/// Kommentar /// – Unter dem Titel „Zukunftswerkstatt “Solidarisches Berlin” wird an wichtigen Brennpunkten und Konfliktorten der Berliner Stadtentwicklung interveniert. Der Titel spielt auf eine persönlichen Rede des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller an, der sich mit dem Begriff „Solidarisches Berlin“ positioniert hat. Heute wenden wir uns einem der drängendsten Probleme der Stadtentwicklung in Pankow zu, und weiten den Blick auf den gesamten Stadtraum von Alt-Pankow.
“Solidarisches Berlin” – das ist ein vielschichtiger Begriff. Es sieht auf den ersten Blick so aus, als ob damit die Solidariät der Großen mit den Kleinen, die Solidarität der Investoren mit den Mietern – und eine Politik des sozialen Ausgleichs verbunden ist.
Doch in Pankow ist noch eine andere Form der Solidarität im Spiel: die Solidarität und Vorausschau von Bürgern, die einem in Pankow beliebten Investor auf einen besseren Weg helfen wollen, und eine nachhaltige Zukunft möglich machen wollen.
Verfahrene Stadtentwicklungspolitik
Die Stadtentwicklungspolitik in Berlin krankt an einer fatalen „Underperformance“. Durch eine weitgehende Liberalisierung des Baurechtes wird in Berlin keine strategische Stadtentwicklung mehr verfolgt, sondern „vorhabenbezogene Planung“, die entlang von Investoren-Absichten und Grundstücksgrenzen nach Lösungen sucht. Städtebauliche Integration und Vorausdenken wird durch ausschnitthafte Planungen und ungeplante Schnittstellen und Notlösungen ersetzt. In einer Stadt, die auf Innenverdichtung setzt, kann das nicht lange gut gehen!
Die im Rahmen der Sparpolitik ausgesetzte Bereichsentwicklungsplanung war eine Planungsebene, die zumindest auf Stadtteilebene nach integrierenden Lösungen sucht. Die geltende Ebene der berlinweiten Stadtentwicklungspläne (STEP) ist viel zu hoch angesetzt, um die vor Ort agierenden Interessenlagen und die strategischen Interessen der Metropole in Einklang zu bringen.
Problemfall Pankower Tor
Am Pankower Tor ist ein ambitioniertes Investorenvorhaben in die Niederungen stadtentwicklungspolitischer Fehlsteuerungen und politischer Interessenlagen geraten.
Der Bezirk Pankow unterstützt das Vorhaben der KGG Grundstücksgesellschaft mbH, klemmt jedoch das Vorhaben zwischen zwei gewünschte Schulstandorte ein. Gleichzeitig wird eine Verkehrsplanung verfolgt, die mit den langfristigen „Metropoleninteressen“ langfristiger Verkehrsplanung (STEP Verkehr) kollidiert. Konkreter Ausdruck ist die noch im geltenden Flächennutzungsplan eingetragene Planstraße Ost-West, die eine weitere 20 Meter breite Überbrückung der Berliner Straße am Bahnhof Pankow notwendig machen würde, um bis in die Mühlenstraße zu führen.
Nun droht ein langwieriges Gezerre zwischen dem Bezirk Pankow und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, in der unter hohen Erfolgsdruck nach tragfähigen Lösungen gesucht wird.
Der Kardinalfehler in der Pankower Stadtentwicklungsplanung: das bisherige Werkstattverfahren zum Pankower Tor und die politischen Einigungsversuche sind trotz vieler Gutachten fehlgeschlagen, weil man nicht erkannt hat, dass hier „Städtebau“ und nicht nur ein „vorhabenbezogener Bebauungsplan“ auf der Agenda steht.
Eben weil man Architekten und Städtebauer bislang im Planverfahren zu kurz kommen ließ, hat sich diese Erkenntnis nicht schon frühzeitig umgesetzt.
Keine der in Pankow vertretenen Parteien hat diese Konfliktlage bisher ordentlich analysiert und nach einem politisch gangbaren Pfad zur Problemlösung gesucht. Ein Jahr vor der nächsten wichtigen Wahl in Berlin droht nun ein bedeutendes städtebauliches Vorhaben im „zu kleinen Karo“ unterdimensionierter Planungsansätze zu scheitern.
Ein neuer Masterplan für Alt-Pankow
Alt-Pankow braucht einen neuen Masterplan, einen Zukunftsplan, einen nachhaltig ökonomisch und städtebaulich tragfähigen Entwurf. Der gesamte Bereich benötigt auch ein neues „Leitbild“, nicht nur ein Nebeneinander von Möbelhaus, Einkaufszentrum, Parkplatz, Schule, Grünflächen und Wohnen.
Stadtentwicklung braucht auch eine leitende und tragfähige Idee, wie Stadt sich entwickeln soll – und welche Kräfte und Mittel auf lange Sicht entlang eines Stadtkonzeptes konzentriert und eingesetzt werden sollen.
Stadtentwicklung ist mehr, als nur ein Nebeneinander von Flächennutzungsplanung, Bebauungsplanung und Einzelhandels- und Zentrenkonzepten. Inwischen verstellen die städtebaulichen Planinstrumente den Bürgern und der Politik den Blick auf die ganze Stadt. Paragraphen, Indexzahlen, Pläne, Planungsinstrumente erzeugen einen Papierwald, der den Blick für grundlegende Muster der Stadtplanung verstellt.
Vor allem Potentiale, Chancen und Möglichkeiten werden so übersehen! Stattdessen gewinnen Einzelvorhaben und Einzelinteressen und „Liebhabereien“ plötzlich Gestaltungshoheit. So muss z.B. gefragt werden, ob eine Straßenbahnlinie durch die Granitzstraße eine Lösung ist, die auf persönlicher Präferenz eines Bezirksverordneten beruht? Warum wird keine Verlängerung der Straßenbahn von „Am Steinberg“ zum S-Bahnhof Pankow Heinersdorf geplant, die viel mehr langfristige Potentiale bietet?
Städtebaulich ist Alt-Pankow mit dem Anger noch immer „Berliner Vorstadt“. Die Entscheidung der Jagdfeld-Gruppe, das Rathauscenter zu erweitern sorgt endlich für mehr Zentralität der Einzelhandelfunktionen.
Gleichzeitig gibt das geplante Multifunktionsbad in der Wolfshagener Straße einen Attraktivitätsimpuls, der schon bald auch Hotelinvestoren aber auch autofahrende Besucher auf den Plan rufen wird.
Zusammen mit dem Vorhaben Pankower Tor verschiebt sich der städtebauliche Charakter Pankows. Statt urbanen Vorort-Bezirk mit einzelnen Zentren und zentralen Einzelhandelsfunktionen, entwickelt sich Pankow zu einem städtebaulichen Kerngebiet.
Ein städtebauliches Kerngebiet benötigt auch andere architektonische und städtebauliche Dimensionen, eine kompaktere Grundstücks- und Flächennutzung – und eine entsprechend angepasste Verkehrs- und Straßengestaltung.
Neue Zentralität entsteht in Alt-Pankow
Die sich neu entwickelnde Zentralität bietet Chancen, um urbane Funktionen besser miteinander zu vernetzen, und Stadt zu einem urbanen Kerngebiet zu verdichten. Wohnen, Handel, Arbeiten, Kultur und auch Innovation und Produktionen könnten im künftigen Zentrumsbereich entwickelt werden.
Es klingt zunächst abstrakt, es ist die Sprache städtebaulicher Planung, die Stadtprozesse, Attraktivität und daraus abzuleitende Investitionslogiken und Entscheidungen antizipiert. Ein Multiunktionsbad zieht auch die Hotelinvestition an – ein Möbelhaus funktioniert heute nur zusammen mit zentralen Einkaufsfunktionen. Wer wohnt, muß auch Miete zahlen, und folglich einen angemessenen Arbeitsplatz finden. Höhere Besucherfrequenzen ermöglichen auch, qualitativ hochwertige Warensortimente anzubieten.
Erkennt man die neue Zentralität an, ergeben sich viele folgerichtige Ideen und Entscheidungen. Gleichzeitig erhält Pankow eine zentrale urbane städtebauliche Struktur, die auch genügend Anziehungskraft für eine qualitative Höherentwicklung und für eine lokale Arbeitsteilung zwischen Zentrumsfunktionen und Wohnen in den angrenzenden „Vororten“ und Ortsteilen Heinersdorf, Blankenburg, Französisch-Buchholz, Niederschönhausen.
Erste Ideen für den neuen Masterplan Pankow
Die Planung für das Möbelhaus soll nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden, doch sollten Entwürfe für ein „Möbelhaus der Zukunft“ geprüft werden. Zu einem Möbelhaus der Zukunft gehört ein kundenzielgruppenbezogenes Verkehrs- und Logistikkonzept.
Es gibt heute mehrere Einkaufsprozesse, die gänzlich ohne Auto funktionieren, die aber eine Auslieferungslogistik erfordern.
Diese Auslieferungs-Logistik könnte am Bahnhof Heinersdorf auch kreuzungsfrei auf die nordwärts führende Autobahn geführt werden. Gleichzeitig könnten auch „Möbel-Einkaufsfahrten“ mit der DB-Regio zu einem besonderen Erlebnis werden.
Möbel- und Designstadt Pankow
Eine zukunftsweisende „Möbelstadt“ mit Möbelhaus, Innovations- und Designzentrum, Kulturzentrum und Design- und Künstlerateliers könnte zur nachhaltigen Attraktivität eines Handels-, Produktions-, Kulturzentrums beitragen. Die Ideen für ein Möbel- Designzentrum würden auch einen eigenen singulären Anreiz schaffen, mit dem der Standort sich dauerhaft als Ideen- und Entwicklungsort positionieren könnte. Es entstehen wichtige neue Chancen auf Arbeitsplätze.
Außerdem: ein Innovationszentrum für Art, Design & Industry und Robotik fehlt bisher gänzlich in der Cluster-Strategie der Metropole Berlin.
Integration von Alt-Pankow und Pankow-Süd (1)
Eine durchgehende Straßenverbindung der Neumannstraße mit der Wolfshagener Straße würde das Zentrum Pankow enorm stärken und ganz neu integrieren. Für die Berliner Straße würde eine wichtige Entlastungsfunktion entstehen.
Zweite Florastraße (2)
Zwischen Mühlenstraße und Berliner Straße entsteht Raum für den Bau einer „zweiten Florastraße“. Der Begriff wurde gewählt, weil sich hier der Stadtgrundriß nördlich der Stettiner Bahn quasi spiegeln läßt. Zugleich ist eine urbane Qualität beabsichtigt, die auf die Parzellierungsmuster in der Florastraße abhebt, und kleinteilige Architektur-Konzepte fordert.
Fußgänger-Zone Garbátyplatz (3)
Die Florastraße zwischen Grunowstraße und Berliner Straße sollte künftig nur noch für BUS und Taxi befahrbar sein, und ansonsten als Fußgängerzone entwickelt werden. Der Verkehrs-Engpaß am Pankower Tor kann so entschärft werden, gleichzeitig entsteht eine städtebauliche Qualität, die auch eine Aufwertung des Bahnhofsgebäudes erlaubt, und die Provisorien mit den Imbiss-Ständen beseitigt. Es entsteht Platz für künftige Lösungen zur Unterbringung von Fahrrädern.
Anbindung der Wolfshagener Straße an den Stiftsweg (4)
Eine neue Straße über das Grundstück der GESOBAU-Geschäftsstelle am Stiftsweg würde das künftige Multifunktionsbad besser an das Straßennetz anbinden. Zugleich könnte das künftige Multifunktionsbadviel bequemer von Pankow-Süd aus erreicht werden.
Verdichtetes Fachmarktzentrum plus Nahversorgungszentrum am S-Bhf. Pankow-Heinersdorf (5)
Der Grundkonflikt zwischen der Forderung des Investors Kurt Krieger nach einem neuen Einzelhandelszentrum und dem Berliner Stadtentwicklungsplan Zentren (STEP-Zentren) wird durch eine wirtschaftlich hoch attraktive Kompromißlösung gelöst. Diese sieht eine Genehmigung eines Fachmarktzentrums neben dem Möbelhaus und einen Brückenbau am S-Bahnhof Pankow-Heinersdorf vor.
Gleichzeitig kann ein kleines Planungs- und Messezentrum entstehen, um künftige Innovationen und Premieren präsentieren zu können. Ferner sollte ein Gründerzentrum für die Designindustrie entstehen.
Damerowstraße verschwenken – Geschäfts- und Nahversorgungszentrum bauen (6)
Durch eine Verschwenkung der Damerowstraße kann die Straßenbahnlinie an das erweiterte Bahnhofsgebäude herangeführt werden. Ferner entsteht eine ausreichende Fläche für ein kleines Geschäfts- und Dienstleistungszentrum, plus eines 2.500 Quadratmeter Nahversorgungszentrums. Die bisher bestehenden Standorte für Einzelhandel an der Bleicheroder Straße können aufgegeben werden und durch Wohnen ersetzt werden.
Die Brückenfunktion ermöglicht eine kurze fußläufige Querung der Gleisanlagen und einen Überweg zum Möbelhaus. Auf diese Weise wird eine „Frequenzsicherung“ für das Möbelhaus möglich, gleichzeitig wird der Modal-Split zugunsten des ÖPNV massiv unterstützt.
Schulen auf sichere Standorte verlagern
Zwei Schulstandorte sollen aus dem Planungswertausgleich des Vorhabens Pankower Tor realisiert werden. Ein Standort in der Leeseite des Autobahnabzweigs Pankow verbietet sich aus lufthyghienischen Gründen. Eine zentrale Lage im Bereich Hadlichstraße wäre eine bessere Alternative. Für den Grundschulstandort gäbe es mehrere Möglichkeiten, etwa an der Mühlenstraße, oder an der verlängerten Neumannstraße, direkt im neuen Stadtquartier Pankower Tor.
Die Wahl von Alternativstandorten wird als zwingend angesehen, um überhaupt neu über das Projekt Pankower Tor nachdenken zu können. Derzeit sind es „Planungshindernisse“.
Städtebauliche Verdichtung und neues Konzept
Mit den ersten Ideen für einen Masterplan Pankow ist intendiert, eine neue Diskussion über die festgefahrende Planung am Pankower Tor auszulösen. In der Zukunftswerkstatt „Solidarisches Berlin“ sollen neue tragfähige Ideen und Konzepte gesammelt und zusammengetragen werden, die eine innovative soziale und nachhaltige Stadtentwicklung in Pankow in Gang setzen.
Zugleich soll auf enorme Defizite der Stadtentwicklungspolitik in Pankow aufmerksam gemacht werden, in der zu wenige Köpfe über zu viele Zuständigkeiten, Aufgaben und Konflikte gleichzeitig nachdenken – und sich festgefahren haben.
Der neue Masterplan Pankow soll „disruptive Innovationen“ anstoßen, und ein zukunftssicheres Pankow bauen helfen. Zugleich soll die Zentrenentwicklung in der Breite Straße und die Entwicklung eines städtebaulichen Kerngebietes voran getrieben werden.
Es gibt auch ganz wichtige Gründe für notwendigen einen Wandel: Wohnen und Handel sind nicht genug! Die vielen Kinder in Pankow und der wissenschaftliche, künstlerische Nachwuchs, Designer, Ingenieure brauchen irgendwann auch zukunftssichere Arbeitsplätze.
Die einseitige Konzentration auf Wohnen, Handel, Bildung und Kultur ist nicht ausreichend. Zukunft in Pankow braucht auch ein wirtschaftliches Fundament. Die Zeit drängt, über ein neues und innovatives Verhältnis von Wohnen, Urbanität und Arbeiten nachzudenken.
Fortsetzung folgt
Hinweis:
Die Kommentarspalte ist geöffnet.
Ideen, Skizzen und Pläne werden zunächst gesammelt, und sollen in einem Plan-Entwurf der Zukunftswerkstatt „Solidarisches Berlin“ #3 zusammengefaßt werden.
Kontakt & Mitarbeit: redaktion@pankower-allgemeine-zeitung.de
Klingt alles recht positiv, aber weshalb soll ein architektonisch hochwertig gestaltetes Einkaufszentrum nicht an die Berliner Straße gebaut werden. Gepaart mit einem Stadtplatz und der Fußgängerzone rund um den Garbaty-Platz wäre das eine Flanierzone rund um den Bahnhof Pankow. Am Dorfanger könnte dann noch die ANH-Brache der alten Kaufhalle einbezogen werden. Somit würde bis zum aufgestockten Rathauscenter eine mehr oder weniger geschlossene attraktive Einkaufszone entstehen.
J. Ebert Grunowstraße