Dienstag, 19. März 2024
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Mobilitätspolitik: „Hygge“ statt „hip“ in der Schönhauser Allee

Parklet in der Bergmannstraße:

/// Kommentar /// – Der bekennende Dänemark-Liebhaber Staatssekretär Jens-Holger Kirchner und bündnisgrüne Mobilitätspolitiker wollen die Schönhauser Allee umgestalten. Während Gaststättenbetreiber mit dem Ordnungsamt um jeden Zentimeter Sitz- und Tischfläche vor dem Restaurant kämpfen, und saftige Gebühren zahlen, soll nun öffentlich subventionierte Sitzplatzkonkurrenz in die Magistrale von Prenzlauer Berg einrücken.

„Parklets“ sollen Stadtbewohher zum Sitzen einladen – als ob es in der „Hauptstadt der sitzenden Arbeit“ nicht schon genug Sitzmöglichkeiten gäbe!

Parklets kann man sich als eine Art „stationäres Cabriolet“ vorstellen, das ohne Räder am Straßenland abgestellt wird. Es trägt eine unausgesprochene Botschaft mit sich: „Du sollst nicht Auto fahren!“ – „Hinsetzen wird die neue Mobilität!“

Die bündnisgrünen Mobilitätswende-Politiker in Prenzlauer Berg sind offenbar „hygge!“. Sie wollen „Gemütlichkeit“ verordnen, und die Schönhauser Allee „gemütlich“, „angenehm“, „nett“ und „gut“ machen!

Doch schon heute platzt der knappe Straßenraum aus allen Nähten und Fugen: abgestellte Fahrräder signalisieren, dass ihre Besitzer lieber woanders sitzen: in Bussen, Trams, S- und U-Bahnen und an ihren Arbeitsplätzen.

Zudem sorgen öffentlich subventionierte Sitzbänke, ohne angeschlossenen Restaurant-Betrieb, für steigenden Verbrauch von „to-Go“-Produkten. Das „un-hyggelige“ Littering nimmt zu, die Unsitte, Abfälle im öffentlichen Raum achtlos wegzuwerfen oder liegenzulassen, ohne die dafür vorgesehenen Abfalleimer zu nutzen.

Die „Second-Hand“-Parklets sollen aus der Bergmannstraße in Kreuzberg in die Schönhauser Allee transplantiert werden.

Doch ob es passt ist sehr fraglich, denn Bergmannstraße und Schönhauser Allee unterscheiden sich durch ein wichtiges Detail. Während man in Kreuzberg direkt vom Bürgersteig auf das Deck des Parklets treten kann, trennt ein vielbefahrener Radweg Gehwege und Straßenland in der Schönhauser Allee.

Neue Gefahrenstellen entstehen, wenn etwa Mütter mit Kleinkindern Parklets nutzen, und gleichzeitig ihre Wege mit schnellen Radfahrenden kreuzen.

Auch Hoffnungen werden enttäuscht! Mit dem erst groß gefeierten neuen Mobilitätsgesetz wurden Erwartungen geweckt, auch die unfallträchtige Schönhauser Allee könnte einen durchgängigen Radstreifen bekommen. Doch ausgerechnet auf der für ganz Pankow wichtigen Magistrale wird eine geplante Lösung nun vertagt.

In der Mobilitätspolitik baut sich nun eine seltsame Spannung zwischen geweckten Erwartungen und in Angriff genommene Realitäten an. Die geplante Umsetzung der in Kreuzberg auf wenig Gegenliebe gestoßenen Parklets nach Prenzlauer Berg, könnte sich als verkehrspolitischer Flop erweisen.

Überhaupt scheinen die bündnisgrünen Mobilitätspolitiker sich in Marotten, Ungleichzeitigkeiten und falsche Paradigmen zu verrennen. Eine wachsende Stadt entwickelt Tag für Tag mehr Mobilitätsbedürfnisse, der Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsmittel erfordert mehr Bewegungsräume – nicht raumgreifende Sitzmöbel.

Um lebenswerte lebenswerte Städte und Gemeinden zu erhalten, sind ganz andere Anstrengungen nötig, weil inzwischen Kurier-, Express- und Paket-Verkehre (KEP) Geschäftsstraßen in Kampfzonen verwandeln, in denen um Mobilität, Ladezonen und Umsatz gekämpft wird.

Gerade erst haben Deutscher Städtetag (DST), Deutscher Städte- und Gemeindebund (DStGB), der Handelsverbandes Deutschland (HDE) und der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) ein gemeinaames Memorandum verfasst, das eine „Gute Logistik für Lebenswerte Innenstädte“ mit neuen Ansprüchen für Ladezonen, Mikrodepots und Ausweichlösungen für Nachtlogistik fordert.

Die Berliner Verkehrspolitik muss zuerst eine Verkehrswende in den Hinterköpfen der Verkehrspolitiker vollziehen, bis man sich dem Wortsinn nach um „neue Mobilität“ – statt „Mobilitätsverhinderung“ kümmert!