Air Berlin war als zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft immer auch ein wichtiges und sympathisches Aushängeschild der Hauptstadt. Viel ist über das zu schnelle Wachstum und Managementfehler geredet worden – und zu wenig über die Mitschuld staatlicher Akteure, die dem Management von airberlin Jahr um Jahr falsche Hoffnungen auf die Eröffnung des Großflughafen BER gemacht haben. Die Presse und die großen Hauptstadtzeitungen und überregionalen Zeitungen haben sich stark auf Managementfehler und Personalien konzentriert. Die Diskrepanzen zwischen politisch inspirierten Zukunftserwartungen und Plänen und die tatsächlichen technischen Enttäuschungen durch 5 Jahre verschobene Öffnungstermine werden nicht debattiert.
Es ist eine unglaubliche Geschichte, wie sehr airberlin durch Versprechungen des Berliner Senates, namentlich durch den ehemaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, in eine Wachstumstrategie geführt wurde, der am Ende seit 2010 mehrmals die „physische Grundlage“ durch „Nichtöffnung des BER“ entzogen wurde.
Die Frage steht im Raum, inwieweit Berlin-Politik, deutsche Luffahrtspolitik und staatsnahe Vertreter und Manager in Aufsichtsräten durch „nicht gegroundete Euphorien“ und „Zukunftserwartungen“ mit zum Desaster der Insolvenz beigetragen haben?
Die traditionell recht schweigsamen Vertreter von Abu Dhabi und den Partnern Ethihad lassen nichts verlautbaren. Aber auch sie sind „zahlende Opfer“ eine gescheiterten Luftkreuz-Politik am Großflughafen BER, be der nicht nur wirtschaftlicher Schaden, sondern tiefer Vertrauensschaden in die Kompetenz von Politik und Wirtschaft und in die Handhabung von Großprojekten angerichtet wurde.
Auch die Politik des Bundesverkehrsministers Alexander Dobrindt (CSU) steht heute im Zwielicht. Im steten Wissen um die hohen Kostenunterschiede im Wettbewerb mit Billigfluglinien hat man nicht gegen unlautere Beschäftigungsverhältnisse bei RYANAIR in Irland interveniert – und auf gleiche Wettbewerbsbedingungen gedrungen.
Ethihad war inzwischen von ursprünglich 2,99% Kapitalanteil auf über 29% Anteil bei airberlin eingestiegen, und musste 2016 über 800 Millionen Euro Verluste bei airberlin und Alitalia in Kauf nehmen.
Mit dem Insolvenzverfahren ist nun eine fast unaufhaltsame Schadens-Kette und Kapitalvernichtung gestoppt worden. Natürlich gab es auch schwere Management-Fehler, wobei fehlende Liquidität bei airberlin z.B. auch zu einer fehlenden Absicherung von Preisschwankungen am Kerosin-Markt geführt hat, die mit wenigstens 400 Mio. € Mehrkosten bezahlt werden mussten.
Am Ende hat der Wechsel zum Münchner Dienstleister Aeroground und das damit ausgelöste Kofferchaos zum Reputationsverlust und zur Insolvenzanmeldung beigetragen.
Geplante Lufthansa-Übernahme – und begonnener Übernahme-Poker?
Die Lufthansa hat inzischen das Interesse der Übernahme der airberlin für 90 der rund 140 Flugzeuge bekundet. Doch das läuft auf eine weitgehende Zerschlagung von airberlin hinaus. RYAN AIR hat deshalb auch schon kartellrechtliche Bedenken angemeldet, denn ein solches Übernahmeangebot würde der Lufhansa auf dem deutsche Markt eine sichere Monopolstellung bescheren. RYAN AIR wirft zudem der deutschen Politik Einflußnahme vor.
Bei airberlin selbst sieht man drei Wettbewerber, die sich um Teile der airberlin-Flotte und der attraktiven „Landerechte“ bewerben. Lufthansa, Condor und Easyjet. Deren Wert der Landerechte allein übersteigt deutlich den 150 Millionen-Euro-Kredit der Bundesregierung, der airberlin bis Ende Oktober 2017 im Betrieb hält.
Im drohenden Übernahmepoker hat sich Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt unklugerweise schon positioniert:
Der CSU-Politiker sprach sich für die Übernahme „wesentlicher Teile“ von Air Berlin durch die Lufthansa aus. „Wir brauchen einen deutschen Champion im internationalen Luftverkehr“, sagte er der „Rheinischen Post“. Ordnungspolitische Bedenken wies er zurück. Kartellrechtliche Fragen dürften „nicht mehr mit der rein regionalen Brille auf einzelne Standorte betrachtet werden“, meinte Dobrindt – so berichtet heute der TAGESSPIEGEL ( Rainer W.uring | 18.8.2017 | TAGESSPIEGEL).
Doch Dobrindt scheint nicht ganz auf der Höhe zu sein, vor allem kennt er nicht die Interessenlage wichtiger bayrischer Landeskinder und ihrer Unternehmungen.
Kommt ein Weißer Ritter zurück ins Spiel?
Inzwischen liegt ein völlig überraschenden Angebot für eine Übernahme der airberlin vor. Die INTRO-Verwaltungs GmbH aus dem bayrischen Reichenschwand hat heute, am Freitag den 18. August 2017, durch die Kanzlei Gerloff Liebler in München formell ihr Übernahmeinteresse an der Air Berlin Gruppe angezeigt.
Ziel der Offerte ist es die Air Berlin Gruppe als Ganzes zu erhalten und als unabhängige Airline fortzuführen. Das INTRO-Angebot ist deshalb interessant, weil ein bekannter Name hinter dieser Offerte steht, der weitere Partner mit hoher Fachkompetenz und vor allem auch Finanzinvestoren mit an Bord holen will. Es ist Hans Rudolf Wöhrl, der sich schon lange bei airberlin engagieren will. Wöhrl: „Ich bin seit 50 Jahren in der Luftfahrt aktiv und habe immer und erfolgreich für die Liberalisierung des Luftverkehrs gekämpft!“
Er befürchtet eine einseitige Parteinahme der Bundesregierung und eine Strategie die nicht im Interesse des Wettbewerbs und damit der Passagiere sein kann. Denn Kartellrechtlich ist eine 100 % Fortführung der Air Berlin durch Lufthansa nicht möglich.
Eine Zerschlagung von Air Berlin bedeutet aber zwangsläufig eine Schwächung des Standortes Deutschland, denn gerade dann werden ausländische Airlines, mit dem was das Kartellamt „abspaltet“, ihre Position deutlich stärken.
Wöhrl kritisiert die Bundesregierung in scharfer Form: „Dass heute jeder zu günstigen Tarifen fliegen kann verdankt er den Pionieren der Regionalfliegerei der 80er und 90er Jahre und Politikern, die mit diesen gemeinsam bereit waren die traditionellen Monopole der Staatsairlines zu brechen. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass sich ausgerechnet die deutsche Regierung zu einem solchen Schritt entscheidet.“
Für den Insolvenzverwalter bedeutet die Offerte eine rechtliche Bindung und notwendige sorgfältige Prüfung, denn auch wenn das Verfahren in Eigenverwaltung durchgeführt wird, müssen die rechtlichen Interessen der Gläubiger und Mitarbeiter geschützt werden.
Mit Wöhrl ist ein engagierter Unternehmer im Spiel, der seit etwa 1975 selbst einen Pilotenschein hat, und 1988 das erste Regionalflugzeug vom Typ ATR in den deutschen Regionalluftverkehr eingeführt hat. 2004 übernahm Wöhrl die deutsche BA und flog mehrere Jahre erfolgreich unter dem Markenzeichen dba, bis zur Schließung des Fluhafen Tempelhof.