zuständigkeitsbereich gibt es große Geldsorgen: Das zunehmende Wohlverhalten der Straßenverkehrsteilnehmer in den Parkraumbewirtschaftszonen führt zu einem Rückgang der Bußgeldeinnahmen. Die Vermutung liegt nahe: wir haben es hier mit einer Sonderform „schwarz-grüner“ Politik zu tun:
Das Wachstum von Grün soll durch Ordnungspolitik begrenzt werden, dem Grün und den Grünen soll gezeigt werden, wer den Hut auf hat. Zugleich sollen damit „schwarze Zahlen“ erzeugt werden – die Kasse des Ordnungsamtes soll von anderen Nutzern des öffentlichen Straßenlandes aufgefüllt werden, weil die Zahl der Falschparker nicht mehr ausreicht.
Stadtrat Kühne strebt nun womöglich ein „mehrdimensionale Sondernutzung“ von Straßenland an, die je nach Höhe und Kassenlage „flexibilisiert“ werden kann.
In der Smart City Strategie steht schließlich auch drin: „Die langfristige Perspektive der Stadt Berlin erfordert darüber hinausgehend Visionen, um die einzelnen Handlungsfelder weiterentwickeln zu können.“
In der „Smart Green City“ Prenzlauer Berg darf man nun gespannt sein, welche Visionen dies sind, und wer alles zum Arzt und zum Anwalt gehen muss!