Freitag, 04. Oktober 2024
Home > Slider > Kein Weltfriede ohne Religionsfriede.
Kein Religionsfriede ohne Religionsfreiheit.

Kein Weltfriede ohne Religionsfriede.
Kein Religionsfriede ohne Religionsfreiheit.

Münster Sankt Paul in Esslingen

Das Bundeskabinett hat am 14. April 2018 den Bundestagsabgeordneten Markus Grübel zum Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit berufen. Das Amt wurde beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) eingerichtet. Markus Grübel stammt aus Esslingen und ist seit 2002 direkt gewählter Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Esslingen in Baden-Württemberg. Zur Weihnachtszeit hat Grübel eine Friedensbotschaft an die Weltgemeinschaft formuliert, die von der Pressestelle der BMZ freigegeben wurde.

Kein Weltfriede ohne Religionsfriede. Kein Religionsfriede ohne Religionsfreiheit.
von Markus Grübel, Beauftragter der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit

„Frieden auf Erden!“, das ist die christliche Weihnachtsbotschaft. Friede – das ist auch der Gruß aller Juden weltweit im hebräischen „Schalom!“. Und nichts anderes ist gemeint, wenn Menschen sich in arabischer Sprache grüßen: „Salam aleikum!“, zu Deutsch: „Friede sei mit Euch!“ Und wer mit dem Dalai Lama hält, der kennt dessen buddhistische Botschaft: „Die Liebe und das Mitgefühl sind die Grundlagen für den Weltfrieden – auf allen Ebenen.“

Wenn wir in die Welt schauen, sind viele versucht zu sagen: Kaum zu glauben, dass die Weltreligionen so sehr für Frieden auf Erden sind. Es herrscht so viel Unfrieden in der Welt! Und sind dabei nicht gerade die religiösen Menschen im äußersten unfriedlichen Einsatz ganz vorne mit dabei?

Markus Grübel  (MdB CDU)
Markus Grübel (MdB CDU), Beauftragter der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit (Bild: Markus Grübel)

Wenn gilt, dass es keinen Weltfrieden ohne Religionsfrieden geben kann, dann muss staatlich garantierte Religionsfreiheit bedeuten, dass Regierungen die Bedingungen dafür schaffen, dass Religionen ihr Friedenspotenzial besser auf die Erde bringen als ihre Fähigkeit, wie Brandbeschleuniger in Konflikten zu wirken. Versuchen nicht Extremisten Gott gleichsam aus dem Himmel herabzuzerren und ihren allzu irdischen Interessen dienstbar zu machen? Können Religionsführer Gott die Ehre geben, solange sie für Unfrieden auf der Erde sorgen? Nicht zuletzt um das friedfertige Potenzial der Religionen zu fördern, hat die Bundesregierung im Jahr 2018 das Amt eines Beauftragten für weltweite Religionsfreiheit geschaffen.

Vor genau 70 Jahren wurde das Menschenrecht auf Religions- und Weltanschauungsfragen geboren. Vor gut 50 Jahren haben viele Staaten einen verpflichtenden Pakt unterzeichnet, damit Religionsfreiheit umgesetzt wird. Und genau heute müssen wir entschiedener als je von den Religionen fordern: Macht Euch der Welt als Friedensbringer bekannt! Lasst Euren Friedensgruß lebendiger werden! Konkret in Mossul, konkret in Syrien, konkret für die Rohingya, konkret in Russland oder China oder Indien. Oder im Land, wo Jesus geboren worden ist. Wenn wir den Beitrag der Religionen zum Frieden staatlicherseits einfordern, dann nicht, weil der Staat religiös wäre, sondern weil unser Land zwar weltanschaulich neutral, aber nicht werteneutral ist. Frieden und Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, das aber sind leitende Werte guter Politik, ausgedrückt in der weltverbindenden Sprache der Religionen.

Insbesondere extreme Armut bedroht den Frieden einer Gesellschaft, ja der ganzen Welt. Wenn bei uns Kinder in Armut aufwachsen, dann spüren sie das an Weihnachten besonders. Laut Kinderschutzbund trifft es 4,4 Millionen Kinder in Deutschland. Mehr als jedes zweite zugewanderte Kind bei uns ist arm. Und weltweit sind es – wer weiß das schon genau – etwa 390 Millionen Kinder.

In Deutschland sammeln die kirchlichen Hilfswerke an Weihnachten besonders. Christen spenden und erinnern sich im Weihnachtsgottesdienst an die Peinlichkeit, dass für den Gottessohn Jesus in keiner Herberge Platz war, sondern nur in einer Krippe in einem Stall. Christen sprechen von einer „vorrangigen Option Gottes für die Armen“. „Den Armen Gerechtigkeit!“ plakatiert Brot für die Welt. Papst Franziskus schreibt, es gehe darum „die Armut zu bekämpfen, den Ausgeschlossenen ihre Würde zurückzugeben und sich zugleich um die Natur zu kümmern.“ Das sind wichtige Stimmen für den Frieden auf Erden.

Unfreiwillige Armut erfordert Caritas und Barmherzigkeit – aber das reicht nie, um dauerhaft herauszukommen aus der Armut. Wir erleben Armut zudem inmitten von Fülle. Und zu viel Ungleichheit ist politisch und ökonomisch ohnehin schwerlich geeignet, soziale Spannungen abzubauen. Etwa 1.400 Personen weltweit besitzen doppelt so viel, wie alle Menschen in Afrika zusammen. Solche Ungleichheit ist schwer vorstellbar. Ein Weltbank-Ökonom hat versucht uns anschaulich zu machen, wie unerträglich Ungleichheit sein kann: Wer eine Milliarde US-Dollar besitzt und jeden Tag 1.000 Dollar verprasst, der könnte davon 2.700 Jahre leben. Der an Weihnachten in den Kirchen gerne zitierte Prophet Jesaja wäre so gesehen erst heute blank, hätte er jeden Tag 1.000 Dollar ausgegeben und hätte als eher bescheidener Krösus das Startkapital von „nur“ einer Milliarde Dollar gehabt. Wäre Jesaja „nur“ Millionär gewesen, dann hätte er sein Startkapital von 1 Million übrigens bereits nach weniger als 3 Jahren durchgebracht.

Politik muss um des sozialen Friedens willen mit den Religionen gemeinsam die Ursachen von Armut und exzessiver Ungleichheit angehen. Das BMZ sieht das seit seinem Bestehen als zentrale Aufgabe: Armen Menschen eine Perspektive zu geben, dass sie frei von Armut werden, dass sie für sich selber sorgen zu können. Dazu gehört es, auch Unangenehmes und Unerhörtes anzusprechen. Etwa die Hungerlöhne der Menschen, die unsere Textilien herstellen. Oder die Tarife derer, die die Bohnen für unseren Weihnachtskaffee ernten. Das mag die behagliche Ruhe von Produzenten und Konsumenten stören. Aber sozialer Friede und Freiheit von Armut wachsen, wenn man solche Probleme angeht, statt sie zu ignorieren. Auch wenn das unangenehm ist für manche. Denn ist es am Ende nicht besser, mehr Menschen leben in Frieden und Freiheit? Der brasilianische Erzbischof Dom Helder Camara hat diese Ungemütlichkeit einmal so kommentiert: „Wenn ich den Armen etwas zu essen gebe, dann nennt man mich einen Heiligen. Aber wenn ich frage, warum die Armen nichts zu essen haben, nennt man mich einen Unruhestifter.“

Wenn Hilfe zur Selbsthilfe dem sozialen Frieden auf Dauer besser hilft als die Abhängigkeit von Spenden, dann sind Menschenrechte, Arbeitsplätze und würdige Löhne auf Dauer besser als Betteln und Almosen und die fragile Gemütlichkeit in den reichen Ländern. Dafür steht der Marshallplan mit Afrika: Hilfe zur Selbsthilfe. Wir werden dabei weltweit noch mehr den Blick auf den Beitrag der Religionen zur Armutsbekämpfung richten. Religionen können dazu beitragen, dass die Spaltung der Gesellschaft abnimmt. Den Weltreligionen ist die Unterstützung der Armen wie die Verantwortung der Reichen ein zentrales Anliegen. Zum christlichen Menschenbild gehört für mich, dass Menschen frei sind, Würde haben und solidarisch Verantwortung übernehmen. Aufgabe des Staates ist es, den Menschen zu ermöglichen, diese Freiheit zur Verantwortung, also auch die Religionsfreiheit, zu gebrauchen. Mehr Religionsfreiheit kann, wo Religionen sich auf den Kern ihrer Botschaft konzentrieren, weniger Armut und mehr Frieden und Freiheit bedeuten. Religionsfreiheit macht frei von Angst und frei zur Verantwortung. Das erleben wir etwa dann, wenn junge Muslime und Christen in Mossul gemeinsam ihre heiligen Stätten renovieren.

In diesem Sinne will ich mich als Beauftragter der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit für mehr Religionsfrieden auf Erden einsetzen. Denn darum geht es für mich als Katholik in politischer Verantwortung: Gerechtigkeit und Freiheit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Und die Reihenfolge in der Weihnachtsbotschaft kann uns nachdenklich machen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden.“

m/s