/// Kommentar /// – In der Sitzung des Berliner Senats am 16. Juni 2015 wurde das neue „„Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung“ aus der Taufe gehoben. Es soll die gute alte „Mietwohnungs-Monopol-Politik“ in Berlin etwas sozialer aussehen lassen – und fortsetzen. Senator Geisel will damit seine Partei für die bevorstehenden Wahlen im Jahr 2016 positionieren.
Zugleich soll so der Initiative des Mietenvolksentscheids der Wind aus den Segeln genommen werden. Deren Sprecher Rouzbeh Taheri ist auch schon in die Falle getappt, als er vorschnell bewertete, „… es sei ein Schritt in die richtige Richtung“.
Was sieht das neue Modell vor?
„Das „Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung“ legt mit der Vergabe von Neubauprojekten in den städtebaulichen Verträgen eine Quote von 25 Prozent für mietpreis- und belegungsgebundene Wohnungen fest. Darüber hinaus werden Investoren bei der Entwicklung von Wohnbauprojekten an den Kosten für die technische und soziale Infrastruktur beteiligt. Sie leisten damit einen Beitrag zur Verbesserung der Wohnraumversorgung in Berlin,“ heißt es in der Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Stadtentwickkung und Umwelt.
Was sind die Bedingungen des Modells?
Das „Berliner Modell“ sieht die Einführung eines festen Anteils von 25 Prozent mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnraums bei Neubauprojekten vor.
Andreas Geisel, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt: „Ich freue mich, dass der Senat heute das ,Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung‘ bestätigt hat. Die Bereitstellung technischer und sozialer Infrastruktur ist für das Funktionieren unserer Stadt von großer Bedeutung. Wir brauchen mehr bezahlbare Wohnungen, und das überall in der Stadt. Das ,Berliner Modell‘ ist ein Instrument, dieses Ziel zu erreichen.“
Auch ein Verfahren ist vorgesehen, ein Tool soll helfen, mit kleiner Verwaltungskapazität schnell zu genehmigen und zu bauen:
„Das zugehörige Verfahren wird angewendet, wenn für die Realisierung eines Vorhabens ein Bebauungsplan aufgestellt oder wesentlich geändert und auf dessen Grundlage ein städtebaulicher Vertrag geschlossen wird. „Dabei können dem Investor ausschließlich jene Leistungspflichten auferlegt werden, die Voraussetzung oder Folge seines Vorhabens sind. Dazu zählen insbesondere die Erschließung der Fläche, die Herstellung von Grünanlagen sowie die Bereitstellung von zusätzlichen Plätzen in Kindertageseinrichtungen und Grundschulen. Darüber hinaus sollen – im Regelfall unter Inanspruchnahme von Fördermitteln des Landes Berlin – auch Mietpreis- und Belegungsbindungen für preiswerten Wohnraum vereinbart werden. Die im städtebaulichen Vertrag vereinbarten Leistungspflichten sind insgesamt angemessen, wenn die Kosten für den Investor den planungsbedingten Bodenwertzuwachs nicht übersteigen.“
Berechnungstool soll helfen
„Mithilfe eines standardisierten Berechnungsverfahrens wird der aus dem jeweiligen Vorhaben resultierende Bedarf ermittelt. Dadurch wird das Verwaltungshandeln in Berlin bezüglich des Abschlusses städtebaulicher Verträge für Wohnungsbauprojekte vereinheitlicht und es wird transparenter. Investoren gewinnen somit ein höheres Maß an Investitionssicherheit.“
Wie wirkt sich das Berliner Modell aus?
Experten schätzen, das Modell können für etwa 50 Liegenschaften angewendet werden. Die Bereitstellung eines zinslosen Darlehens in Höhe von 64.000 € wird bereits als Förderung bereit gestellt. Doch die üblichen Verdächtigen unter den Berliner „Investoren“ rechnen mit Kostenmieten von 11 € bei Neubauprojekten. Vom Verband Berlin-Brandenburger Wohnungsunternehmen gab es auch gleich Protest. Verbandsgeschäftsführerin Maren Kern ist vor allem besorgt, weil die Kosten für Kitas, Infrastruktur und kostengünstige Wohnungen im Gesamt-Projekt mitfinanziert werden müssen. Auch reicht ihr die aktuelle Förderung nicht aus.
Gebaut wird von den üblichen Verdächtigen
Vor allem die landeseigenen Wohnungsgesellschaften haben sich mit den Baukrediten versorgt, und bauen nun bereits seit 2014 nach dem Modell. Auch einige bekannte Investoren nehmen das Modell voraussichtlich in Anspruch. Doch statt einer „Berliner Mischung“ bringt das Modell nur „Wohnungsbau“ und „Satelliten-Wohnungsbau“ hervor, mit Kita, Kaufhalle und Grundschule – und weiten Wegen zur Arbeit.
Das „Berliner Modell“ ist daher zuerst ein „sozialdemokratisches Wohnungsbau-Modell“, das die Sozialdemokraten unter den Projektentwicklern, Investoren und landeseigene Wohnungsgesellschaften anspricht, die wiederum für eine sozialdemokratische Wählerklientel bauen sollen. Es wird der nächste sozialdemokratische Schweinezyklus in der Wohnungspolitik angelegt. Denn das Modell ist weder bedarfgerecht, noch zukunftsfest.
Bezahlbar für 20 Jahre – der Mensch wird aber 96 Jahre alt
Das Berliner Modell sieht nur eine Bindung für 20 Jahre vor, gerade genug um eine aktuell aktive „Mieterprotest-Generation“ etwas friedlich zu stimmen. Wer denkt schon 20 Jahre Voraus? Einzig Andreas Otto (MdA – Bündnis 90/Grüne) meldete zarte Bedenken an: „Zwanzig Jahre sind schnell um!“. Das Wort „Nachhaltigkeit“ in seinem Parteiprogramm kam ihm nicht in den Sinn. Wenn man nachrechnet, steht schon heute fest: „Die nachfolgende Generation und die kommenden Rentnergenerationen werden die Mieten nicht ohne staatliche Beihilfen zahlen können.
Nachhaltig ist das Berliner Modell nicht – denn Menschen leben länger als den „Wohnungsbauprogramm-Planern“ geläufig zu sein scheint. Vor allem ist das Programm nicht „altersarmutsfest“ – viele Mieter müssen im Alter ausziehen, wenn der Einkommensknick mit der Rente heraufzieht.
Sogar Rouzbeh Taheri, Sprecher des Bündnisses Berliner Mietenvolksentscheid hat den „Langfristbetrug“ an den Mietern übersehen.
Bei 41 Quadratmetern und 6,50 € Mietanteil zahlt ein Mieter im Jahr knapp 4.000 € Miete, in 96 Jahren rund 307.000 € Miete. Das sind rund 3,4 fache Aufwendungen gegenüber den Neubaukosten.
Bezogen auf einen Mindestlohn von 8,50 € und eine 40-Stunden-Arbeitswoche werden in einem 40-jährigen Erwerbsleben (Brutto 1.472,50 netto 1.108,22 €) rund 531.945,60 € verdient, es wäre genug, um auch anteiliges Genossenschafts- oder Wohneigentum zu schaffen.
Mietwohnen – die teuerste Wohnform
Bei 41 Quadratmeter durchschnittlicher Wohnfläche sind 6,50 € Miete pro m² scheinbar „bezahlbar“, doch sozial sind diese Mieten nicht. Der Grund ist einfach: solange ein Mieter bei 1.472,50 € Bruttolohn und 1.108,22 € Nettolohn in einem sozialversicherungspflichtigen Vollarbeitsverhältnis steht, ist die Miete tragbar. Doch was passiert bei Teilzeitarbeit? Bei Arbeitslosigkeit – und was beim Renteneintritt? Mieter werden zu finanziell abhängigen Mündeln des Staates, die auf Wohngeldgewährung und ggf. Grundsicherung angewiesen sind, und sich nur noch „defensiv durchs Leben schlagen“. Vor allem die auf breiter Front heranrückende Welle der Altersarmut mit Renten unter dem Grundsicherungsniveau muß ernste Besorgnis erregen, weil diese Welle noch während der „Hypothekenlaufzeit“ auf Investoren und Wohnungswirtschaft zukommt.
Warum wird nicht für 4,78 – 5,50 € gebaut?
In Wien, in Salzburg, in Augsburg und vor allem auf dem flachen Land wird zu viel niedrigeren Kostenmieten gebaut. In Berlin gibt es aber ein „wohnungsbaupolitisches Kartell“, das sich nun unter Druck von Mieterprotesten auf 6,50 € als unteren „bezahlbare Miete“ geeinigt hat.
Grund sind die hohen Altschulden der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, die z.B. bei der GESOBAU AG ca. 34.000 € pro Wohnung betragen. Eine Summe, die rund 830 € je Quadratmeter Wohnfläche beträgt, die erst in ca. 127 Jahren durch Mietzahlung von 6,50 € pro m² abgezahlt ist.
Nach dem aktuellen Baukosten-Index 2015 wären rechnerisch aber nur 52.000 € Rohbaukosten für eine 41 Quadratmeter-Wohnung aufzuwenden.
Richtig wäre es, mehr Eigennutzer bauen zu lassen, und dabei Arbeit, lokale Arbeit und soziale Mietstaffelungen zu ermöglichen.
Jeder private Bauherr, der eine Sozialbindung eingeht, bekommt im Gegenzug auch eine „Mietgarantie“ von ca. 10 €/m², gemessen am Satz der sozialen Grundsicherung (Stand 2014). Binnen 15 Jahren sind das ca. 75.500 €, die eine Grundsicherungs-Mietwohng quasi staatlich verbürgt bekommt. Es ist Geld, mit dem jeder kleine private Eigentümer und Selbstnutzer rechnen kann, und dazu Kredit und eigenes Kapital mobilisiert, um „bauen zu dürfen“. Auch für 4,78 € wurde es so rechnen – weil die Nutzungsidee und nicht die „Rendite-Idee“ die Investition antreibt!
Unvollständige Generationen-Bílanz
Seit der Agenda 2010 ist es bei Sozialdemokraten Mode geworden, politische Geschäfte zu Lasten der nachwachsenden Generation abzuschließen. Rente mit 63, Wohnen für 6,50 € – die Liste dieser ungedeckten Geschäfte ist lang. Wohnungspolitisch wäre es geboten, für Zuwanderer, für junge Menschen unnd Studenten, sowie für Grundsicherungsempfänger viel kostengünstiger zu bauen, auch Ausbau-Arbeit, Eigenkapitalsparen und Eigentumserwerb zu fördern. Die junge Generation darf nicht zwischen steigenden Abgaben, steigenden Sozialkosten und steigenden Mieten überfordert werden. Im Wettbewerb mit Asien und mit Robotern wird „Arbeitseinkommen“ strategisch weiter unter Druck bleiben.
Vor allem amuß der Staat Modelle fördern, die nicht selbst zu immer weiter steigenden Staatsausgaben und Steuern führen.
Längst müsste zu mehr Eigentumserwerb, zu mehr Eigenleistung und zu mehr Eigentumsförderung und kooperativen Wohnmodellen umgesteuert werden.
Zuzug bringt nicht nur Mieter, sondern auch Kapital in die Stadt
Das „Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung“ ist sieht wie „Wohnungspolitik“ aus, ist aber eine eine „soziale Investorenpolitik“, bei dem die Berliner Sozialdemokratie im wesentlichen „in-sich-Geschäfte“ mit Projektentwicklern und landeseigenen Wohnungsgesellschaften macht. Beim Koalitionspartner CDU schläft man offensichtlich auch noch, und unternimmt nichts, um die „Mietwohnungs-Monopol-Politik“ zu stoppen.
Die jährlich um 40.000 Menschen wachsende Stadt wird noch eine Weile wachsen, doch die Demografie setzt Grenzen. Es kommen nicht nur Menschen in die Stadt, sondern auch Vermögen und Kapital, auch immense Summen Schwarzgeld und Geld zur Geldwäsche im Immobiliengeschäft.
Es ist genug Kapital, das ohne öffentliche Kreditaufnahme in eine soziale und profitable Stadtentwicklung gelenkt werden könnte.
Stadtentwicklung statt Wohnungsbauprogramme
Bei 85% Mietwohnungsanteil in Berlin müssten längst ganz andere Modelle gemischter und intelligenter Quartiersentwicklung, sowie gemischter Eigentumsformen gebaut werden.
Vor allem auf die veränderte Beziehung von Wohnen und Arbeiten und auf das kreativwirtschaftliche Wachstum müsste reagiert werden. Nicht nur Wohnen, sondern Büros, Ateliers, Projekträume, Werkstätten und Lagerräume werden gebraucht.
Vor allem könnten in der Stadt der gemischten Eigentumsformen mehr Eigenkapital, mehr Arbeit und mehr Kreditinvestitionen mobilisiert werden, als sich Sozialdemokraten jemals vorstellen können.
Die Mietenpolitik des Senats führt stattdessen in neue städtebauliche Desaster am Stadtrand, und in eine Politik, in der sich Mieter künftig in „Lebensabsschnitts-Wohnformen“ pressen lassen müssen, die jeweils im Alter vom Staat genehmigt und gefördert werden müssen.
Der sozialdemokratisch geprägte „Wohnungsbauwirtschafts-Funktionalismus“ á la Geisel führt daher die Stadt direkt in das Reich des „Plattenbausozialismus“.
Die soziale und kreative Stadt verlangt eine intelligentere Politik
Statt ständig auf gepackten Koffern zu sitzen, mit Schrecken auf den nächsten sozialdemokratisch verursachten Schweinezyklus der Wohnungspolitik, oder auf die existenzzermürbende „energetische Sanierungsandrohnung“ zu warten, müssen sich Menschen und Bürger der Stadt sich autonom mit dem eigenen Lebensplan befassen können.
Eine Wohnungsbaupolitik, die zu einer wirtschaftlichen Überforderung und Entmündigung der Alten führt, ist in höchsten Maße unsozial! Vor allem ist eine Wohnungsbaupolitik unsozial, die die kommende Generation hoffnungslos und alternativlos überfordert.
Eine Sozialdemokratie, die alle Menschen in „Lebensabsschnitts-Wohnformen“ drängt, schafft soziale Demokratie ab!
Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt müssen sich sich auf Lebensplanung und Lebenziele in eigener und in kooperativer Sache im Quartier konzentrieren können.
Die Sozialdemokratie in der Berlin wird sich zwischen ihren „sozialen und landeseigenen Investorenförderungsmodellen“ und den Mietern und Wählern entscheiden müssen! Die Mieter in Berlin haben auch keine Zeit, nochmals zwanzig Jahre sozialdemokratische Lernprozesse in der Stadtentwicklungspolitik zu ertragen!
Mehr Informationen:
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: Aktualisierung des „Berliner Modells der kooperativen Baulandentwicklung“: – Link:
Weitere Beiträge zur Wohnungspolitik:
1-€ Wohnungspolitik in Berlin | 10.5.2015 | Michael Springer | Pankower Allgemeine Zeitung
Sozialliberale Stadtentwicklungspolitik für Berlin #3 | 1.4.2015 | Michael Springer