Wie zählt zu den weltweit vorbildlichen „Smart Cities“ und hat eine langfristige „Smart City Wien Rahmenstrategie 2050“ formuliert und in dem aktuellen Stadtentwicklungsplan STEP 2025 zu einem Konzept verdichtet und detailliert. Nicht ohne Stolz formuliert man die Ziele: „Wien ist in Europa und weltweit ein Vorreiter als Smart City. Schon seit langem machen wir vieles richtig, im Verkehr, im Wohnbau, in der Stadtentwicklung, im Umweltschutz, in der Ver- und Entsorgung der Stadt. Wien steht weltweit für eine gelungene soziale Teilhabe und für hochwertig erbrachte Daseinsvorsorge.“
Der Sozialdemokrat und langjährige Bürgermeister Dr. Michael Häupl definiert auch den sozialen Ausgleich als Ziel: „In den Städten wird entschieden, wie unsere Zukunft aussieht. Seit jeher sind Städte die Orte der großen Veränderungen und gesellschaftlichen Neuerungen, sie sind die Orte, in denen die Mehrzahl der Menschen lebt, sie bieten große Möglichkeiten, wenn es um neuen Umgang mit Ressourcen geht. Eine Smart City achtet aber auch in hohem Maß auf soziale Inklusion. Eine Smart City ist eine Stadt, die sich den Herausforderungen stellt, die mit sinkendem Ressourcenverbrauch bei wachsenden Anforderungen verbunden sind. Eine Smart City in unserem Verständnis setzt auf Ressourcenschonung und Aufrechterhaltung der hohen Lebensqualität gleichermaßen wie auf Innovation in allen Bereichen.“
Fachkonzept „Mobilität – miteinander mobil“ ein Vorbild für Berlin?
Auf dem Weg zu neuen Mobilitätskonzepten legt die Stadt Wien mit dem Fachkonzept Mobilität nicht nur die ambitionierten Ziele für ein zukunftsfähiges Verkehrssystem fest, sondern beschreibt auch die Schritte, die in den nächsten zehn Jahren erfolgen, um diese Ziele zu erreichen. Ein Blick in das Fachkonzept Mobilität lohnt, weil Wien ganz ähnliche Stadtstrukturen wie Berlin aufweist. In Wiener Fachkonzept gilt das Motto „miteinander mobil“ und setzt daher auf vielfältige Lösungsansätze und versucht,
zahlreichen Chancen zu nutzen.
Die Zielsetzung wird mit ähnlich ambitionierten Worten wie in Berlin beschrieben:
„Mobilität braucht menschen- und umweltgerechten Verkehr. Die Stadt
Wien bekennt sich zu einer prioritären Stellung des öffentlichen Verkehrs,
der Fußgängerinnen und Fußgänger sowie des Radverkehrs als Umweltverbund.
Wien steht für eine zukunftsorientierte städtische Mobilitätspolitik,
die nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch und sozial verträglich
und somit nachhaltig ist. Ökonomisch, weil sie auf langfristiges Investment
baut, das sich für Stadt und Standort bezahlt macht. Sozial, weil es ihr
erklärtes Ziel ist, allen Bürgerinnen und Bürgern, unabhängig von Einkommen,
sozialer Stellung und Lebenssituation, zu ermöglichen, mobil zu sein.
Ökologisch, weil sie dabei hilft, natürliche Ressourcen zu schonen und
zur Verwirklichung der Smart City Wien beiträgt.“ Zitat STEP 2025
Mag.a Maria Vassilakou
Vizebürgermeisterin, Stadträtin für Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz,
Energieplanung und BürgerInnenbeteiligung
Probleme im Zielfeld Mobilitätspolitik in Wien
Die Ziele der Mobilitätspolitik sind ambitioniert:
„Mobilität ohne Autobesitz zu ermöglichen“, ist ein zentrales verkehrspolitisches Anliegen des STEP 2025. Der Motorisierungsgrad in Wien sinkt seit zehn Jahren – ein Indiz dafür, dass eine flexible Kombination von Verkehrsträgern je nach Situation und Anlassfall heute bereits funktioniert.
In Modal Split-Kennzahlen ausgedrückt, lautet die Zielsetzung des STEP 2025 „80:20“. Das bedeutet: Die Wienerinnen und Wiener sollen bis 2025 80% der Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln, mit dem Rad oder zu Fuß zurücklegen, während der derzeitige
Anteil des motorisierten Individualverkehrs auf 20% zurückgehen soll. Dies ist essenziell, um die Lebensqualität in der Stadt zu erhalten und dauerhafte Überlastungen im Straßennetz zu vermeiden; heisst es im Fachkonzept (S. 16).
Doch die Zahlen zum Verkehrsverhalten der Wiener sind ernüchternd. In der aktuellen Statistik zum Verkehrsverhalten der Wiener, im „Modal Split“, kam der Anteil der Radfahrer am gesamten Verkehrsgeschehen 2017 erneut auf nur sieben Prozent – diese Zahl ist nun schon seit 2014 einzementiert (2013: sechs Prozent). Der Fußgeher-Anteil ist sogar seit dem Jahr 1993 bei 28 Prozent. Ebenso unverändert seit fünf Jahren ist der Anteil des Pkw- und Motorradverkehrs mit 27 Prozent. Und die Nutzung der Öffis sank laut „Modal Split“ seit 2012 sogar um einen Punkt auf 38 Prozent.
Stellenwert des PKW bei der Wiener Bevölkerung
In einer aktuellen Studie zum Stellenwert von PKW in der Wiener Wohnbevölkerung werden nur minimale Verbesserungen festgestellt.
Zitat: „Die Verkehrsmittelwahl hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich zugunsten von ÖV und Radverkehr verändert. Der Anteil des Pkw an den Wegen hat von 40 % im Jahr 1993 auf 27 % im Jahr 2014 verringert. Zu diesem deutlich veränderten Nutzungsverhalten gesellt sich auch ein leichter aber stetiger Rückgang des Pkw-Besitzes pro 1.000 Einwohner. Durch die vorliegende Studie sollte herausgefunden werden, ob diese Veränderungen von Nutzungsverhalten und Besitzmustern nur Reaktionen auf verkehrspolitische Maßnahmen oder auch Änderungen von Werthaltungen und Einstellungen geschuldet sind.
Im November und Dezember 2015 wurden 1.005 Wienerinnen und Wiener ab 18 Jahren nach ihrem Verkehrsverhalten, ihren Einstellungen und ihren Emotionen zum Pkw und zum ÖV befragt. Die Zufallsstichprobe wurde nach Alter, Geschlecht Wohnort (locker bzw. dicht bebautes Stadtgebiet) Autobesitz und Haushaltsgröße repräsentativ gewichtet.
Das Untersuchungsergebnis in Kürze:
– Ein Wertewandel des Autos kann in der Wiener Bevölkerung nicht nachgewiesen werden. Sein Image als praktisches, flexibles und individuelles Verkehrsmittel ist weiterhin stark, unabhängig von Verkehrsverhalten und Alter.
– Autobesitz ist nach wie vor für viele junge Menschen ein wichtiges Ziel bzw. Bestandteil ihres in Zukunft angestrebten Lebensstils.
– Allerdings können sich viele ein Auto noch nicht leisten, weshalb sie mit dem ÖV fahren.
– Jüngere Befragte sehen Autos eher als Statussymbol als Ältere. Außerdem sehen Jüngere Autos in positiverem Licht als Ältere, während sie beim ÖV weniger positiv eingestellt sind.
Wien: grüne Verkehrspolitik unter Druck
Diese Zahlen sorgen bei den in Wien mitregierenden Grünen in Wien für Besorgnisse. Trotz großer Fördermittel für den Ausbau von Fahrrad-Infrastruktur schlagen die Maßnahmen nicht richtig an. Kritiker monieren die Verzögerung großer Straßenbauprojekte (etwa der Lobautunnel) und klagen über „ständig neue Anrainer- und Gebühren-Parkzonen zur Vertreibung der Autolenker.“ In der Kronenzeitung wird die Verkehrspolitik heftig kritisiert: „Aber offensichtlich bringen weder die Peitsche für die Autobesitzer noch das teure Zuckerbrot für den Radler-Beauftragten den erhofften Erfolg. … Die bisherige Verkehrspolitik wird also fortgesetzt – und das Faktum weiterhin ignoriert, dass in einer mitteleuropäischen Klimazone das Radeln nicht zu jeder Jahreszeit wirklich viel Spaß macht“, beklagt sich der Chefredakteur der Kronenzeitung am 17.2.2018.
Die grüne Vizebürgermeisterin Vassilakou sagte dazu: „Die Stagnation zeigt, wir müssen die bisherige Vorgehensweise kritisch betrachten, es bedarf mehr Anstrengungen und Investitionen.“
Fragen für die Berliner Verkehrspolitik
Die neuen Erkenntnisse aus Wien werfen auch für Berlin neue Fragen auf. So ist gilt es z.B. herauszufinden, ob bei großen Zuzug auch Menschen mit Autos zuziehen, die erst nach längerer Anpassung auf alternative Verkehrsmittel umsteigen. Ferner muss auf der städtebauliche Mix zwischen Wohnen und Arbeiten näher in den Blick genommen werden, denn wer nur Wohnungen baut, aber keine wohnortnahen Arbeitsmöglichkeiten, der erschafft neue Verkehrszwänge.
Besonders in Pankow muss die Frage gestellt werden, wie durch städtebauliche Funktionsmischung auch der Modal Split verbessert werden kann.