Von Michael Springer
Der Bundestagsabgeordneter Stefan Gelbhaar Bündnis90/ Die Grünen ist gestern abend mit seiner Anrufung des Landesschiedsgerichts gescheitert. Am heutigen Mittwoch, 08.01.2025, 20:00–22:00 findet nun eine „dubios“ angesetzte erneute Wahl für die Direktkandidatur im Wahlkreis 75 Pankow statt, die als längst entschieden betrachtet wurde. Er war erst im November mit 98,4 Prozent von seinem Kreisverband als Direktkandidat gewählt worden.
Gelbhaar gehört zum Urgestein der grünen Partei in Berlin. Noch wurde vor seiner Zeit im Bundestag saß er für die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus und war von 2008 bis 2011 Landesparteivorsitzender seiner Partei.
Die hintergründig gelegten Beschuldigungen gegen Gelbhaar gehen auf Interventionen und Netzwerkschalten des linken Parteiflügels zurück, die offenbar eine Kursänderung der Berliner Partei durchdrücken wollen.
Abgesehen von Form und Stil und Umgang mit der innerparteilichen Kultur, ist der heutige Wahlvorgang in hohem Maß auch für die Öffentlichkeit relevant.
Da die heimtückischen Interventionen abseits öffentlicher Verhandlung und auch nachweisbar wahlkreisübergreifend erfolgten, steht eine Systemfrage im Raum:
Ist der Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen ein eigenständiger Verband nach § 7 PartG, der nach eigener Satzung lokal aufgestellt ist. — Oder aber ist er Ableger einer „Kaderpartei“, die von „virtuellen Politbüros“ wahlkreisübergreifend und über soziale Netzwerke gelenkt wird?
Parteiengesetz als Maßstab für innerparteiliche Demokratie
Insbesondere das neue Vielfaltsstatut ( Statut für eine vielfältige Partei ) weist auf Unvereinbarkeit mit dem Parteiengesetz §7 PartG auf.
Wird eine Wahlbeschwerde diesbezüglich erfolgreich bei der Bundeswahlleitung gestellt, droht dem Wahlkreis 75 der Verlust des Bundestagssitzes und womöglich sogar eine Nichtzulassung zur vorgezogenen Bundestagswahl am 23.2.2025. Grundsätzlich ist zu fragen, ob Parteien mit „ideologischen Überbaupapieren“ überhaupt verfassungskonform sind, denn sie erzeugen einen „imperativen innerparteilichen Druck, der Willensfreiheit zu wählender Abgeordneter einschränkt.
Der Vorstand des Kreisverbandes ist jedenfalls eingeknickt, und hat eine neue Wahl angesetzt. Die Mitglieder des Kreisverbandes erhalten die Möglichkeit, neu über alle vorliegenden Bewerbungen um die Direktkandidatur für die Bundestagswahl 2025 zu entscheiden. Julia Schneider wird heute abend gegen Gelbhaar kandidieren. Ob ein dritter Kandidat antritt ist nicht sicher, denn das würde Gelbhaars Chancen enorm verbessern.
Der Fall Gelbhaar wird nicht nur in Pankow auf politische und rechtliche Bedenken stoßen. Er hat eine grundsätzliche Bedeutung für die Weiterentwicklung von Bündnis 90 / Die Grünen in Berlin — und für das Parteiensystem.
Die Einschaltung der Bundeswahlleiterin ist sicher unumgänglich. Auch eine Überprüfung der Vorgänge durch den Verfassungsschutz ist nicht abwegig. Denn schon in der Zeit vor der deutschen Wiedervereinigung war die Alternative Liste in Berlin durch Einflussagenten des damaligen MfS durchsetzt.
Update: Gelbhaar durchgefallen – Julia Schneider folgt
Die zweite Nominierung des Bundestagsdirektkandidaten für den Wahlkreis 75 Pankow wurde am gestrigen Abend durchgeführt. Die Gegenkandidatin Julia Schneider gewann eine Zustimmung von 74,3 Prozent der Mitglieder. Der bisherige Kandidat Stefan Gelbhaar bekam von Stimmen von 35 Prozent der Mitglieder. Die Nominierung von Julia Schneider fand anschließend 85,2 Prozent Zustimmung. Das sind rund 13% weniger, als Gelbhaar noch in der ersten Nominierung im November 2024 erhielt. Das damals sensationelle Ergebnis von 98,4 Prozent der Stimmen seines Kreisverbandes hätte den Pankower Grünen Gewicht im Bundestag verliehen.
Die 1990 in Berlin geborene Julia Schneider positioniert sich als Frau mit „Ostbewusstsein“ und soll nun für die Grünen ein starkes Ergebnis in Pankow erzielen.