/// Kommentar /// – Unter dem Titel „Zukunftswerkstatt “Solidarisches Berlin” wird an wichtigen Brennpunkten und Konfliktorten der Stadtentwicklung interveniert. Der Titel spielt auf eine persönlichen Rede des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller an, der sich mit dem Begriff positioniert hat. Heute wenden wir uns erneut dem Thema Mauerpark und der geplanten Nordbebauung zu, und weiten den Blick auf den gesamten Stadtraum.
Zum Internationalen Tag für die Umwelt muß daran erinnert werden: das Gemeinwohl in einer Stadt benötigt eine vorausschauende und auf lange Sicht verträgliche Stadtentwicklungspolitik. Die Art wie der neue Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) das Wort vom Gemeinwohl mißbraucht, um gemeinwohlbedeutsame Klima- und Freiraumachsen zuzubauen, muß auf schärfsten Widerstand treffen. Die Stadt braucht Langfristdenken und Augenmaß – keine Schweinezyklen der Wohnungsbaupolitik, und irreparable Fehlentscheidungen, die die Metropolenentwicklung abschnüren!
Stadtentwicklung muß 100 Jahre und mehr im Auge haben
Die Stadtentwicklungspolitik der Berliner SPD ist in mehreren Dimensionen höchst unverantwortlich. Einmal gegenüber den bereits investierten Anwohnern – und Anliegerinteressen, die im Vertrauen auf ein verläßlich geplantes Stadtumfeld investiert haben. Zum Anderen aber gegenüber gemeinwohlorientierten Nutzungen und großen „Metropoleninvestitionen“ des Bundes und vor allem der Deutschen Bundesbahn in ein modernes Eisenbahn- und Bahnhofskonzept.
Leichtgewichtige Senatoren, die mal als Drucker, mal als Betriebswirt in das Amt des Senators für Stadtentwicklung gelangt sind, sind ungeeignet, die notwendige Vorstellungskraft für eine Metropolenentwicklung in ihr Amt einzubringen. Frau Ingeborg Junge-Reyer war wenigstens noch Germanistin und Geografin, und konnte Texte ohne neoliberale Wortklauberei lesen – und hat mit den Planungsgrundlagen für den Berliner Flächennutzungsplan eine 5-Millionen-Einwohner-Vorsorgeplanung aufgelegt, die weit vorgedacht hat.
Planungskorruption & Karriere-Korruption belasten die Mauerparkfrage
Der Berliner Flächennutzungsplan trifft Zukunftsvorsorge. Ausgerechnet am Mauerpark und der allerletzten wichtigen Grünachse werden aufgrund von Korruption und politischer Kurzsichtigkeit strategische Grundlagen und Prinzipien der Stadtentwicklung ohne Ansage im Berliner Abgeordnetenhaus gebrochen, und durch die Hintertür des Planungsrechts versucht.
Zwei große Volksparteien ignorieren hier grundlegende Rechte, und wollen einen städtebaulich und architektonisch miserabel geplanten Engpaß für die nächsten 200 Jahre schaffen.
Das intellektuelle Downtrading in der Stadtentwicklung der Metropole muss beendet werden! Es stehen auch Milliardeninvestitionen auf dem Spiel! Die Betroffenheit unmittelbarer Anwohner ist ein Frühindikator – keine politische Nebensache!
BSR-Standort Behmstraße: schwärender Konflikt in der Nachbarschaft
In unmittelbarer Nähe zum Nordkreuz gibt es einen seit über 15 Jahren schwärenden Konflikt zwischen einem „störenden Gewerbe“ und unmittelbar angrenzender Wohnnutzungen. Es ist wohl der Lage an den rückwärtig gelegenen Gleisen der Ringbahn geschuldet, dass es nicht genügend Nachbarn gibt, um genügend politischen Handlungsdruck zu entfalten. Doch der BSR-Recyclinghof und der Stellplatz für Dutzende Müllfahrzeuge ist ein Lärm- und Emissionsproblem. Das frühe Ausrücken der Fahrzeuge, das Hochfahren der Motoren, Abgase und vor allem Geruchsemissionen und mikrobielle Emissionen sind nicht nur störend, sondern eine latente Gefahr.
„Der Betriebs- und Recyclinghof gehört nicht zu den in einem Mischgebiet zulässigen Gewerbetrieben, weil es sich um einen störenden Gewerbebetrieb handelt. Indizien für solche Betriebe sind ein hohes Verkehrsaufkommen und immissionsintensive Arbeiten (Fickert/Fieseler: Baunutzungsverordnung, Stuttgart 2002, § 6 Rundschreiben Nr. 9). Außer zu den im Anhang der 4. Bundes-Immissionschutz-Verordnung (BImSchV) aufgeführten Anlagen gehören dazu in der Regel größere Schrott- und Lagerplätze mit Lärm-, Staub- oder Geruchsbelästigungen (ebenda, Rundschreiben Nr. 12.2). Um eine solche Anlage handelt es sich hier.“ (Kleine Anfrage KA-0831/VI über Zukunft des Betriebshofs der BSR in der Behmstraße vom August 2011).
Der Standort des BSR-Betriebs- und Recyclinghof ist ein ungelöster städtebaulicher Konflikt, für den eine Lösung gefunden werden muss.
Mehrheit für nachhaltige Mobilitätskonzepte in der Stadt
82 Prozent der Deutschen sind dafür, Städte und Gemeinden gezielt so umzugestalten, dass man kaum noch auf ein Auto angewiesen ist. Bei jungen Menschen (14- bis 17-Jährige) sind sogar 92 Prozent für diese Umgestaltung. Eine hohe Zustimmung gibt es für neue Mobilitätskonzepte in den Städten. Das ist das Ergebnis der aktuellen, repräsentativen Umfrage des Umweltbundesamtes und des Bundesumweltministeriums, die am 30. März 2015 veröffentlicht wurde. Diese Erkenntnis ist in der Alltagspolitik noch nicht angekommen!
Stadtentwicklung umfasst auch nachhaltige Verkehrsplanung
Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) hat bisher nur Aktionismus in der Wohnungspolitik an den Tag gelegt, und die PR-Trommel gerührt. Für nachhaltige Projekte hat er bislang noch keine erkennbaren Weichen gestellt. Verkehrspolitisch hat er bisher als Erstes die langfristige Schließung des Autobahnring und den Bau der Nordosttangente verkündet. Gleichzeitig bekennt er sich zu wachsenden Stadt, und damit auch zu einem wachsenden Verkehr.
Zum Verkehr gehört aber nicht nur der Autoverkehr, sondern auch der schienengebundene Verkehr, und vor allem das Fernbahnnetz der Deutschen Bundesbahn, die über 25 Jahre gewaltige staatliche Investitionen in das Berliner Eisenbahnnetz mit vier Schienenkreuzen getätigt hat. Investitionen übrigens, die alle Deutschen in die Hauptstadt investiert haben – weil sie mindestens als Gäste wichtiger Ereignisse, Sportereignisse und etwaiger künftiger Olympiaden anreisen und teilnehmen möchten.
Überdies entsteht mit der geplanten Inbetriebnahme des Großflughafens BER eine gravierende Verkehrsverlagerung von den Nordbezirken der Metropole nach Neukölln und Schönefeld.
Welche politisch verantwortlich handelnde politische Partei hat hierfür einen strategischen Plan, der zu einem gewaltigen Verkehrszuwachs in den Innenstadt-Achsen und auf der bereits heute völlig überlasteten Stadtautobahn führt?
Infrastruktur der Metropole muss metropolentauglich sein
Die Berliner Innenstadt ist durch immer mehr Großereignisse beansprucht. Praktisch im Monatstakt ist das Regierungsviertel mit Fan-Meilen, Großveranstaltungen, Demonstrationen und Umzügen und vor allem Regierungsbesuchen belegt. Dazu kommt eine gewaltige Konzentration der Touristen, die den zentralen Bereich der Hauptstadt als Besucher und Freiflächennutzer aufsuchen.
In keiner Flächenbilanz taucht dieser Aspekt auf, und die Grunflächendefizite im Bezirk Mitte werden durch eine der wohl inkompetentesten Bezirksverordnetenversammlungen Berlins völlig ignoniert.
Man hat sich auch nicht im Geringsten einen Gedanken über die stadträumliche Verkehrsplanung am Bahnhof Gesundbrunnen gemacht, der nun als Fernbahnhof endlich mit Eingangsgebäude fertiggestellt ist.
Es gab keinen einzigen Bezirksverordneten, der bei der Diskussion um die Nordbebauung des Mauerparks das städtebauliche Potential und die Verkehrsanbindung des Bahnhof Gesundbrunnen an den im Nachbarbezirk Pankow liegenden Jahn-Sportpark bedacht hat. Es gab auch keinen einzigen Politiker, der die einmalige städtebauliche Jahrhundertchance einer fußläufigen Grünachse zum zweitwichtigsten Berliner Bundesliga-Stadion-Standort aufgegriffen hat.
Stattdessen gibt es eine stille Kumpanie zwischen SPD und CDU. Der ehemalige Stadtentwicklungssenator Müller beschliesst das Zubauen der Grünachse mit einem stadtbekannten CDU-Großinvestor, der zum Zeitpunkt des Vertragschluß noch nicht einmal im Grundbuch eingetragen ist. Und der Sportsenator Henkel beauftragt ein Gutachten zur Sanierung und Entwicklung des Jahn-Sportparks, und informiert die Stuttgarter Consultingfirma noch nicht einmal darüber, das in fußläufiger Entfernung des Stadtortes in 1.100 Metern Entfernung ein Fernbahnhof der Deutschen Bundesbahn gibt.
Dazu interveniert noch nicht einmal das Staatsunternehmen DB AG in eigener Sache, um sich den Bundesbahn-Direktverkehr zu künftigen Zweite-Bundesligaspielen und Champions-League Spielen zu sichern. Dazu wird noch nicht einmal über eine mögliche erfolgreiche Olympiabewerbung in den nächsten 120 Jahren nachgedacht, die einen „paralympicstauglichen barrierefreien“ Fernbahnumstieg garantieren kann.
Zukunftswerkstatt “Solidarisches Berlin” #2:
Olympia- und Sportbahnhof Gesundbrunnen
Wie könnte eine alternative städtebauliche Zukunft aussehen im Bereich Gesundbrunnen – Mauerpark aussehen? Wie könnte der Konflikt mit der Bebauung gelöst werden? Wäre eine rechtzeitige Aufgabe des BSR-Betriebshofes und Recyclinghofes eine Alternative? Braucht Berlin mit dem Fernbahnhof Gesundbrunnen einen Ausgleich für das überlastete Zentrum am Hauptbahnhof?
Wäre eine direkte fußläufige Anbindung des Fernbahnhof Gesundbrunnen an den Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark eine sinnvolle Lösung?
Soll die CA-Immo AG finanziell entschädigt werden? Soll der Standort BSR-Betriebshof Behmstraße ersatzweise Wohnstandort werden?
Wäre es auch eine Chance für spätere Olympiabewerbungen der Metropole, wenn diese von fähigeren Stadtentwicklungspolitikern regiert wird? Soll eine andere politische Partei die „Stadtentwicklungsverantwortung“ der Metropole wahrnehmen?
Welche Partei verdient genug Vertrauen, um die Berliner Stadtentwicklung bis 2030 zu leiten?
Muß auch politische Zukunfts-Vorsorge für eine „Nach-Müller-Geisel-Zeit“ der Stadtplanung getroffen werden?
Die Metropole Berlin braucht wegweisende Zukunftschancen
Die von Jahr zu Jahr um 40.000 Einwohner wachsende Stadt Berlin mit ihrem ebenso stark wachsenden Umland muß auch langfristig für ihre Bewohner lebenswert und für ihre Gäste attraktiv bleiben. Berlin muss deshalb auch Raum und Freiraum, Sport- und Bewegungsflächen für eine immer größer werdende Anzahl von Menschen auf gleicher Fläche bieten.
Das kann nur funktionieren, wenn wichtige Grün- und Freiraumachsen erhalten bleiben – und sinnvolle Freiflächennutzungen geschaffen werden, um Standorte miteinander zu vernetzen – eine Stadt der kurzen Wege zu schaffen.
Die wichtige Klima-Ausgleichsfunktion der Grünachse Mauerpark darf nicht verbaut werden, und auch die wichtige fußläufige Verbindung zum Fernbahnhof Gesundbrunnen muß entwickelt werden. Der Bezirk Mitte und Prenzlauer Berg benötigen viel mehr Freiflächen, und vor allem auch „Sport- und Funktionsflächen“ für Großereignisse und überrgionale Sportereignisse.
Zukunftswerkstatt “Solidarisches Berlin” – nehmen Sie Herrn Müller bei Wort! Schreiben Sie der Redaktion! Ihre Ideen und Kommentare zur Zukunftswerkstatt “Solidarisches Berlin“ am Mauerpark und Fernbahnhof Gesundbrunnen sind gefragt!
Weitere Informationen:
Die Kommentarspalte ist offen! Schreiben Sie uns öffentlich, oder vertraulich an:
redaktion@pankower-allgemeine-zeitung.de
Zukunftswerkstatt “Solidarisches Berlin” #1 | 23.5.2015 | Michael Springer | Pankower Allgemeine Zeitung
Olympiabahnhof Gesundbrunnen | 18.1.2015 | Michael Springer | Pankower Allgemeine Zeitung
Doku: Michael Müller im Wortlaut | 15.5.2015 | Pankower Allgemeine Zeitung
Lesetip:
Vorausdenken hilft! | 19.5.2015 | Pankower Allgemeine Zeitung