Mittwoch, 04. Dezember 2024
Home > Bezirk Pankow > Wie Pankow die Pressefreiheit auf „Null Sekunden“ eindampft!

Wie Pankow die Pressefreiheit auf „Null Sekunden“ eindampft!

Pressefreiheit: "Null Sekunden"

/// Glosse /// – Auf Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen soll im Herbst das Thema „Redaktionssterben in der Berliner Medienlandschaft – Fusionen versus Meinungsvielfalt“ im „Ausschuß für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien“ behandelt werden. Drei Parteien haben sich hier zu einem Thema verbündet, die sich in unterschiedlicher Weise für die Pressefreiheit einsetzen. Bei der SPD gehört der Kampf um Pressefreiheit zum Gründungsmythos, der vor Jahren mit einem 150-Jahresjubiläum gefeiert wurde. Die Linke schaut gern überall dort nach, wo die Pressefreiheit bedroht ist, nur nach Pankow schaut sie nicht. Bündnis 90/Grüne in Berlin treten nicht für ein unteilbares Recht auf Pressefreiheit ein, sonder knüpfen es an Bedingungen, wie man unschwer auf der Internetseite der Landesarbeitsgemeinschaft Medien nachlesen kann:

„Die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Medien ist ein unabhängiger Kreis von Fachleuten, der sich mit Medienpolitik unter „grünen“ Gesichtspunkten beschäftigt. Fragen von Qualität, Vielfalt, Teilhabe und Transparenz in der Medienlanschaft spielen dabei eine große Rolle sowie, wann wie und wo Politik fördern und steuern kann, soll oder aber im Sinne der Pressefreiheit auch nicht.“

Immerhin schein die bündnisgrüne Bundespartei eine etwas klarere Haltung einzunehmen:

„Eine offene Gesellschaft braucht freie Medien. Meinungs- und Pressefreiheit sind das A und O des demokratischen Zusammenlebens. Unter der Medienkonzentration und den oft ökonomisch prekären Arbeitsbedingungen von Journalistinnen und Journalisten leidet die Qualität der Medienangebote und damit auch die öffentliche Debatte, die gut recherchierte Informationen voraussetzt.
Wir Grüne im Bundestag stehen für eine vielfältige und unabhängige Medienlandschaft sowie für bessere Arbeitsbedingungen für Journalisten.“

Die spezielle Form der Pressefreiheit in Pankow

Das Bezirksamt Pankow unterhält eine als „Pressestelle“ getarnte Content-Redaktion der Internet-Präsenz des Bezirksamts auf dem Stadtportal Berlins.de . Durch Ausweitung des Nachrichten- und Informationsauftrages wird das Stadtportal immer pressesähnlicher. Vereinzelt auch ausgearbeitete journalistische Themenbeiträge von Stadträten. Die Aufgabe der behördlichen Presseinformation ist dabei nicht mehr eindeutig abgrenzbar, es gibt fließene Übergänge zwischen behördlicher Pressearbeit, Tätigkeit als PR-Agantur für Vereine und Kampagnen, die zum Teil auch werblichen Charakter haben. Stadtfeste landeseigener Gesellschaften mit teil gewerblichen Charakter werden beworben, deren Kommunikationsabteilungen sich wiederum einer komplementären werblichen Anzeigenschaltung enthalten.

Dies muss natürlich mangels wirtschaftlicher Spielräume zur Zurückhaltung bei der Publikation anderer Themen führen. Letztlich gibt es sogar einen Schwund lokaler Themenvielfalt im öffentlichen Raum.

Wirtschaftlich führt es in das selbstverursachte „Nachrichten-Embargo“, ob bei Jazz in Park, oder Bürgerparkthemen, Kirchenfesten, Richtfesten oder Kulturankündigungen u.v.m. .

Wenn zudem angestellte und z.T. beim öffentlich-rechtlichen Sendern beschäftigte Journalisten einen Blog betreiben, und darin Werbung für den eigenen Sender und für gewerbliche Themem machen, entsteht irgendwann die Frage nach dem unlauteren Wettbewerb.
Die zynische Formel trägt nicht mehr: „Wir haben keine wirtschaftlichen Interessen und werden nicht gesponsert. Für unsere Beiträge nehmen wir kein Geld und auch keine Geschenke an, damit wir unabhängig bleiben. Selbst wenn man es versuchen würde, könnte man mit einem so kleinen Projekt sowieso kein Geld verdienen.“

Den mittelbaren Schaden tragen Dritte, die sich wundern, warum die Pankower Allgemeine Zeitung sich im Florakiez zurückhält und auch Museumsthemen und lokale Musikveranstaltungen ausspart. Gewerbetreibende dürfen sich über kostenlose Werbung freuen.

Pressefreiheit auf „Null Sekunden“ eingedampft

Strukturell entsteht natürlich ein Problem, wenn eine Pressestelle in einem Presseverteiler Redaktionen informiert, und praktisch im gleichen Atemzug die gleiche Meldung als Content-Redaktion auf dem Bezirksamtsportal veröffentlicht wird. Die größere Reichweite der Zeitungen bleibt so ungenutzt.

Ärgerlich wird es, wenn das nicht nur mit einfachen Meldungen geschieht, sondern auch mit vorterminierten Presse-Einladungen, wie etwa die Veranstaltung „Die Schönhauser als Magistrale und Flaniermeile – Veranstaltung am 21. August 2018„.
Es ist nun keine Presseinladung mehr, sondern eine öffentliche Vorankündigung eines Pressetermins, bei dem die Botschaft bereits überbracht ist.

Zudem klaffen die großen Worte von „Magistrale und Flaniermeile“ auseinander, denn es wird nur auf eine kitzekleine Facebook-Gruppe von rund 67 Abonnenten verwiesen – und auf ein öffentlich gefördertes Projekt der TU-Berlin. Wenn überdies das Centermanagement der Schönhauser Allee Arcaen keine Werbung schaltet, wird die Bedeutungslosigkeit des Projektes förmlich aufoktroyiert.

Bei der Präsentation der Kooperation von Bezirksamt und Kiezinseln e.V. zur Spielplatzsanierung tritt die Pressestelle des Bezirksamts als Dienstleister für den neu gegründeten Verein auf. Eigentlich hätte die Redaktion doch eine Presseeinladung des Vereins erwarten dürfen. So aber kam erste Nachricht von der bündnisgrünen BVV-Fraktion, danach die offzielle Presseeinladung, die aber auch schon öffentlich war, und auf eine Facebook-Präsenz mit unvollständigen Immpressum und Beitrittszwang bei Facebook hinweist.

Bei der Pressemeldung zum Start des Herbstsemensters der Volkshochschule verschwinden Dozenten, Themen und Kurseinladungen hinter „Überschriften“ und „Rubriken“ – und münden in eine Datenbank-Abfrage, die Vorwissen voraussetzt. Wie wichtig wäre hier eine journalistische Aufarbeitung, damit „Lebendiges Programm“, „News & Stories“ Interesse wecken. Doch die Marketing-Mitarbeiterin war zum Zeitpunkt der Veröffentlichun nicht erreichbar, und so blieb es bei „Null-Sekunden-Bearbeitungszeit“ der Redaktion zum Thema VHS.

In Pankow bleibt damit die Pressefreiheit auf der Strecke: weil sie in Echtzeit auf „Null Sekunden“ eingeampft wird!

Wenn im Herbst im Berliner Abgeordnetenhaus der „Ausschuß für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien“ tagt, stehen nicht nur die Themen „Fusionen versus Meinungsvielfalt“ auf der Tagesordnung, sondern auch staatliches Verhalten im Berliner Medienmarkt. Es steht dabei nicht nur das „Redaktionssterben“ zur Debatte, sondern die Funktionsfähigkeit einer Stadtgesellschaft – und vielleicht sogar das „Parteien-Sterben“ (übrigens nicht nur in Pankow).