Ein Gedicht von Alexander Mitscherlich sollte die Perspektive unserer heutigen politischen und familiären „Helikopter-Pädagogik“ auf die „Pankower Spielplatzkrise“ verändern:
„Der junge Mensch braucht seinesgleichen
– nämlich Tiere, überhaupt Elementares,
Wasser, Dreck, Gebüsche, Spielraum.
Man kann ihn auch ohne dies alles aufwachsen lassen,
mit Teppichen, Stofftieren oder
nur auf asphaltierten Straßen und Höfen.
Er überlebt es, doch Man soll sich dann nicht wundern,
wenn er später bestimmte soziale Grundleistungen
nie mehr erlernt…“
Doch wo finden Kinder Räume für ihre unmittelbaren Naturerfahrungen? Wachsen Kinder aus dem dicht bebauten Prenzlauer Berg überhaupt noch mit Naturkontakt auf? Oder ist dies den Kindern mit Eigenheim-Gärten und Kleingärten vorbehalten, und jenen Kindern in den Stadtrandsiedlungen mit Zugang zur freien Natur und zu wilden Stadtbrachen?
Was passiert mit jenen Kindern, die in lebenswichtigen Lernphasen und knappen Familien-Freizeiten vor Baustellen-Gitterzäunen stehen, die rund um abgesperrte Spielplätze aufgebaut werden? Entsteht hier ein unersetzbarer Verlust in der kindlichen Bildungsbiografie? Oder ist es sogar besser für die Intelligenz- und Gehirnentwicklung, wenn Kinder Natur nur noch medial, per Smartphone digital und virtuell – oder per Augmented Reality erfahren?
Im Familienhandbuch des bayerischen Staatsinstituts für Frühpädagogik schreibt die Psychologin Elke Leger:
„Bei seiner Geburt bringt das Kind die Neugier auf seine natürliche Umgebung mit auf die Welt. Es liebt Wasser, Matsch und Modder, Blumen, Stöckchen und Steine, will sich bewegen, klettern, toben. Es liebt die Sonne und den Schnee, spürt gern den kalten Wind auf seinem Körper und weigert sich entschieden, die Jacke anzuziehen, die die fürsorgliche Mutter ihm reicht. Es liebt Tiere, für die es verantwortlich sein darf und mit denen es Zwiesprache halten kann. Es liebt den Wald mit seinen geheimnisvollen Düften nach nassem Laub und Pilzen und den Versteck-Plätzen zwischen tief hängenden Zweigen. Es möchte die Natur spüren, weil es noch eins ist mit ihr. Wie wenig Rücksicht nimmt unsere moderne Welt auf dieses Bedürfnis!“
Kinder haben dennoch Spielmöglichkeiten in der Stadt, wenn Sie Kindergärten, Horte und Schulen besuchen. Aber in der freien verfügbaren Familienzeit, in der Freizeit, wird ein gesperrter Spielplatz zum „kollektiven Trauma“ für Kind, Eltern und Familien. Auch der Aufbau nachbarschaftlicher Freundeskreise wird gestört.
Es entsteht ein psychologischer, unbezifferbarer Schaden, der sich auch in der laufenden Bildungsbiografie der Betroffenen unsichtbar niederschlägt – und im Familienleben.
Fachpolitische Verantwortung für Spielplätze
Inzwischen sind über 40 der 212 öffentlichen Spielplätze in Pankow ganz oder teilweise gesperrt. Über 160 Spielplätze sind dabei schon in einem Zustand, der Sanierungsreife erkennen lässt – dies sind Zahlen der „JA! Spielplatz!! Elterninitiative Weißensee.
Dies geschieht in langjähriger politischer Verantwortung von rot-grüner Politik und bündnisgrüner Fachverantwortung in der Abteilung Stadtentwicklung und beim Grünflächenamt. Und es geschieht entgegen jedweder politischen Programmatik, die Kindern und Bildung „haushaltspolitische Prioritäten“ einräumt.
Pankower Spielplatz-Krise ist strukturell verursacht, und hat mit kommunalpolitischen Eigenheiten und nicht überprüften Grundauffassungen zu tun. Lange Zeit hat sich die Pankower Bezirkspolitik mit „fehlenden Haushaltsmitteln“ als „Konsolidierungsbezirk“ heraus geredet. Doch andere Berliner Bezirke haben bei ihren Spielplatz-Ausstattungen vorbildlich gewirtschaftet und unter ähnlichen Rahmenbedingungen ihre Spielplatz-Investitionsplanungen im Griff behalten.
Charlottenburg-Wilmersdorf, Neukölln, Reinickendorf, Spandau und Treptow-Köpenick gelten als vorbildlich. In Steglitz-Zehlendorf wird sogar eine stetige Spielplatz-Inspektion mit einer festen Mitarbeiterin durchgeführt, die bei jedem kleinsten herausstehenden Nagel einen kleinen Reparatur-Trupp des Grünflächenamtes in Gang setzen kann. In Spandau wurden 2008 die Spandauer Spielplatztage vom damaligen CDU-Stadtrat Carsten Röding initiert. Motto der Aktion „Raum für Kinderträume.“
Inzwischen hat sich daraus ein großer Public-Private-Partnership-Projekt zur Finanzierung von Spielplätzen entwickelt. Die 10. Spandauer Spielplatztage hatten im Mai insgesamt 20 Spielplatzfeste mit Unterstützung von ehrenamtlichen Spielplatzpaten und Sponsoren veranstaltet.
Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) hatte sich jüngst im Juni auch kritisch zur Pankower Spielplatz-Problematik geäußert. Er sieht wenigstens fünf Berliner Bezirke, die ihre Kinderspielplätze in Ordnung halten, wie der Newsletter des Tagesspiegel berichtete.
Was läuft in Pankow schief?
Abenteuer-Spielplätze sind in Pankow bisher vorbildlich über Träger wie das Netzwerk Spielkultur e.V. ausgebaut worden, der mehrere Abenteuerspielplätze betreibt, und dabei eine Regelförderung als Träger genießt. Die politische Biographie des ehemaligen Stadtrates Jens-Holger Kirchner ist eng mit diesem Träger verbunden. Mit dem landeseigenen Kita Träger Kindergärten NordOst sind die Verantwortlichkeiten für Kita-eigene Spielplätze ähnlich abgedeckt.
Im Kiez sind Kinderläden, private Träger und Tagesmütter aber auf öffentliche Spielplätze angewiesen. Sie haben im Prinzip keine ausreichende Lobby in Pankow, um für eine stetige Investitionsplanung und Spielplatz-Unterhaltung einzutreten.
Die Bezirkspolitik hat daher in der Vergangenheit eine „Einzelprojekt“-Politik betrieben. Neue Spielplätze und Sanierungsvorhaben wurden nach Haushaltsanmeldung als „Einzelinvestitionen“ voran gebracht. Dabei sind Quartiere mit Städtebauförderung besonders gut bedient worden. Doch für die Zeit nach dem Auslaufen von städtebaulichen Förderprogrammen wurde keine ausreichende „Programmvorsorge“ getroffen.
Außer Acht blieb, dass Spielplatzausstattungen einem hohen Verschleiß unterliegen. Viele Spielgeräte sind schon nach sechs Jahren „kaputtgespielt“, oder durch Vandalismus beschädigt.
Die Pankower Parteien sind obendrein personell zu schwach aufgestellt, zu weit in den örtlichen Gliederungen zersplittert, als dass sie bezirksweite Spielplatz-Programme und Förderkulissen aufbauen können. In der Folge werden Stadträte überfordert, zumal wenn es galoppierenden Bestandsverfall gibt.
Natur, Gartenkunst und Materialwahl
Mit durchaus lobenswerten pädagogischen Ansätzen wurden über Jahre neue Spielplätze mit Spielgeräten aus Holz, Holzskulpturen und sogar Bambuszäunen ausgestattet, wie etwa auf dem Spielplatz Kopenhagener Str./Rhinower Straße. Dabei wurden auch handwerkliche „gartenkünstlerische“ Fehler gemacht, denn Verschattung und fehlende Exposition zur Sonne sorgen für Algenbildung, Dauerfeuchte und Verrottung bei Holzoberflächen und Naturmaterialien. Wenn man sich heute ein Gesamtbild verschafft, so fallen reihenweise Spielgeräte und Kletterkombinationen aus der Nutzung heraus, die durch intensive Nutzung, Verwitterung und Bauteilschwächen und konstruktive Schwachstellen zum Sicherheitsproblem werden.
Schon in der auslaufenden Amtszeit von Stadtrat Kirchner hat man daher umgesteuert, und beschafft verstärkt stabilere Spielgeräte aus Edelstahl und Hartkunststoffen.
Fehlende Programmierung von Infrastrukturplanungen
Kiezpolitik und örtliche Parteigliederungen und Anwohnerinitiativen treten nur für Einzelprojekte ein, und lenken mit ihrem Druck die überforderte Politik in aktionistische Planungen, wo längst eine Programmierung und Aktivierung der Bürgergesellschaft nötig ist. Der Spielplatz im Thälmannpark wurde seit der Wende wenigstens drei Mal neu gestaltet – zu letzt mit einem gewaltigen Aufwand, um Baufehler auf Altlastenboden zu beseitigen.
Die bestausgestatteten Spielplätze in Pankow befinden sich heute in jenen Kiezen in Prenzlauer Berg, die von grünen Wählern, Helikopter-Eltern und „Zucker-Dealern“ mit Süßigkeiten-Läden, Kindercafés und Eiscafés geprägt sind.
Überdies wendet die Pankower Baupolitik überdurchschnittlich Mittel zur Umgestaltung von öffentlichen Straßenland auf: der Umbau der Kastanienallee und Pappelallee hat Mittel gebunden. Bei Gehwegvorstreckungen wird teuer mit Granitborden gebaut, statt Spielplätze zu sanieren, und kostensparend Straßenmarkierungen einzusetzen.
Die Pankower Bezirkspolitik ist zudem durch einen „staatlichen Etatismus“ geprägt, der parteiübergreifend noch auf ideologische
Vorprägungen der DDR-Zeit zurück geht.
Initiativen wie in Spandau, wo Firmenvereinigungen mit 700 Firmen die Kommunalpolitik unterstützen, existieren in Pankow praktisch nicht – und sind noch immer undenkbar!
Besonders ärgerlich: Bauinvestoren werden immer zuerst für Schulinfrastruktur, Kitaplätze in Anspruch genommen, Aufgaben die aber zu gesetzlichen kommunalen Pflichtaufgaben gehören. Richtig wäre es, in unterversorgten Gebieten auch Ausgleichszahlungen für die Instandsetzung von Spielplätzen einzufordern.
Schlimmstes Versäumnis ist die fehlende finanzpolitische Programmierung und Ko-Finanzierung von bestehenden Förderprogrammen und Fehlleitung von Bundesmitteln. So hat etwa SPD-Familienministerin Manuela Schwesig jährlich über 130 Mio. € für die Kampagne „Demokratie-Leben“ finanziert, bei der hohe Aufwendungen in die Finanzierung von Plakatwänden, Werbeagenturen und US-Internetunternehmen geflossen sind, statt in direkte „integrationsfördernde Spielplatzprojekte“!
Fehlende Kofinanzierungen in Pankow sorgen für schwarze Nullen beim Bund
2017 wurden die bereitgestellten Finanzhilfen des Bundes für das Förderprogramm „Soziale Stadt“ auf 190 Mio. Euro erhöht. Im Rahmen der Städtebauförderung wird das Programm „Soziale Stadt“ als Leitprogramm der sozialen Integration fortgeführt und bildet die Grundlage für die ressortübergreifende Strategie „Soziale Stadt“. Doch wie hoch sind die Haushaltsanmeldungen für derartige Programmme? Wer plant vor und wer stellt rechtzeitig Anträge? Wurde schon ein Antrag beim „Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen in Deutschland (EHAP)“ gestellt, etwa um barrierefreie und inklusive Spielgeräte zu beschaffen, und einen inklusiven Spielplatz zu gestalten?
Die Pankower Spielplatzkrise ist zugleich Zeichen einer Überforderung der in der Regel ehrenamtlich geführten Parteien in der ebenfalls ehrenamtlich besetzten Bezirksverordnetenversammlung. Wieso bezahlen die Fraktionen und Wahlkreisabgeordneten geschäftsführende MitarbeiterInnen, und niemand befasst sich mit „Fördermittel-Monitoring“ und „Public-Private-Partnership“ Aktionen? Die Parteien stehen im Verdacht, sich allein selbst zu genügen! Sie agieren offensichtlich nicht mehr selbstständig proaktiv – sondern nur auf Problemdruck und Bürgerinitiativen. Die BürgerInnen opfern nun Freizeit, um den Parteien Beine zu machen, wie etwa die Elterninitiative Weißensee!
Neue Initiativen der Politik sind gefragt
Die kommunalpolitische „rot-rot-grüne“ Standard-Ausreden-Kommunikation trägt nicht mehr! Selbst wenn sie nun von Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (B‘90/Grüne) kommt „Pankow hatte 15 Jahre lang am meisten Personal abzubauen. Ein Schwerpunkt war der Grünanlagenunterhalt inklusive Spielplätze – obwohl hier gerade die Zahl der Spielplätze mit am höchsten ist.“ Auch Ansagen, die mit einem „Verschiebewort“ beginnen, sind obsolet, wenn etwa der Stadtrat deshalb langfristig „ausreichend Personal und Mittel im Haushalt“ für die Spielplatzplanung fordert. Was für ein Quatsch! Wenn es im Bezirksamt kein Personal gibt, kann man Planungsbüros und Landschaftsarchitekten beauftragen! Nur der Etatismus im Kopf muss dazu vorher besiegt werden!
Tatsächlich hatte die Pankower Politik seit 28 Jahren Zeit, angemessene kommunale Strategien für die 16.größte Stadt Deutschlands zu entwickeln! Auch in der Konsolidierungpolitik kann man klug investieren und Kofinanzieren.
Inzwischen gibt es eine paradoxe Situation: vor Ort in Pankow verfällt die Spielplatzinfrastruktur und im Bundeshaushalt gibt es eine „schwarze Null“, weil Fördermittel und bereitgestellte Investitionen nicht abgerufen werden. Die PankowerInnen und Eltern können nun in einen Paradefeld der Politik beobachten, dass auch über eine Dekade wechselnder Rot-Grüner und Rot-Rot-Grüner Mehrheiten nicht vor systemisch herbeigeführten Problemlagen schützt!
Neuausstattung des Spielplatz auf dem Wasserturmplatz in Prenzlauer Berg:
– Wasserspielanlage mit Wasser-Matsch-Tisch und einem Auslauf über Blöcke aus Natur-Sandstein
– große Sand-Geräte-Spielplatzfläche mit zwei Spiel-Kletter-Kombinationen „Dreiecksplattform“ & „Sechseckplattform“
– ein Kleinkarussell, eine Maltafel, eine Kleinkind-Doppelschaukel,
– die Doppelschaukel „Möwe“ für ältere Kinder,
– ein großer Sandbagger,
– drei Federwipptiere für Kleinkinder,
– Memoriespiel „Merk Dir was“,
– das Drehspielgerät „Drehmännchen“
– Kleinkindspiel-Hüttenkombination und das Kleinkindspielhaus „Kleines Pfahldorfhaus“
– Pyramiden-Kletterturm-Anlage mit Rutsche
– große Drehscheibe
– Streetball-Platz mit lärmdämmender Kunststoff-Spiel- und Fallschutz-Belag
– Streetball-Ständer mit einem besonders lärmarmen Ballfangkorb
– Ballfangzaun
– umfangreiche Erneuerung von Platten- und Wegeflächen.
Neun Monate Bauzeit – Bausumme rund 360.000 Euro inklusive der Planungskosten
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Die Pankower Allgemeine Zeitung und die anderen Betirkszeitungen starten im August das Berlin-Funding. Erste Meldungen von interessierten Trägern aus anderen Bezirken liegen schon vor! Eine der Fundraising-Themen: inklusive Spielgeräte.
Mehr dazu unter: Berlin-Funding