Von Michael Springer
Am Pankower Tor rächen sich nun die Fehler der Vergangenheit! — Investor Kurt Krieger glaubte an ein Schnäppchen und einen strategischen Entwicklungsgewinn. Doch das städtebauliche Filetstück des alten Pankower Rangierbahnhofs erwies sich als extrem „mängelbehaftet“.
Vorhandene Altlasten und Bodenverunreinigungen waren schnell kalkuliert und überschaubar. Doch die ehemalige Bahntochter Aurelis hatte 1997 eine ganz besondere „Zukunftslast“ in das Grundstück eingetragen: Kreuzkröten, wissenschaftlich Epidalea calamita.
Inzwischen sind 14 Jahre ins Land gegangen, sogar die wissenschaftliche Bezeichnung der Kreuzkröten wurde von ehemals Bufo calamita auf die neue Bezeichnung verändert. Die Kreuzkröte ist im Anhang IV der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie gelistet und damit europaweit streng geschützt.
Der Steckbrief des Bundesamt für Naturschutz führt die Besonderheiten dieser Amphibienart auf, die auch als Rohrkröte und Stinkende Erdkröte bekannt ist. Dazu zählt vor allem die „Ortstreue“: „Trotz der für Amphibien hohen Mobilität sind die meisten Tiere ausgesprochen ortstreu und verbleiben im Nahbereich der Gewässer. Die frostfreien Winterquartiere werden im Herbst aufgesucht.“
Viele Planungsjahre wurden in Pankow vergeudet, für die Natur aber ein großer Gewinn: Inzwischen leben auch Zauneidechse, Brachpieper und Steinschmätzer auf dem Gelände. Der Naturschutzverband NABU plädiert für eine Offenhaltung von mindestens 5 Hektar Fläche, um das Biotop für die gefährdeten Arten zu erhalten. Auch für eine Umsiedlung von Teilen der Kröten-Population nach Brandenburg ist der NABU noch durchaus offen.
B-Plan — statt städtebauliches Entwicklungsvorhaben
Es hätte so schön laufen können, schon heute könnten die ersten Wohnbauten am Pankower Tor bewohnt sein. Aber der Investor Krieger war über die Jahre nicht gewillt, sein Herzensprojekt in die städtebaulich gebotene Planungshoheit der Kommune zu legen. Die Vorgabe, einen „Möbelhaus-Kubus“ in die letzte Kaltluftschneise in Pankow zu setzen, wurde ganz eisern gegen alle Widerstände vertreten.
Auf einer Tagung beim Verein „Architekturpreis Berlin“ im Kutscherhaus am Kurfürstendamm beklagte sich Edda Metz, Geschäftsführerin beim Investors Krieger Handel SE, über die weiteren absehbaren Verzögerungen des Bauprojektes „Pankower Tor.“
— Angeblich hatte sich die Krieger Handel SE an die Vorgaben des Bezirks Pankow gehalten, und dessen Planungshoheit akzeptiert. —
Doch hinter den Kulissen der Öffentlichkeit spielte sich tatsächlich jahrelang ein zäher Kampf um Gutachter, Verkehrsgutachten und um moderierende Städtebauexperten. Eine TU-Professorin wurde erst öffentlich präsentiert, und dann klammheimlich nach internen Streit aus dem Verkehr gezogen. Auch der Investor hat über die Jahre mindestens zwei Projektleiter verschlissen.
Zum Gesamtvorhaben „Pankower Tor“ gibt es nun mehr als 40 gezeichnete Planungsalternativen. Doch allen Experten ist nie aufgefallen: es spielt im falschen städtebaulichen Film.
Innenstadtlage, Lagebeziehungen und sie Gesamtgröße der städtebaulichen Flächen, einschließlich deren Verknüpfungen mit dem Bezirk und dem Verkehrsnetz, hätten nach guter Städtebaupraxis von Beginn an in den Rahmen eines städtebaulichen Entwicklungsvorhabens (SEM nach § 165 BauGB) gestellt werden müssen.
Der Bezirk Pankow und der Investor hätten auf der Basis von Kooperation unabhängige Städteplaner und Architekten und Verkehrsplaner in das SEM einbinden müssen. — Aber es gab einfach zuviel Misstrauen, stille Hinderungsgründe (für/wider Möbelhauskubus) und dazu eine krude stadtentwicklungspolitische Unfähigkeit auf beiden Seiten:
- zwischen der über Jahre stabilen kommunalpolitischen rot-rot-grünen Mehrheit im Bezirk Pankow, die ein großes Möbelhaus verhindern will;
- und dem Investor Kurt Krieger, der mit Krieger Handel SE, der unbedingt sein altes Geschäftsmodell mit einem weiteren Möbelhaus-Kubus fortsetzen will.
— Die planungsrechtliche „Zwangsjacke“ eines Vorhaben- und Erschließungsplanes wurde vom Investor nicht aufgegeben! — Heraus kam ein „zombifiziertes Beteiligungsverfahren“: der Investor organisierte im Vorfeld einer „Baurechtsfindung“ ein „Investoren-Bürgerbeteiligungsverfahren,“ mit selbstfinanzierter Moderationsagentur Zebralog GmbH, das auf der privaten Internetseite www.pankower-tor.de organisiert wurde.
Zombifizierte Städtebaupolitik mit „in-sich-Blockaden“
Die Vorgehensweise beruhte auf einem höchst problematischen baupolitischen Kompromiß. Er kam unter Bürgermeister Sören Benn (Die Linke) zustande: der Investor „demokratisierte“ scheinbar die städtebauliche Konzeptfindung. Und hegte dabei die „quasi Hoffnung“, im Gegenzug Baurechte eingeräumt zu bekommen. Das aber steht so in keinem Handbuch zum Städtebaurecht! — Und es ist verfassungsrechtlich und verwaltungsrechtlich völlig unhaltbar! — Im Streitfall wird sogar das ganze Verfahren hinfällig!
Die kommunale Planungshoheit und Neutralität des Planungsverfahrens wurde dabei unter Bürgermeister Sören Benn (Die Linke) aus der Hand des Bezirks Pankow abgegeben — und scheinbar konkludent auf den Investor übertragen. Die Pankower Politik war getrieben von der Angst, vor der Wirtschaft zu versagen. Und: es wagte niemand, eine öffentliche Ablehnung des Möbelhaus-Projektes zu vertreten.
Das Gesamtprojekt ist nun doppelt ausgebremst und für die Zukunft mit Friktionen belastet:
- für einen reinen Vorhaben- und Erschließungsplanung (V+E-Planung) sind die Wünsche von Investor und Kommune zu komplex und in ihren Auswirkungen schwer abzuwägen.
- die Naturschutzkonflikte müssen nun innerhalb der beplanten Grundstücke ausgeglichen und abgewogen werden, mit mindestens 5 Hektas Flächenanspruch.
- notwendige Ausgleichsmaßnahmen und bauliche Kompensationen sind nur im notwendigen größeren Rahmen eines städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM nach §165 BauGB) möglich.
- die baurechtlichen Abwägungsgebote können nur vom Bezirk Pankow, bzw. dem Land Berlin verhandelt und abgestimmt werden — und müssen von der Bezirksverordnetenversammlung Pankow oder dem Abgeordnetenhaus Berlin behandelt werden.
Inzwischen ist der Investor allein in der Sache handlungsunfähig, und muss die Berliner Verwaltung als „Erfüllungsgehilfen“ für den Naturschutz einspannen, um den Ausgleichspflichten im Naturschutz nachkommen zu können, wie RBB24 am 11.11.2022 berichtete:
„Die Sprecherin der Bauverwaltung erklärte, dass man parallel zu diesen Verwaltungsvorgängen nun versuche, „die Kreuzkrötenpopulation auf mehrere Standorte umzusiedeln“. So würden mehrere Flächen in Brandenburg derzeit geprüft. Ein Zeitpunkt stehe noch nicht fest. Ähnlich laufe es bei der Zauneidechse.“
Eine ketzerische Vorhersage aus dem Jahr 2021 trifft nun ein: Der lange Marsch der Pankower Toren geht weiter!
Neustart: Berücksichtigung von Wasserhaushalt & Klimawandel
Inzwischen sind weitere Restriktionen zu beachten: der Bezirk Pankow rief 2020/21 den Klimanotstand aus. Zusätzlich droht im Berliner Nordosten ein Wassermangel, der alle städtebauliche Vorhaben belastet.
Nimmt man Schwammstadt-Konzepte ernst, müssen auch Versickerungsflächen und Baumstandort neu überplant werden.
Die komplizierten städtebaulichen und grundstückrechtlichen Teilungsfragen im Gefolge einer Genehmigungsplanung und Planfeststellung für die geplante Straßenbahnlinie kommen noch hinzu.
Das Land Berlin bekommt ab 2025 eine neue Sparpolitik — weitere haushaltsbedingte Änderungen und Planungsveränderungen können kaum noch ausgeschlossen werden.
Der leider zu früh verstorbene Stadtentwicklungsstadtrat Jens-Holger Kirchner (Bündnis 90/Grüne) sprach immer von der „Verwaltung als lernendes System.“ — Heute ist klar: Investor und Politik haben in Pankow über lange Jahre nicht dazu lernen wollen! — Und nun hat man sich mit vereinten Kräften blockiert. Nur ein völliger Neustart kann nun weiter führen:
Das Projekt „Pankower Tor“ muss künftig als eine „städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM)“ nach § 165 BauGB gemanagt werden. Planerische Spielräume und Ausgleichsmaßnahmen können so über die Zeitachse von mehreren Jahren schrittweise abgearbeitet werden. Baukostensteigerungen und neue städtebauliche Anforderungen zum Klimaschutz, Mobilität und Energie-Effizienz und zum sozialen Wohnungsbau müssen dabei umgesetzt werden.