In der Beitragsreihe „Abwegig falsche Denkmuster“ geht es im aktuellen Beitrag um Sprachmuster der Populisten. In diesem Beitrag wird auf Erkenntnisse und Publikationen des „Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung“ (DISS) verwiesen, das sich schon seit langer Zeit mit Analyse von Sprache befasst.
Wie weit geht der Rechtsruck?
Aktuell wird in der neuen Ausgabe der Institutszeitschrift DISS-Journal nachgefragt: „Wie weit geht der Rechtsruck?“. Darin werden die Wahlerfolge der AfD und das Vokabular von Björn Höcke untersucht, welches auffällige Parallelen zum NS-Sprachgebrauch aufweist. Thematisiert wird auch, wie das Phänomen Pegida im „medio-politischen Diskurs“ verhandelt wurde – und welche Effekte die verwendeten Deutungsmuster mit sich bringen.
Nachfolgend sind einige typische Begriffsbildungen von Björn Höcke, AfD-Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag kommentiert, die dem Beitrag „Zur NS-Rhetorik des AfD-Politikers Björn Höcke“ von Andreas Kemper entnommen sind.
Höcke und das Wort „Tat-Elite“
Mehrfach benutzte Björn Höcke die Bezeichnung „Tat-Elite“. Diese Selbstkennzeichnung „seiner“ Bewegung fiel in der berüchtigten Rede am Institut für Staatspolitik auf, als er die rassenbiologischen Thesen vom „afrikanischen Ausbreitungstypen“ darlegte. Höckes „Tat-Elite“ soll nach dessen Rede die „Pseudo-Eliten“ um Angela Merkel ersetzen. Die Bezeichnung „Tat-Elite“ war aber auch die Selbstbezeichnung der SS, vor allem im Bereich des Sports (Bahro 2013). Höcke kann als Geschichts- und Sportlehrer diesen Begriff kaum zufällig gewählt haben.
„Wendezeit um Sein oder Nichtsein“
In einer Grußbotschaft an die Vorsitzende Marie Le Pen vom Front National beschwor Björn Höcke den Zusammenhalt der nationalen Kräfte in der „historische[n] Wendezeit um Sein oder Nicht-Sein“. Diese Formulierung „Sein oder Nichtsein“ benutzte Hitler mehrfach, bspw. 1934 in einer Nürnberger Rede, in der er die Gebärfähigkeit deutscher Frauen beschwor. Diese Phrase wurde zudem zentral von Joseph Goebbels zur Begründung des „Totalen Krieges“ verwendet (Goebbels 1944).
„Anlagen des Volkes (Entelechie) erwecken“
Die „Anlagen des Volkes zu erwecken“, war die erzieherische Leitlinie des NS-Pädagogen Ernst Krieck. Auch bei dieser Formel hat der Geschichtslehrer Björn Höcke einen Rückgriff getan. Diese „Anlagen“ bezeichnete Krieck in einem Rückgriff auf Aristoteles auch schon mal gerne als „Entelechie“, ein Begriff, auf den auch Höcke inzwischen mehrfach zurückgriff. Höcke setzt auf „organisches Werden (Entelechie)“. Krieck sagte dazu: „Jedes Volk, jede organische Gemeinschaft besitzt geistige Urwesenheit (Entelechie).“ (Krieck 1922, 151)
„Bewegungspartei“
Adolf Hitler nannte die NSDAP die „Partei der Bewegung“. Entsprechend bezeichnet Höcke die AfD als „fundamentaloppositionelle Bewegungspartei“.
„organische Marktwirtschaft“
„Organische Marktwirtschaft“ ist ein Kunstbegriff von Björn Höcke bzw. von einem Neonazi, der unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ schrieb. Die Indizienkette für eine Identität von Björn Höcke und „Landolf Ladig“ ist derart dicht, dass eine alternative Erklärung für eine Reihe von Über-Zufälligkeiten nicht plausibel ist. Der Umbau der NS-Wirtschaft wurde mit dem „Gesetz zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft“ durchgeführt, Grundlage waren mehrere Bücher, die das Begriffspaar „organische Wirtschaft“ im Titel trugen. Als wesentlich für den Aufbau einer „organischen Wirtschaft“ galt die „Zerschlagung der Zinsknechtschaft“. Auch hier zeigt sich eine Parallele, so fordert Höcke, dass die „degenerierte Volkswirtschaft“ sich vom „zinsbasiertem Globalkapitalismus“ befreien müsse.
Weitere Publikationen des DISS
Die Duisburger Sprachforscher haben sich auch in weiteren Schriften mit der AfD auseinander gesetzt. Die DISS-Neuerscheinung: Kulturkampf von rechts – AfD, Pegida und die Neue Rechte. Darin wird den Verbindungen von Neoliberalismus, völkischen Nationalismus und konservativer Revolution nachgegangen.
Das Buch arbeitet die Vorträge und Ergebnisse des Kolloquiums »Rechte Wutbürger im Kulturkampf« des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) auf, das im November 2015 in der Akademie Frankenwarte in Würzburg stattfand.
Ferner gibt es mehrere thematische Sondierungen zum Parteiprogramm der AfD und eine Analyse des AfD-Grundsatzprogramms.
Es lohnt sich, die Begriffe und Deutungsmuster zu kennen, denn es sind allesamt „Narrative“ – Erzählungen, die ohne „volkswirtschaftliche und ökonomische Substanz“ sind. Sie sind von bodenständigen und völkischen Autarkiedenken geprägt, und mißachten die Wohlstandsvorteile einer offenen Weltwirtschaft.
Die Sehnsucht nach Überschaubarkeit, Vereinfachung und lokaler Bindung ist zwar emotional verständlich – jedoch führt sie volkswirtschaftlich in eine Katastrophe und in eine neue Weltwirtschaftkrise hinein.
Die wichtigste Frage stellt sich damit an die Populisten und rechtsnationalen Köpfe selbst: wie sollen Menschen von bloßen Formeln und Erzählungen satt werden, und dazu Wohlstand aufbauen?
Über das „Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung“
Im DISS wird seit dem Jahr 1987 geforscht und publiziert. Dabei werden gesellschaftlichen Entwicklungen im In- und Ausland zum Thema. Die Sprachwissenschaftler und Forscher am DISS analysieren dabei ie Genese von sozialen und kulturellen Ordnungen, um emanzipative Ansätze für eine demokratische Praxis in Politik, Pädagogik und Journalismus zu fördern.
Methodisch stützt sich die Wissenschaftler am DISS auf die Methode der Kritischen Diskursanalyse, die im Rahmen der konkreten Forschungen beständig weiterentwickelt wird. Die Arbeitsschwerpunkte liegen derzeit in folgenden Bereichen:
– Rassismus und Einwanderung in Deutschland
– Entwicklungen der Extremen Rechten
– Antisemitismus
– Jüdische Publizistik im 19. Jahrhundert
– Soziale Ausgrenzung
– Biopolitik
– Krieg und Friedenspolitik
– Angewandte Diskurstheorie.
Das DISS gibt das DISS-Journal und die Edition DISS heraus. Zentral für die Arbeit des Instituts sind die Diskurswerkstatt sowie der Arbeitskreis Rechts. Jährlich veranstaltet das Institut ein Kolloquium, an dem WissenschaftlerInnen und PraktikerInnen aus verschiedenen Disziplinen teilnehmen. Außerdem unterhält das DISS ein umfangreiches Archiv mit Primär- und Sekundärquellen zur extremen Rechten. Das DISS ist Mitglied im Wissenschaftsforum Ruhr.
Weitere Informationen:
Institutszeitschrift DISS-Journal Schwerpunktthema *Wie weit geht der Rechtsruck?* PDF-Download