Dienstag, 19. März 2024
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Mauerpark: „außergewöhnliche
stadtpolitische Bedeutung“

Mauerpark - von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung!

/// Kommentar /// – Der Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Andreas Geisel (SPD) hat am 17.3. 2015 die Erweiterungsflächen für den Mauerpark zwischen Bernauer Straße und Gleimtunnel sowie die Flächen für ein neues Wohngebiet zwischen Gleimtunnel und Nordring zu einem Gebiet von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung nach § 9 AGBauGB erklärt.

Mauerpark - von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung!
Mauerpark – von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung!

Die Zuständigkeit für die Bebauungsplanverfahren 1-64aVE sowie 1-64b liegt jetzt bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt. Vorausgegangen waren eine amtsintere Beratungsrunde der Baustadträte, in der sich 7 Baustadträte gegen dieses Vorgehen ausgesprochen hatten. Erst danach erfolgte ein einstimmiger Beschluß des Rats der Bürgermeister, die der Vorlage nach § 9 AGBauGB folgten.

Eingriff in laufende Planverfahren und Bürgerbegehren

Mit dem Beschluß war ein Novum verbunden, weil hier durch die Verlagerung der Zuständigkeit ein nach Baurecht laufendes Verfahren zur Planauslegung und Öffentlichkeitsbeteiligung unmittelbar nach Ende der öffentlichen Auslegung vom Bezirk zur Senatswerwaltung verlagert wurde. Wenigstens 39.000 Einwendungen, die an das Bezirksamt Mitte als planauslegende Stelle adressiert waren, sind nun „freischwebend im Raum“, denn das laufende Verfahren wurde nicht durch das zuständige Bezirksamt Mitte für „beendet“, „aufgeschoben“ – oder „abgegeben“ erklärt.

Formalrechtlich steht eine im Sinne des Baurechts rechtswirksame Übernahme des Planverfahrens noch aus.

Öffentliche Vorfestlegungen des Stadtentwicklungssenators

Stadtentwicklungsenator Geisel hat inzwischen mehrfach öffentliche Erklärungen abgegeben, wonach er eine Bebauung der in Frage stehenden Baufläche anstrebt. Er zog dafür auch öffentlich einen „wohnungspolitischen Gemeinwohlbegriff“ aus dem Hut, der mit den gesetzlichen baurechtlichen Abwägungsgeboten im Planverfahren unvereinbar ist.

Da Geisel schon öffentlich vorgesprescht war, ohne dass seine Verwaltung Einblick in den ausgelegten Vorhabenplan und in die über 39.000 Einwände zum Planverfahren genommen haben konnte, wird er als Stadtentwicklungssenator noch eine böse Überraschung erleben, weil der ausgelegte Bebauungsplan (VE) schon aus technischen Gründen gar nicht genehmigungsfähig ist.

Gleichzeitig wurde durch die Verlagerung der Zuständigkeitsebene ein laufendes Bürgerbegehren der Gegner einer Mauerpark-Bebauung mitten im Ablauf abgebrochen, und durch fragwürdige Beschlüsse des Bezirksamtes für unwirksam erklärt.
Damit ist ein zweiter schwebender Zustand eingetreten, für den noch eine politisch und rechtliche Bewertung aussteht. Noch ist nicht ganz klar, ob die Vertreter der Mauerpark-Allianz eine Klage darüber vorbereiten.

Außergewöhnliche stadtpolitische Bedeutung

Mit dem Beschluß nach § 9 AGBauGB, das Gebiet des Mauerparks zu einem Gebiet von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung zu erklären, ist das Thema Mauerpark nun unmittelbar auf Senatsebene gerückt worden, und muß nun auch entsprechend der städtebaulichen Bedeutung behandelt werden.

Tatsächlich handelt es sich auch um eine Fläche von außergewöhnlicher „städtebaulicher Bedeutung“: sie ist als Grünfläche im Flächennutzungsplan gesichert, sie liegt in Innenstadtbezirken mit höchster Siedlungsdichte (bis 16.000 Einwohner/km²) und mit massiven Freiflächendefiziten. Zugleich ist es auch eine stadtklimatische Ausgleichfläche in einer Stadt, deren Senator für Stadtentwicklung bereits Klima-Prognosen auf dem Tisch hat, die ein trockenes und heißes Klima wie im heutigen Rom voraussagen.

Für Stadtentwicklungssenator Geisel wird das gesamte Planverfahren Mauerpark in den nächsten Monaten viel Arbeit, viel neue Erkenntnisse und vor allem zahlreiche Probleme bringen, die schon jetzt den Umriss eines großen Bauskandals annehmen können.
Vor allem muß auch die Frage gestellt werden, ob die Fläche überhaupt als vorhabenbezogener B-Plan behandelt werden kann.

Außergewöhnliche politisch-moralische und rechtliche Bedeutung

Die außergewöhnliche stadtpolitische Bedeutung ergibt sich, weil der städtebauliche Vertrag mit dem denkwürdige Wechsel des ehemaligen CA Immo AG-Managers Hendrik Thomsen zur Groth-Gruppe verbunden ist. Diese ist durch den Vertrag wirtschaftlich begünstigt – ohne EU-weite Ausschreibung und ohne ausreichende parlamentarische Zustimmung und Kontrolle.

Die abenteuerlichen Umstände der Vertragsunterzeichnung im Frühsommer 2012, zwischen dem damaligen Stadtentwicklungssenator Michael Müller und weiteren Mitzeichnern im damaligen Senat, begründen einen dritten „Schwebezustand“, der erst beendet wird, sobald Investor Groth einen Plan-Aufstellungsbeschluß bekommt.

Erst wenn das Planverfahren durch eine Beschlußfassung endet, sind grundlegende rechtliche Einwände im Wege der Normenkontrolle möglich. aber auch Tatbestände der Begünstigung, Vorteilsnahme und grundlegende Rechtsverstösse gegen das Planungs- und Verwaltungsrecht sind bis jetzt nur „vorbereitet“ – noch nicht vollzogen und vollendet.

Ein Plangebiet – drei Schwebezustände

Stadtentwicklungsenator Geisel hat nun „drei Schwebezustände“ und ein grundlegendes Dilemma auf dem Tisch:

– über 39.000 Einwände sind zu bearbeiten
– ein abgewürgtes Bürgerbegehren ist politisch und rechtlich zu vertreten
– ein Planverfahren ist abzuschliesen, das problematische Rechtsverstössen wirksam werden lässt.

Er steht vor der Frage, ob er den Bauskandal Mauerpark „unter der Decke“ halten kann, oder ob er sich als SPD-Senator und „Stadtentwicklungssenator“ für alle Bürger der Metropole Berlin „ehrlich machen kann“, und die angelegten und vorbereiteten Rechtsverstösse nachträglich heilen kann, bevor sie rechtswirksam werden.

Die „außergewöhnliche stadtpolitische Bedeutung“ ergibt sich auch deshalb, weil hier ein allzuenges Verhältnis zwischen Politik, Verwaltung und Investoren bzw. Handlungsbevollmächtigten im Spiel ist, in dem auch persönliche Vorteile, Geschäfte und Karriere-Interessen miteinander vermengt wurden.
Es könnte auch sein, dass sich die Beteiligten mittlerweile in einem unauflösbaren politisch-moralischen Gefangenendilemma befinden, das nur aufgelöst werden kann, wenn die Umstände rechtzeitig vor Planaufstellungsbeschluß offengelegt werden.

Die „außergewöhnliche stadtpolitische Bedeutung“ betrifft auch das Verhältnis von Bürger und Rechtsstaat – das im Planverfahren nun auf dem Spiel steht.

Stadtentwicklungsenator Geisel hat nun vermutlich das einzig Richtige getan, und das Planverfahren Mauerpark in all seinen „außergewöhnlichen stadtpolitischen Bedeutungen“ und Problemen auf den eigenen Tisch gezogen.

Die Behandlung des Themas Mauerpark als Gebiet von „gesamtstädtischer Bedeutung“ steht noch aus, und vielleicht liegt auch genau in diesem Thema der Schlüssel für ein Abwenden eines Bauskandals von „stadthistorischer Bedeutung“. Noch ist es nicht zu spät!