Die taz will sich reformieren. Der Geschäftsführer will die linke Tageszeitung in die „Nach-Print-Ära“ führen. Karl-Heinz Ruch, Geschäftsführer und Mitbegründer der Tageszeitung (taz) ruft unter dem Schlagwort „Szenario 2022“ die Mitglieder der Verlagsgenossenschaft auf, Vorschläge für eine Strategie der digitalen Publizistik einzureichen. Die Zeitung soll rechtzeitig darauf vorbereitet werden, wenn das Szenario eintritt., „dass der tägliche Druck und Vertrieb der Papier-taz bald nicht mehr möglich sein könnte“, schreibt Ruch in einem Rundschreiben an alle Genossenschaftler.
Ruch fokussiert sich auf den problematischen Teil des Geschäfts:
„Die Verlage registrieren es an den Rückläufen vom Kiosk, die aus dem Zeitungsvertrieb eine aufwändige Art von Papier-Recycling gemacht haben: die Zeitungen werden am frühen Morgen an die Kioske ausgeliefert, um am Abend zu neunzig Prozent wieder als Altpapier dort eingesammelt zu werden. Die Zusteller der Zeitungsabonnements erdulden es mit extrem mageren Löhnen: Weil die Gewinnmargen in ihrem Niedriglohnsektor so gering sind, wurde die Einführung des Mindestlohns für Zusteller auf einen Zeitraum von drei Jahren gestreckt.
Wo man hinsieht wird deutlich: Was früher untrennbar zusammengehörte, geht nun getrennte Wege; das Zeitalter der gedruckten
Zeitung ist zu Ende, der Journalismus lebt im Netz weiter.“
Ruch spricht damit die Achillesferse des Zeitungsgeschäfts an: der Vertrieb von Tageszeitungen ist kostenintensiv und sorgt inzwischen bei zu geringen Auflagen für unabwenbare Verluste.
Andererseits gibt derzeit nur ganz wenige funktionierende Geschäftsmodelle in der Publikationslandschaft. Auch das „Taz, bezahl ich!“-Abo funktioniert nur leidlich und wir von der Solidarität der großen Mitgliederzahl der Verlagsgenossenschaft getragen.
Die taz war bisher schon Vorreiter bei der Digitalisierung – und muss sich nun wie viele andere Zeitungen neu erfinden.
Ist das die Post-Print-Zeit?
taz-Geschäftsführer versucht eine Imagination:
Denken wir also mal an die Nach-Print-Zeit: Wir kommen zur Arbeit und müssen keine tägliche Druckausgabe der taz produzieren. Nicht mehr um 16 Uhr Redaktionsschluss, keine Reklamationen wegen fehlender taz im Briefkasten. Sie kommen morgens zur Arbeit und haben auf Ihrem Smartphone oder Tablet schon alles erfahren, was Ihnen wichtig ist. Sie haben dieses digitale Angebot vielleicht kombiniert mit der taz am Wochenende auf Papier, die sich noch mehr von der Werktags-Taz unterscheiden wird als jetzt schon. Wir sparen gemeinsam Papier und können alle die Zusteller der Wochenendausgabe anständig bezahlen. Wir haben den
digitalen Wandel zur Veränderung genutzt. Und dabei mehr gewonnen: Eine Perspektive für die Zukunft.“
Ob dieses Szenario Wirklichkeit wird, müssen die Teilnehmer der „Ordentlichen Generalversammlung der taz, die tageszeitung.
Verlagsgenossenschaft eG am Samstag, den 15. September 2018“ entscheiden.
Die Mitglieder sind aufgerufen, selbst Ideen und Konzepte zu entwickeln, und einzureichen.
Die neue taz muss das Potential nutzen: ein neues Verlagsgebäude, ein neues Redaktionssystem – mit neuen, radikalen Innovationen – und disruptiven Veränderungen! Die Chancen werden vermutlich erst offenbar, wenn man das bisherige Geschäftsmodell zertrümmert, um an sofort neu mit neuen Synergien zusammen zu setzen!