Die Landeshauptstadt Potsdam hat sich schon vor über fünf Jahren aufgemacht, Bürgerstadt zu werden. Unter dem Motto „mitwirken – gestalten – verändern – Bürgerhaushalt in Potsdam“ wurde eine vorbildliche Lösung geschaffen, um Bürgerinnen und Bürger der Stadt bei der Gestaltung des kommunalen Haushalts einzubinden.
Am Sonntag 9. Oktober 2011 endete der erste Aufruf, Bürgervertreter für den Bürgerhaushalt 2013 zu nominieren. Seit 2013 hat Potsdam nun schon mehrere Bürgerhaushalte aufgestellt. Das Interesse und die Bürgerbeteiligung ist ganz enorm gestiegen. Waren es zuerst nur etwa 5.700 Beteiligte, so hat die Aufstellung des Bürgerhaushaltes 2017 schon einen Rekord aufgestellt:
„Bei der Vorschlagssammlung und in den Abstimmungsphasen für den Bürgerhaushalt 2017 haben sich rund 15.000 Potsdamerinnen und Potsdamer eingebracht. Somit beteiligten sich erstmals knapp zehn Prozent aller Bürgerinnen und Bürger.“
Die Aufstellung des Bürgerhaushalts in Potsdam wurde in mehreren Schritten optimiert, das Verfahren selbst wurde von einer Projektgruppe begründet und durch nachfolgende Bürgervorschläge optimiert.
Umfassende Beteiligungsangebote in Potsdam
Die Stadt Potdam hat ihre Beteiligungsangebote gebündelt und stellt sie auf der Internetseite der Stadt in übersichtlicher und selbsterklärender Weise zusammen.
Die „WerkStadt für Beteiligung“ und „Potsdam weiterdenken – Ein Leitbild für Potsdam“ bildeten dabei den Rahmen für die Zukunftsorientierung und für eine klare Struktur und Information der Bürgerbeteiligungsangebote.
Durchdachte tiefe Struktur der Bürgerbeteiligung in der Kommune
Wenn es einen Preis „vorbildliche Bürgerkommune“ geben würde, hätte Potsdam Aussicht auf eine Prämierung. In keiner anderen Kommune wurde so weit und strukturiert über Bürgerbeteiligung nachgedacht.
Bürgerhaushalt, Maerker Potsdam, das Stadt Forum Potsdam und die Beteiligung bei der Bauleitplanung sorgen auch für eine zukunftsorientierte Bürgerbeteiligung, die vom Haushalt, über Mängelbeseitigung bis zur zukünftigen Stadtplanung hinführt.
Top 20-Liste für den Bürgerhaushalt
Die Idee, eine „TOP 20 – Liste der Bürgerinnen und Bürger“ mit den wichtigsten Vorschlägen des Potsdamer Bürgerhaushalts 2017 vorabzustimmen, und danach der Stadtverordnetenversammlung zur Beratung und Entscheidung zu übergeben, ist eine elegante Lösung. Basisdemokratie und repräsentative Demokratie in der Kommune ergänzen sich, weil man das „Vordenken“ und „Vorabstimmen“ demokratisiert hat.
Die Liste der Bürgerschaft wurde an die Stadtverordneten-Vorsitzende Birgit Müller überreicht. Die Politik hat im Rahmen des Haushaltsbeschlusses 2017 nachgerechnet. Die Liste wird voraussichtlich im ersten Quartal 2017 in den Kategorien „Annahme“, „Prüfauftrag“ und „Ablehnung“ entschieden.
Stand der Beratung der Vorschläge zum Bürgerhaushalt
Die Beratung der Vorschläge zum Bürgerhaushalt befindet sich derzeit in der Endphase. Natürlich gibt es in Potsdam auch schwerwiegende stadtpolitische Streitpunkte, die sich in der „TOP 20 – Liste der Bürgerinnen und Bürger“ niederschlagen. Das Geld für eine „Wiese des Volkes“ wurde etwa verweigert, weil dies zuvor an einen Abriß des Hotels Mercure geknüpft ist.
Auch sollen keine städtischen Mittel für den Aufbau der Garnisonkirche verwendet werden, was das aus Spenden finanzierte Vorhaben natürlich erschwert und verteuert. – Interessant ist die Bürger-Forderung, die Hundesteuer deutlich anzuheben.
Der Bürgervorschlag zur Reduzierung der Fraktionsfinanzierung wurde vom Finanzausschuß der Stadtverordnetenversammlung abgelehnt – eine interessante Konstellation. Auch der Vorschlag, die Gebühren für Feuerwerke zu erhöhen wurde abgelehnt.
Die Förderung des Tierheimneubau in Potsdam ist auf eine Verbindung von dringenden Bedarf, aber auch auf das Engagement einer Tierschutzlobby zurück zu führen. Auch dies ist eine interessante Konstellation, die im Zusammenhang mit der Übernahme von gesetzlichen Tierschutzaufgaben steht, etwa bei der Sicherstellung von herumlaufenden Tieren.
Die weitere Liste der Themen und Vorschläge liest sich wie eine Vorlage für Berlin oder Pankow:
– Mehr Sauberkeit durch weitere Mülleimer und häufigere Leerung
– Gutachten gegen den Weiterbetrieb des Atomreaktors in Wannsee
– Dichtere Takte des Öffentlichen Nahverkehrs im Berufsverkehr
– Aufwandsentschädigungen für Ehrenamtler: Fahrtkosten
– Bessere Betreuung für Schüler und Kinder mit Behinderung
– Radwege ausbauen und mehr Radschnellwege einrichten
– Instandsetzung und Modernisierung eines Sportplatz
– und weitere Themen zur Verkehrsplanung und Stadtgestaltung der historischen Mitte.
Der weitere Fortgang der Beratungen kann auf der Internetseite verfolgt werden, sodass Bürgerinnen und Bürger auch aus der Distanz „im Verfahren“ involviert bleiben können.
In Pankow muss man sich dagegen durch eine Vielzahl von Sitzungen und Vorlagen und Abstimmungen kämpfen, die Bürgerbeteiligung wird so zur „Insiderangelegenheit“ für Menschen mit viel Zeit und Durchhaltevermögen.
Die übersichtliche Webseite des Potdamer Bürgerhaushaltes sorgt mit ihrer offenen Kommunikations-Architektur für eine breite Beteiligung.
Bürgerbeteiligung in Pankow
in Pankow ist unter den Parteien auch ein Wandel im Gange, man will sich an modernen Vorbilder orientieren. Die SPD-Fraktion reicht heute einen Antrag zur „Partizipativen Budgetierung“ ein, schon die Sprache scheint auf ein sozialdemokratisches Insider-Deutsch zu verweisen und ein Abitur in Latein vorauszusetzen. Man blickt dabei nach Paris, das aber im zentralistischen Frankreich auch ganz andere rechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen hat.
Es wäre viel gewonnen, wenn die n Pankower Parteien sich am Vorbild der benachbarten Landeshauptstadt orientieren, die zum Thema Bürgerhaushalt ganz ähnliche politische Konstellationen hat.
Weitere Informationen:
Ein Leitbild für Pankow! | 16.5.2016 | Pankower Allgemeine Zeitung
Vordenken hilft! | 19.5.2015 | Pankower Allgemeine Zeitung
Planungsparty für neuen Spiel- & Bolzplatz | 10.4.2016 | Pankower Allgemeine Zeitung