Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat in der letzten Woche eine Teilprivatisierung des Autobahnnetzes in die Diskussion gebracht. Demnach sollen Bund und Länder den Bau und Betrieb von Bundesstraßen und Autobahnen an eine teilprivatisierte Verkehrsinfrastrukturgesellschaft auslagern, die bis zu zu 49,9 Prozent private Investoren gehört.
Doch die Pläne für die rund 12.949 km Bundesautobahnen und rund 38.917 km Bundesstraßen sind umstritten. Bisher sind Straßen und Autobahnen bisher unveräußerlicher Besitz des Bundes.Nur nur durch eine Grundgesetzänderung könnte dies verändert werden. Dazu müsste Artikel 90 des Grundgesetzes so geändert werden, dass künftig der Bund allein Autobahnen und Bundesstraßen verwaltet – statt wie bisher gemeinsam mit den Ländern.
Fiskalpolitik und Rettung der Banken und Versicherungen
Schäubles Ideen sind fiskalpolitisch motiviert: die ausgebaute Infrastruktur in Deutschland kommt in die Jahre, viele Brücken, Autobahnen und Bundestraßen sind sanierungsbedürftig. Bundesweit sind rund 12.000 Brücken von insgesamt 39.500 Brücken im Netz der Bundesfernstraßenvom von akuten Zerfall bedroht.
Wie bedrohlich die Lage ist, wurde sogar jahrelang verschleiert. Das Bundesverkehrsministerium hat die Daten des erst nach Klagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz veröffentlicht.
Die hohen erwarteten Sanierungskosten und der aufgelaufene Sanierungsstau sorgen natürlich für kreative finanzpolitische Überlegungen, denn die öffentlichen Haushalte bei Bund und Ländern sind finanziell unter Druck.
Mit der Beteiligung privater Investoren könnten Finanzengpässe überwunden werden. Gleichzeitig könnte die unter der Niedrigzinspolitik notleidende Banken- und Versicherungsbranche ein neues politisch gesteuertes Aufgabenfeld bekommen. Finanzinstitute wie Allianz, Axa und andere suchen händeringend alternative, langfristige Anlageformen. Sie versprechen im Gegenzug Milliardeninvestitionen in das Autobahnnetz und erwarten dafür stabile Renditen.
ÖPP-Projekte als Finanzierungsmodelle
Die Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Privatwirtschaft in sogenannten Öffentlich-Privaten Partnerschaften wurde schon in mehreren Modellen gestestet. Die damit verbundene Hoffnung: bei geeigneten Projekten sind Synergien bei Bau-, Betrieb und Unterhaltung möglich. Finanzielle Aufwendungen können verstetigt werden. In der Bau-Ausführung wird auch eine schnellere Projektabwicklung und eine überdurchschnittliche Qualität erzielt.
Die Kosten sollen am Ende die Nutzer der Infrastruktur tragen. Infrastrukturgesellschaft soll sich aus Einnahmen der Lkw-Maut finanzieren. Künftig könnte auch die lange tot geglaubte Pkw-Maut eine wichtige Rolle bei der Finanzierung spielen.
Doch schon heute ist klar: alle seit 2005 in Auftrag gegebenen ÖPP-Projekte verteuern die Kosten, denn zusätzlich zu Baukosten und Betrieb müssen auch Betriebserlöse und Zinsgewinne kalkuliert werden. Ob die verschiedenenen ÖPP-Modelle auf Dauer einen tragfähigen Weg darstellen, ist hoch umstritten.
Angesichts des hohen Anteils von europäischen Transitverkehren auf deutschen Fernstraßen und Autobahnen ist allerdings das Ziel sinnvoll, Fernstraßen „stärker nutzerorientiert zu finanzieren.“
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat jedenfalls schon Widerstand angekündigt und will Straßen und Autobahnen „in unveräußerlichem Besitz des Bundes“ belassen.
Seitens der Linkspartei hat sich Fraktionsvize Jah Korte in der letzten Woche festgelegt; er kritisierte den „Privatisierungswahn“. „Hier sollen Milliardengeschenke für Banken und Versicherungskonzerne organisiert werden.“
Auch die Grünen wollen Autobahnen und Straßen nicht zu profitorientierten Anlageobjekten für Banken und Versicherungen machen. Oliver Krischer, Vize der Bundestagsfraktion, verwies darauf, dass Steuerzahler Straßen und Autobahnen schon selbst bezahlt haben.
Elektrifizierung der Autobahnen – macht die Verkehrswende alles neu?
Ob Finanzpolitiker, Banken und Versicherungen heute die richtigen Konzepte für eine zukünftige Verkehrspolitik haben, darf bezweifelt werden. Ein Blick nach Kalifornien zeigt, in der nächste Innovationsschritt wird emissionsfreie und emissionsarme Frachttransportsysteme hervorbringen.
So testet Siemens in Zusammenarbeit mit der südkalifornischen Umweltbehörde für Luftreinhaltungspolitik (SCAQMD) eine drei Kilometer lange Autobahnstrecke in der nahe Los Angeles gelegenen Stadt Carson, die mit elektrischen Oberleitungen ausgestattet wurde.
Gemeinsam mit dem Fahrzeughersteller Volvo Group und dessen Marke Mack und lokalen Lkw-Umrüstern entwickelt Siemens bis zu vier Vorführfahrzeuge. Die Lastwagen setzen dabei auf eine Hybrid-Technologie: Auf den mit Oberleitungen ausgestatteten Streckenabschnitten werden die Lkw rein elektrisch angetrieben, auf herkömmlichen Autobahnen übernimmt ein Diesel- oder Erdgasmotor.
„Unsere eHighway-Technologie eliminiert lokale Emissionen und ist eine wirtschaftlich attraktive Lösung für den Gütertransport auf Lkw-Pendlerstrecken“, sagte Matthias Schlelein, Leiter der Siemens Division Mobility and Logistics in den USA.
Die Verkehrswende wird die bisherige Verkehrspolitik neu auf den Prüfstand stellen, denn mit der Elektrifizierung fallen auch die Einnahmen aus der Kraftfahrzeugsteuer.
Finanzierung, Bau und Betrieb von Autobahnen, Bundesstraßen und smarten Verkehrsystemen müssen künftig durch völlig neue „Geschäftsmodelle“ gesichert werden.
Der nächste Innovationsschritt bei Geschäftsmodellen zur „smarten Verkehrsinfrastruktur 2030“ sollte daher von Logistikexperten und von den Fahrzeugherstellern und Systemanbietern kommen!