Der eGovernment MONITOR untersucht seit 2010 den Fortschritt der digitalen Transformation in Verwaltung und Staat in den D-A-CH-Ländern – und seit 2021 auch im deutschen Bundesländervergleich .
Im Fokus stehen dabei die Bekanntheit und Akzeptanz von digitalen Verwaltungsleistungen bei den Bürger*innen und die Nutzung entsprechender Angebote.
Online-Zugangsgesetz (OZG) setzte verbindliche Frist
2017 trat das Online-Zugangsgesetz (OZG ) in Kraft, es sollte nach vielen Anläufen und nach den Forderungen des Registermodernisierungsgesetzes (RegModG) die Verwaltungen in Deutschland endlich ins digitale Zeitalter katapultieren.
Durch das Registermodernisierungsgesetz können Verwaltungsdaten mithilfe eines veränderungsfesten Ordnungsmerkmals, der sogenannten Steuer-ID, sicher und datenschutzkonform zur richtigen Person zugeordnet werden. Der Aufbau dieser digitalen Verwaltungs-Architektur konnte danach stufenweise beginnen, um die ID-Nummer für wichtige Verwaltungsleistungen des Onlinezugangsgesetzes datenschutzkonform zu nutzen. Mit dem Onlinezugangsgesetz haben sich Bund, Länder und Kommunen selbst verpflichtet, 575 Verwaltungsleistungen online anzubieten
Das Online-Zugangsgesetz schuf damit die Vorraussetzungen, von der Geburt bis zur Bestattung, alle Verwaltungsleistungen auch online, ohne Behördengänge und Wartezeiten, zu organisieren. Innerhalb von fünf Jahren sollte alles digital möglich sein. Am 31. Dezember 2022 läuft nun die gesetzte Frist ab.
Verwaltungsdigitalisierung hapert immer noch
114 Leistungen (von 575) konnten im Zuge der OZG-Offensive umgesetzt werden. Doch selbst diese Zahl täuscht über den erreichten Stand hinweg.
Denn es bedeutet nur, dass mindestens eine deutsche Kommune einen beispielaften Online-Antrag für eine Verwaltungs-Leistung anbietet. „Online-Antrag“ heißt in diesem Fall, dass es sich auch bloß um ein ausfüllbares PDF-Dokument handeln kann. Es muss noch keine elektronische Akte eingeführt sein. Ob Bürger und Firmen immer noch die nötigen Nachweisdokumente per Post schicken müssen und die weitere Kommunikation wieder auf Papier stattfindet, spielt auch keine Rolle.
Warum die Digitalisierung so schleppend verläuft, hat mit dem „Hin- und Her“ von Politik und Kommunalpolitik zu tun: Politik erfindet ständig mehr Regeln, als in eGovernment-Standards „eingebaut“ werden können:
- Die für Verwaltungsdigitalisierung zuständige Senatorin will etwa Sonderregeln bei der Parkraumbewirtschaftung für polizeiliche Einsatzkräfte, die neuen IKT-Aufwand anfordern.
- die hohe Zuwanderung und Gleichstellung von ukrainischen Staatsbürgern erfordert viele Umstellung im eGovernment, von der Einreisekontrolle bis zum Bürgeramt und Jobcenter.
- die Einführung der Ordnungsamts-App hat im Prinzip Entsorgungspflichten, die die BSR im Auftrag des Landes ausführt, bis in die Ordnungsämter hinein getragen. Erst in diesem Jahr wurde das geändert, indem die BSR nun selbst die Entsorgung wilder Abfallablagerungen zeitnah regelt.
- die Neuerungen beim berlinpass führen zu einer Überlastung der Sozialämter, weil diese u.a. QR-Codes manuell aufkleben müssen — eine krasse Fehlplanung mit vielen Auswirkungen.
„ePolitik-Audits“ mit journalistischen Mitteln könnten erstmals in Berlin auch weitere Fehlentwicklungen, Verbesserungen und Vereinfachungen im eGovernment aufklären — und im Zuständigkeitsmix unerkannte Hemnisse und Mängel offenlegen.
Mit dem Ablauf der Frist des Onlinezugangsgesetzes am 31.12.2022 ist es nun wichtiger denn je, den Blick auch auf konkrete Rückstände bei den Verwaltungsleistungen zu lenken, um spezifische Bedarfe, Bedrarfsänderungen und Hürden aus Sicht der Bürger*innen zu erkennen und zu verstehen.
eGovernment-Monitor 2022
Der eGovernment MONITOR gibt auch Aufschluss über Rückstände und digitale Nutzungslücken und das
verpasste Potenzial. — Je höher die digitale Nutzungslücke ist, desto mehr Bürger*innen wählen den
analogen anstelle des digitalen Weges. Ziel einer bürgerfreundlichen, modernen und digital aufgestellten Verwaltung muss es sein, diese Lücken zu schließen.
Der aktuelle eGovernment-Monitor 2022 gibt auch Aufschluß darüber, wie die einzelen 16 Bundesländer inzwischen im eGovernment aufgestellt sind — und führt die zentralen Ergebnisse des Jahres 2022 auf.
Mit ihren hohen Nutzungszahlen sind Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein bundesweit führend.
„Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind vergleichsweise gering, denn zwischen dem Land mit der höchsten und dem mit der niedrigsten Zufriedenheit liegen nur 9 Prozentpunkte. Die Mehrheit liegt nur einen Prozentpunkt über oder unter dem Mittelwert von 65 Prozent. Damit sieht es auf den ersten Blick so aus, dass die Bürger*innen das Online-Angebot ihrer Stadt oder Kommune in fast allen Bundesländern ähnlich gut beurteilen – ein erster wichtiger Schritt hin zu dem Ziel, bundesweit gleichwertige Verhältnisse zu schaffen.“
„Über die deutschen Bundesländer hinweg bilden die Stadtstaaten eine Klammer: Bremen und Hamburg führen in puncto Zufriedenheit analog zur hohen Nutzung (Seite 14) die Spitze an. Berlin hingegen belegt trotz seiner vergleichsweise hohen Nutzungszahlen bei der Zufriedenheit den letzten Platz.“
Der eGovernment MONITOR 2022 ist eine repräsentative Studie der Initiative D21 e. V. und der Technischen Universität München, durchgeführt von Kantar.
Prof. Dr. Sabine Kuhlmann von der Universität Potsdam, Lehrstuhl für Politikwissenschaften, Verwaltung und Organisation, zugleich Mitglied des Nationalen Normenkontrollrates, verweist auf die Bedeutung des eGovernments als Teil der „digitalen Daseinsvorsorge“:
„OHNE HOCHWERTIGE, NUTZER*INNENZENTRIERTE DIGITALE LEISTUNGEN SETZEN VERWALTUNG UND STAAT LANGFRISTIG IHRE AKZEPTANZ- UND ZUSTIMMUNGSWERTE AUFS SPIEL!“