Von Michael Springer
Es ist ein einzigartiger technologiepolitischer Skandal! Noch während eines noch laufenden EU-Projekts wird eine Ausgründung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), das die Basissoftware für das EU-Projekt ELITR stellt, vom US-amerikanischen Unternehmen Zoom aufgekauft, das obenderein nicht den hohen Datenschutzregeln der DSGVO unterliegt.
Das KIT ist nicht irgendein Institut, sondern eine von elf Excellenzuniversitäten und zugleich Forschungsuniversität in der Helmholtzgemeinschaft, die eine lange Tradition in der deutschen Großforschung nachweist.
Bei den beteiligten Forschungspartnern ist man erbost, denn hier wurde ein herausragendes Gemeinschaftsprojekt voran getrieben, das auch die wirtschaftliche Zukunft der beteiligten Unternehmen sichern sollte. Auch wurden beträchtliche Eigenmittel für das Vorhaben eingesetzt.
Im Rahmen des EU-Projekts ELITR (European Live Translator) entwickeln die Karls-Universität in Prag, die University of Edinburgh, das Karlsruher KIT, das italienische Unternehmen PerVoice und die deutsche alfatraining Bildungszentrum GmbH eine europäische, DSGVO-konforme Live-Übersetzung und Live-Transkription für Konferenzen und Videokonferenzen.
Das Projekt ELITR wurde mit Mitteln aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Union unter der Finanzhilfevereinbarung Nr. 825460 gefördert.
Das Projekt ELITR ist ein Schlüsselprojekt für die Zukunft Europas:
„The goal of the ELITR project is to remove the language barrier in communication within and among European citizens, companies, institutes and organizations at large assemblies like conferences, in smaller live discussions like workshops and in discussions held over long distance like formal or informal online meetings. Within the project, we will create automatic subtitling system of live meetings and conference presentations and provide the system of spoken language translation (interpreting). Furthermore, the project will design and implement automatic minuting, i.e. create structured summaries from automatic transcript of a discussion. We also aim to advance the state of the art to deliver machine translation of high-quality at the level of whole documents and to scale up to multilingual settings with dozens of source and/or target languages. The technologies will be tested by the Supreme Audit Office of the Czech Republic and alfaview®, a German online conferencing system.“
Statt der Agenda der EU-Kommission zu folgen, und die „europäische Lebensweise“ zu sichern, wird eine Schlüsseltechnologie und eine in der EU und in Deutschland entwickelte Software in die USA weiterverkauft.
Der gesamte Vorgang wirft viele Fragen auf, denn es ist nicht die erste Schlüsseltechnologie, die ausverkauft wurde, und nun die Konzernbilanzen weltweit agierender Konzerne nachhaltig verbessert.
Vor allem beim deutschen Partner alfatraining ist man sehr verärgert. Das deutsche Weiterbildungsunternehmen ist als Forschungspartner über dieses Vorgehen sehr verwundert und wird die Kommunikation mit dem KIT in Bezug auf ELITR umgehend einstellen und das Projekt mit den verbleibenden Forschungspartnern, der Karls-Universität in Prag sowie der University of Edinburgh, weiterführen. „Um das Projekt im Sinne des EU geförderten Forschungsprojekts fortzusetzen und zu einem positiven Ergebnis bringen zu können, werden wir eine DSGVO-konforme Software zur Live-Transkription und Live-Übersetzung einbringen und in alfaview® integrieren“, so Niko Fostiropoulos, Geschäftsführer von alfatraining und alfaview®.
Mit der DSGVO-konformen Videokonferenzsoftware alfaview® stellt alfatraining die Videokonferenzplattform zur Verfügung und forscht gemeinsam mit den Projektpartnern an verschiedenen Formen von Natural Language Processing (NLP) und automatisierter, multilingualer Transkription. alfaview® ist eine der besten Videokonferenzplattformen und wurde erst im Februar 2021 von der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit als einer der wenigen Anbieter mit den maximal zu erhaltenen vier grünen Ampeln ausgezeichnet. Sowohl auf der rechtlichen, als auch auf der technischen Ebene konnte alfaview® mit durchgehend grünen Ampeln punkten. Es wurden keine Mängel bei der Bewertung der Rechtskonformität festgestellt.
Aufgrund der geplanten Entwicklung mit Live-Übersetzung hat alfaview® nach wie vor das Potential zu einer „Weltanwendung“.
Insbesondere die Bundesregierung und die im Bundestagswahlkampf befindlichen Parteien müssen sich fragen, welchen digitalpolitischen Kompass sie haben, wenn sie trotz eigener Gesetzesinitiativen zum Datenschutz noch immer das Videokonferenz-System Zoom bevorzugen.