Der Wasserstand des Weißen Sees ist bedenklich gesunken. Vor drei Jahren im Sommer 2014 betrug die Wassertiefe noch 9,50 Meter, heute sind es weniger als 8,56 Meter, denn die Regenniederschlagsbilanz reicht nicht mehr aus, den See aufzufüllen. Die maximale Tiefe wurde in dem Stillgewässer aber früher auch schon mit 10,64 Metern gemessen.
Der Badespaß im Strandbad Weißensee ist dennoch weitgehend ungetrübt. Bei schönen Sommerwetter wird eben etwas weiter in den See hineingelaufen. Doch ein Schwimmkurs für Kleinkinder ist schon ausgefallen, denn der abgegrenzte Sicherheitsbereich muss eingehalten werden, und hier ist der Rückgang des Wasserspiegels im Strandbad deutlich sichtbar.
Alexander Schüller, Geschäftsführer des Strandbades Weißensee macht sich Sorgen, denn sein Betrieb ist vom Wasserstand und von der Wasserqualität des Weißen Sees in besonderer Weise abhängig.
Die Wasserqualität des ca. 8,3 Hektar großen Weißen Sees ist dabei über die Jahre ausgesprochen gut, das Strandbad ist deshalb unter Gästen auch sehr beliebt. Das nach § 7 Berliner Badegewässerverordnung erstellte Badegewässerprofil zeigt jedoch auch auf, wie empfindlich die Qualität des Weißen Sees ist.
Für den Bezirk Pankow und den Bezirksteil Weißensee ist der Weiße See sogar ein richtiger Naturschatz!
Warum sinkt der Wasserspiegel?
Der Weiße See mit seinem Volumen von ca. 360.000 m³ Wasser hat keine natürlichen Zuflüsse, und erhält sich als eiszeitliche Prägung und ehemalige Toteislinse ausschließlich durch den Zufluss von Regenwasser. Der Wasserhaushalt des Weißen Sees wurde in den letzten 150 Jahren durch die ufernahe Bebauung und die Versiegelung seines Einzugsgebietes zunehmend gestört. Es ist eine Entwicklung, die seit Jahrzehnten bekannt ist.
Wasserwirtschaftlich hat der Weiße See neben seiner Funktion als Bade- und Erholungsgewässer auch technische Funktionen als Überlaufgewässer für Regenwasser, das insbesondere nach Starkniederschlägen aufgefangen werden muss. Der Wasserstand des Sees wird eigentlich durch die Berliner Wasserwirtschaft auf einheitlichem Niveau gehalten, um den Badebetrieb zu sichern. Bei ausbleibendem Regen kann aus einer benachbarten Grundwasswer-Quelle Wasser unter der Aussichtsplattform zugepumpt werden. Doch diese Pumpen verursachen dem Bezirk Pankow Kosten, und so ist diese Wasserzuführung finanziell begrenzt.
Die Mittelfontäne sorgt auch für Sauerstoffanreicherung und wird mit Hilfe des Vereins Junge Tauchpioniere Berlin e.V. aus Lichtenberg jährlich in Betrieb genommen.
Das Sinken des Wasserspiegels hat natürlich mit der unausgeglichenen Niederschlagsbilanz in Berlin zu tun, jedes Jahr fehlen inzwischen in den letzten Jahren rund 100 Liter je Quadratmeter, wenn die langjährige mittlere Regenmenge von 596 Millimetern im Jahr (Meßstation Dahlem) als Maßstab angelegt wird. Es ist vermutlich eine Folge des laufenden Klimawandels.
Umweltpolitisches Versagen im Bezirk Pankow?
Die zuständige Pankower Umweltamtsleiterin Dr. Maria Moorfeld hat kürzlich ihr Versagen gegenüber dem TAGESSPIEGEL bekundet: „Durch die steigende Flächenversiegelung wird mehr und mehr Niederschlagswasser in die Regenwasserkanalisation abgeleitet und gelangt so nicht über das natürliche Gefälle als Oberflächenabfluss in den See“ ( Laura Hofmann | 1.6.2017 | TAGESSPIEGEL).
Die Umweltamtsleiterin ist jedoch „zuständig“ für Umweltschutz, und so ist zu fragen, wieso sie nicht bei laufenden Baumaßnahmen und Baugenehmigungen Auflagen zur Niederschlagsableitung formuliert hat?
Auch der Hinweis von Umweltamtsleiterin Dr. Maria Moorfeld auf die zu geringe Förderleistung der Grundwasserpumpe ist merkwürdig, denn es gibt offensichtlich genug Geld, die Pumpe der Wasserfontäne zu betreiben. Die Kostenfrage kann eigentlich auch keine große Rolle spielen:
Auf der Grundlage des § 13a Berliner Wassergesetz (BWG) erhebt das Land Berlin für das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten oder Ableiten von Grundwasser von dem Benutzer ein Entgelt in Höhe von 0,31 Euro je m³. Um den Weißen See mit Grundwasser um einen Meter aufzufüllen, wären bei 8,3 Hektar Fläche rund 83.000 Kubikmeter Grundwasser zu fördern. Das würde rund 25.730 € kosten. Doch wären jeweils die ersten 6.000 m³ jährlich entgeltfrei.
Auch muss gefragt werden, was die Pankower Parteien in den letzten 25 Jahren zum Erhalt des Weißen Sees beigetragen haben? Über die Jahre wurden etliche Aktionspläne „Gegen Rechts“ in Weißensee mit hohen 5-stelligen Beträgen gefördert – aber man schaut umwelt- und klimapolitisch tatenlos zu, wie sich der Weiße See nach und nach in ein „braunes Loch“ verwandelt?
Hätte man nicht längst ein Konzept haben müssen, wo doch das Umweltbundesamt seit Jahr und Tag vom „Kompetenzzentrums Klimafolgen und Anpassung des Umweltbundesamts“ auch für Berlin klare Pläne vorlegt, die sogar ab 2013 EU-weit verfolgt werden?
Weder SPD, noch Bündnis 90/Grüne, noch CDU, noch Linkspartei haben bisher ein Konzept vorgelegt. Der Gipfel: Stefan Gelbhaar (MdA) erklärte auf dem Umwelttag am letzten Sonntag: „Dafür ist jetzt der AfD-Stadtrat zuständig!“
Wie kann der Weiße See auf Dauer stabilisiert und gerettet werden?
Das Umweltbundesamt rät: „Der Klimawandel hat Einfluss auf unser Wohnen, Arbeiten und unsere Gesundheit“. „Die gute Nachricht ist: Wir können etwas tun. Wir können mit den bereits zu beobachtenden Folgen der Klimaänderungen umgehen und uns effektiv auf Kommendes vorbereiten. Dafür müssen wir jetzt handeln.“
Handlungsmöglichkeiten: „Mehr Wasser geht noch!“
Allexander Schüller will mit seinem Strandbad Weißensee beitragen, er arbeitet an einem Konzept, das er noch nicht verraten will, und hat schon verschiedene Akteure rund um den Weißen See angesprochen.
Stefan Natz, Pressesprecher der Berliner Wasserbetriebe gab der Redaktion auch einen Insider-Tip: „Die Versiegelung ist auch eine Chance, um mehr Regenwasser in den See kontrolliert einzuleiten.“ – Tatsächlich arbeiten bundesweit viele Kommunen an Konzepten zum Regenwasser-Management mit natürlichen „Mulden-Rigolen-Systemen“, mit denen bei Starkregen Überflutungen verhindert werden, und aufgestautes Regenwasser durch Bodenfilter geleitet und gereinigt wird.
„Mulden-Rigolen-Systeme“ und Auflagen zur Regenwasserversickerung und -einleitung fallen übrigens im Rahmen von Baunebenkosten im Landschaftsbau an, und sparen Bauherren sogar teure Abwasser-Entwässerungen. Es wäre gut möglich, auch bei laufenden Baumaßnahmen noch mehr für den Regenwasserzulauf im Weißen See zu tun. Auch das Pankower Grünflächenamt kann etwas tun, denn der Park am Weißen See hat viele Flächen, von denen Regenwasser besser in den See abgeleitet werden kann.
Eine raffinierte, und weitgehend kostenlose Möglichkeit wäre die Grundwasser-Entnahme: die Grundwasser-Entnahmestelle wird reihum an Seeanlieger verpachtet, und so darf jeder Pächter maximal 6.000 Kubikmeter Grundwasser kostenlos fördern. Mit Anliegern und Bürgervereinen könnte man so leicht 30.000-42.000 Kubikmeter Grundwasser kostenlos fördern.
Der Rest wäre jeweils mit Spendenaktionen finanzierbar – so lange, bis der Stadtrat für Stadtentwicklung und der Umweltstadtrat ein Konzept für das „Regenwasser-Management am Weißen See“ ausgearbeitet haben. In Verantwortung sind sie schon jetzt – künftig zählen Taten!