Regine Günther, Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, hat am 4. August 2017 den ersten Referentenentwurf des neuen Mobilitätsgesetzes vorgelegt, das Mobilität in Berlin künftig umwelt- und klimafreundlich gestalten soll. Die Senatorin hob dabei die bekannten Ziele der Verkehrswende hervor, die man sich mit dem neuen Gesetzwentwurf auf die Fahnen schreibt:
„In einer wachsenden Stadt muss sichergestellt sein, dass allen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern eine adäquate Infrastruktur zur Verfügung steht“, sagte Regine Günther. „Der Referentenentwurf stärkt den ÖPNV und den Radverkehr und damit das Verkehrssystem insgesamt. Je mehr Menschen auf Bus, Bahn oder Fahrrad umsteigen können und wollen, desto schneller kommen auch die voran, die auf das Auto angewiesen bleiben.“
Der Referentenentwurf ist unter der Leitung von Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger Kirchner gemeinsam mit Vertretern von ADFC und Initiatoren des Volksentscheid Fahrrad und Verkehrexperten im „Dialog Radverkehr“ erarbeitet wurde.
Verkehrswende: „Menschen- und stadtgerechter Verkehr“
Der Kern der Verkehrswende ist im Referenten-Entwurf nicht explizit sondern verklausuliert formuliert worden. So sind etwa im „Abschnitt 1: Zielorientierte integrierte Mobilitätsgewährleistung für Berlin“, „Verkehrsmittelübergreifende Ziele“ formuliert worden, wie „Mobilität für Alle“ und „Menschen- und stadtgerechter Verkehr“. Mit diesem Ansatz für eine „inklusive Mobilität“ wird künftig die bisherige Politik der „autogerechten“ Stadt abgelöst.
Rechtssystematisch wird damit das Leitbild von der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, und des „Individuums mit seinem Verkehrsmittel“ (Auto) vom Leitbild der „verkehrsmittelübergreifenden Mobilität“ des Stadtbewohners vorbereitet.
Angesichts des Umweltverbrauchs, des Platzbedarfes und der Ineffektivität des automobilen Individualverkehr führt auch kein Weg an diesem Paradigmenwechsel vorbei. Insofern bereitet der Referentenentwurf zum Mobilitätsgesetz die Verkehrswende in der Stadt auch als „großen Wurf“ vor.
Drei Teile von geplanten fünf Teilen liegen nun vor
Der Entwurf des Mobilitätsgesetzes besteht aus zunächst drei Bausteinen: Allgemeine, verkehrsträgerübergreifende Ziele stehen im ersten Teil. Der zweite Teil behandelt den ÖPNV. Der dritte Teil regelt den Radverkehr.
Noch in Bearbeitung befinden sich die Teile zum „Fußverkehr“ und „Intelligenter Mobilität“, die den Umweltverbund der Verkehrsmittel, Carsharing und Digitalisierung etc. betrifft.)
Beim Autoverkehr ist man zurückhalten: dieser ist umfassend in der Straßenverkehrsordnung, im Berliner Straßengesetz und in bundesweit geltenden Richtlinien geregelt. Das Integrierte Wirtschaftsverkehrskonzept wird in den allgemeinen Teil aufgenommen.
Wichtig ist der Schritt, einr integrierten mobilitäts- und Verkehrsentwicklungsplannung anzustreben, denn Vernetzung und Synergien müssen künftig bei der verkehrsmittelübergreifenden Mobilität in den Fokus genommen werden.
Das Mobilitätsgesetz bildet daher die verbindliche Grundlage für den Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr (StEP Mobilität und Verkehr) und für alle anderen Planwerke. Künftig ist nicht nur der Nahverkehrsplan gesetzlich verankert, sondern auch die anderen Planwerke wie der Rad-Verkehrsplan, die Fußverkehrsstrategie und das Integrierte Wirtschaftsverkehrskonzept.
Abschnitt 3: Entwicklung des Radverkehrs
Der dritte Abschnitt betrifft den Teil, der immer fälschlich mit dirigistischen Unterton als „Radverkehrsgesetz“ tituliert wird. Tatsächlich geht es um eine Förderung des Radverkehs als umweltfreundlichen Teil des Stadtverkehrs und „Besondere Ziele der Entwicklung des Radverkehrs (§36)“ definiert.
So gibt es „Vorgaben zur Erhöhung der Verkehrssicherheit im Radverkehrs (§38), wonach im ersten Jahr nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zehn, im Folgejahr zwanzig und danach jährlich dreißig der für Radfahrende gefährlichsten Knotenpunkte so verändert werden, dass die Gefahrenquellen beseitigt und eine Erhöhung der Verkehrssicherheit sichergestellt ist.“ Weiter heisst es: „Die Auswahl der Knotenpunkte bestimmt sich nach der Verkehrsunfallstatistik des Polizeipräsidenten in Berlin zu Verkehrsunfällen von Radfahrenden sowie nach weiteren objektiven Erkenntnisquellen.“
Warum man sich damit ein weiteres Jahr Zeit lässt, um längst mögliche Veränderungen durch Fahrbahnmarkierungen und Ampelregelungen zu beginnen, ist allerdings schleierhaft. Es wäre ein böses Zeichen, wenn man dies erst von „Neueinstellungen“ abhängig machen will.
Das Gesetz sieht ferner die Erstellung eines Radverkehrsnetzes vor, dessen Netzplan innerhalb von einem Jahr zu erarbeiten ist (§ 42). Es soll lückenlose Verbindungen ermöglichen und besteht aus folgenden Elementen: Radverkehrsanlagen (d.h. geschützte Radstreifen, Radwege und Radstreifen) an Hauptverkehrsstraßen; Fahrradstraßen, klar gekennzeichnete und für den Radverkehr qualifizierte Nebenstraßen, Radschnellverbindungen und Radfernwege. Das Radverkehrsnetz soll bis 2030 fertig ausgebaut sein.
Ein Teil des Radverkehrsnetzes wird als Vorrangnetz definiert, das aus besonders wichtigen Verbindungen besteht (§ 43). Das Vorrangnetz soll über besonders hohe Standards verfügen und prioritär ausgebaut werden.
An allen Hauptverkehrsstraßen sollen Radverkehrsanlagen erstellt werden, die so breit sind, dass Radfahrende sich gegenseitig sicher überholen können (§ 44). Radverkehrsanlagen sollen so gestaltet sein, dass unzulässiges Halten und Parken von Fahrzeugen unterbleibt. Wo der Straßenraum dafür geeignet ist, soll dies durch geschützte Radstreifen erfolgen. Details werden in den Vorgaben für den Radverkehrsplan festgelegt und in den Radverkehrsplan übernommen.
Weitere geplante Maßnahmen
Fahrradstraßen und Nebenstraßen im Radverkehrsnetz sollen weiter ausgebaut werden. Mindestens 100 km Radschnellverbindungen mit einer Mindestlänge von fünf Kilometern sollen errichtet werden.
In § 47 wird die Öffnung von Einbahnstraßen und Sackgassen für den Radverkehr geregelt.
50.000 Fahrradabstellanlagen an Haltestellen von Bus und Bahn sowie weitere 50.000 Fahrradabstellanlagen im öffentlichen Raum, insbesondere an sozialen und kulturellen Einrichtungen, an Schulen und Einzelhandelseinrichtungen sollen bis zum Jahr 2025 eingerichtet werden.
Sichere Fahrradabstellplätze
An wichtigen Regionalbahnhöfen und Haltepunkten des öffentlichen Personennahverkehrs sollen innerhalb von 5 Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes Fahrradparkhäuser und Fahrradstationen erstellt werden. Fahrradstationen sind Einrichtungen zum gesicherten Abstellen von Fahrrädern in geschlossenen Räumen, mit Vermietung von Fahrrädern sowie Serviceleistungen für Fahrräder. Ein Fahrradparkhaus ist eine überdachte bauliche Anlage zum Abstellen und Anschließen von Fahrrädern.
Bessere Transparenz, Öffentlichkeitsbeteiligung und Berichterstattung
Um für größere Transparenz zu sorgen, berichtet die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz der Öffentlichkeit jährlich über den Stand der Umsetzung der Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs (§ 37, Abs 9). Darüber hinaus werden die Ergebnisse der Evaluation und des Monitorings des Radverkehrsplans vor der Fortschreibung dem Abgeordnetenhaus vorgelegt (§ 40, Abs. 6). Die Öffentlichkeitsbeteiligung soll verbessert werden, sogenannte FahrRäte sollen auf Bezirksebene eingerichtet werden.
Die Veröffentlichung des Referentenentwurfs zum Möbilitätsgesetzt ist zugleich Startsignal für das informelle Beteiligungsverfahren. Zunächst beginnt die informelle Abstimmung mit den beteiligten Senatsverwaltungen, Bezirken und Verbänden. Anschließend soll der Entwurf das reguläre Gesetzgebungsverfahren durchlaufen.
Überarbeitung und Novellierung des Mobilitätsgesetzes
Zwei wichtige Themenbereiche des Mobilitätsgesetzes sind angesprochen, sollen jedoch erst später erarbeitet und eingefügt werden:
– Abschnitt 4: Entwicklung des Zufußgehens und der Aufenthaltsqualität von Straßen und Plätzen
– Abschnitt 5: Intelligente Mobilität
Beide Abschnitte sollen mit einer Novellierung in 2018 eingefügt werden und werden daher im ersten Gesetzentwurf nicht verwendet.
Für Fußgänger in der Stadt wäre zum Beispiel auch die Sicherheit auf Fu0- und Gehwegen besonders wichtig, und eine Abgrenzung zum Radverkehr. Zu bedenken sind auch Regeln an Bushaltestellen und Tramhaltestellen, bei denen es schon heute Konflikte mit dem Radverkehr gibt. Zum Thema „Intelligente Mobilität“ sind eine Vielzahl von Technologien und Lösungsmöglichkeiten vorhanden, bei deren Umetzung und Verbreitung es eine Abstimmung mit der BVG geben muss.
Die Vorstandsvorstzende der BVG. Dr. Sigrid Evelyn Nikutta hatte schon auf der letzten Konferenz zur Elektromobilität die Absicht bekannt gegeben, künftig in größeren Maßstab in das autonome Fahren einzusteigen. Ein erstes Pilotprojekt läuft 2018 auf dem Campus der Charité an, das vorsichtshalber noch im „halböffentlichen Raum“ erprobt wird.
Weitere informationen:
Entwurf zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mobilitätsgewährleistung –
Berliner Mobilitätsgesetz – PDF-Link