Kolumne: Michael Springer
Über die Tätigkeit von Lobbyisten kann man geteilter Meinung sein. Über die Einführung eines Lobby-Registers gab es schon einmal große Einigkeit zwischen den großen Parteien: die SPD hatte in ihrem letzten Wahlprogramm ein verbindliches Lobbyregister versprochen. Die Union war in den letzten Monaten vor der letzten Bundestagswahl von ihrer Blockadehaltung abgerückt. Im Jamaika-Sondierungspapier zwischen CDU/CSU, Bündnis 90/Grüne und FDP gab es sogar eine Einigung für ein Lobby-Register. Im GroKo-Vertrag aber ist nichts davon zu finden!
Nun wird ein neuer Anlauf geplant! Denn auch Lobbyverbände sprechen sich für ein Lobbyregister aus:
Mehrere Verbände fordern in einer gemeinsamen Allianz für Lobbytransparenz ein einheitliches Lobbyregister für den Bundestag
Initiator des Vorstoßes ist die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International.
In einer außergewöhnlichen „Allianz für Lobbytransparenz“ setzen sich sechs Organisationen für mehr Offenheit und Nachvollziehbarkeit in der politischen Interessenvertretung ein. Um dieses Ziel zu erreichen, fordern der Verband der Chemischen Industrie (VCI), Transparency Deutschland, der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Die Familienunternehmer, der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ein umfassendes Interessenvertretungsgesetz noch in dieser Legislaturperiode. Das Bündnis baut auf einer Kooperation von VCI und Transparency Deutschland aus dem vergangenen Jahr auf.
VCI-Hauptgeschäftsführer Utz Tillmann betonte dazu:
„Mit dieser überraschenden und breiten Allianz zeigen wir, dass Interessenvertretung kein Branchenthema ist. Sie ist vielmehr für alle Organisationen unterschiedlicher gesellschaftlicher Bereiche relevant. Klare und faire Regeln sind für alle, Lobbyisten und Politiker gleichermaßen, notwendig und sinnvoll. Denn das gestiegene Interesse der Gesellschaft nach Transparenz ist legitim und nachvollziehbar. Diesem Anspruch müssen wir uns stellen.“
Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), sagte:
„Was in Brüssel längst selbstverständlich ist, muss endlich auch in Berlin gelten: Wir benötigen dringend ein öffentliches Lobbyregister und einen legislativen Fußabdruck, um nachvollziehen zu können, wer wie auf Gesetzgebung Einfluss nimmt. Damit setzen wir nicht nur ein Zeichen für verantwortliche Interessenvertretung, sondern stärken auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in politische Entscheidungsprozesse insgesamt.“
Der Vorschlag der „Allianz für Lobbytransparenz“ sieht vor, dass ein Register alle beteiligten Personen aufführt, für wen sie lobbyieren und welche Finanzmittel ihnen zur Verfügung stehen. Bei neuen Gesetzen soll es einen Anhang geben, in dem aufgeführt wird, welche Verbände welche Informationen im Entstehungsprozess beigesteuert haben. Außerdem soll der Bundestag eine*n Lobbybeauftragte*n ernennen, der oder die regelmäßig einen Bericht vorlegt.
Die Affäre um den CDU-Politiker Philipp Amthor hat die Diskussion neu beflügelt. Die Chancen für eine Schaffung eines Lobbyregisters wachsen, denn auch die CDU signalisiert ihre mögliche Zustimmung für das Vorhaben noch in dieser Legislaturperiode.
Offizielle Lobby-Anhörung – vor jedem Gesetzesbeschluß!
In komplizierten Gesetzgebungsverfahren können legitimierte Branchen-Lobbies auch eine hilfreiche und klärende Wirkung entfalten, und auch auf eine bessere Entscheidungsfindung hinwirken. Dazu müssen jedoch alle Argumenten auf den Verhandlungstisch kommen.
Die „Allianz für Lobbytransparenz“ plädiert daher für einen „legislativen Fußabdruck“ in Form einer digitalen und öffentlich zugänglichen Dokumentation der politischen Interesseneingaben. Dazu sollen die Interessenbeteiligung und -abwägung in der Begründung von Gesetzentwürfen erläutert werden. Das stärkt nach Auffassung der Organisationen Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Weiter schlagen sie die Etablierung eines sogenannten Lobbybeauftragten vor, der die Einhaltung der Umsetzung des Interessenvertretungsgesetzes überwacht und dem Deutschen Bundestag regelmäßig einen Lobbybericht vorlegt.
Eine offizielle Lobby-Anhörung – vor jedem Gesetzesbeschluß wäre ein vernünftiger Weg, um in allen komplizierten Fragen wie etwa Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Gentechnologien und Energietechnologien zu besseren, evidenzbasierten und ausgewogneren Entscheidungen zu kommen. Letztlich könnte sich auch herausstellen, dass Gesetze künftig mehr Optionen und Roadmaps verfolgen müssen, um zu qualitativ besseren Alternativen zu gelangen.
siehe auch:
Ein freies Land mit freien Bürgern braucht ein Lobby-Register!