Sonntag, 03. November 2024
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TÜV bemängelt fehlende Betriebssicherheit am BER

Terminal des Flughafen BER: Blick in die Airport City

In einem vertraulichen Statusbericht des TÜV Rheinland vom Februar 2017 wird die fehlende Betriebssicherheit des Hauptterminals des Flughafen BER bemängelt. Die Kabelsanierung liege demnach elf Monate hinter dem Zeitplan. Das berichtet aktuell die „Bild am Sonntag.“ Die Zeitung beruft sich auf eine als vertraulich gekennzeichnete Präsentation der Projektsteuerfirma WSP, die im April erstellt wurde. Der 466-seitige TÜV-Bericht entstand nach mehrmonatiger Prüfung und liegt der Flughafengesellschaft vor. In dem TÜV-Bericht geht es um die Sicherheitsverstromung und Sicherheitsbeleuchtung des Terminals. Das fatale Ergebnis der TÜV-Prüfer: „Die Betriebssicherheit und Wirksamkeit kann für die bemängelten Anlagen nicht abschließend bescheinigt werden.“

Die Projektsteuerfirma WSP hat daraufhin einen Statusbericht erstellt. In dem Statusbericht vom 16. April 2018 werden noch bestehende „863 wesentliche Mängel“ aufgezählt. Die Bewertung der Projektsteuerer dürfte Flughafengeschäftsführer Engelbert Lütke-Daldrup nicht gefallen, denn sein Versprechen einer Flughafeneröffnung im Jahr 2020 steht in Frage. WSP schrieb: die Abarbeitung dauere zu lange, insgesamt liege man fast ein Jahr hinter dem Zeitplan. Auch das Risiko ist hoch: „Weitere Verzüge“ hätten eine Eintrittswahrscheinlichkeit von über 50 Prozent. Zudem sei unklar, was noch gebaut werden müsse.

Im TÜV-Statusbericht wird auch die verantwortliche Baufirma ROM kritisiert, die offenbar von dem vorgefundenen Kabelchaos überfordert ist. WSP schreibt dazu: „Keine Gewährleistung der Abnahmefähigkeit der Anlage, aufgrund unzureichender Qualität der Ausführung.“

Dinge die ein Hauselektriker niemals tut

Hintergrund: viele Planänerungen, fehlende Bautechnik- und Haustechnik-Planung und fehlende Baustellenkoordination haben in der entscheidenden Bauphase des BER-Terminals zwischen 2010 und 2013 zu einem Kabelchaos geführt. Datenkabel, Steuerungskabel und Starkstromkabel wurden ohne Pläne und ohne Abschirmungen gegen elektrische Felder und Magnetfelder verbaut.

Bereits im Januar 2014 wurde das Chaos dem Untersuchungsausschuß vom Ex-Gesamtprojektleiters Joachim Korkhaus präsentiert. Er sagte, das Planungschaos am Hauptstadtflughafen reicht mindestens bis ins Jahr 2009 zurück. Für die Entrauchung hätten Ende 2009 rund 3000 Pläne vorliegen müssen. Es gab aber nur 500, wie Korkhaus im Untersuchungsausschuss eingestand. Korkhaus wörtlich: „Dass es kritisch war, war uns bewusst„(n-tv | 31.1.2014). Viele Firmen hätten Kabel planlos verlegt, bis 2011 auf den Kabeltrassen kein Platz mehr gewesen sei. Die Bemühungen um Nachbesserung und Erweiterung stießen offenbar recht schnell an konstruktive Grenzen. Die Planer hätten nicht in allen Bereichen Platz für weitere Trassen gefunden, erklärte der frühere Bauleiter. Das habe zur Absage der Eröffnung im Mai 2012 beigetragen.

Was jeder Elektrotechniker zu seinem Grundwissen zählt:

Hohe Spannung bewirkt ein relativ starkes elektrisches Feld bei relativ schwachem magnetischem Feld. Bei niedriger Spannung ist es umgekehrt. So ist der Stromfluß in einer Niedervolt-Lampe (12 Volt) fast zwanzigmal so stark wie in einer 230 Volt-Lampe derselben Leistung. Entsprechend wächst bei Niedervolt-Lampen das magnetische Feld, während das elektrische Feld abnimmt.
Liegen nun verschiedene Kabel auf langen Strecken in Kabelkanälen zu dicht nebeneinander, können sich je nach Schaltung und Leistung Induktionsströme und eine unzulässige Stromflüsse bilden. Schwachstrom- und Steuerungskabel können so ihre Funktion einbüßem. Manche Kabel können sich auch im Dauerlastbetrieb überhitzen, bis die Isolierungen schmelzen.

Ungeheuerlich: am BER wurden das Kabel-Chaos von hoch renommierten Technikfirmen wider besseres Wissen realisiert. Das Problem: solange das Flughafen-Terminal nicht in Betrieb ist, kann nichts ausfallen. Erst wenn der Strom angeschaltet wird, und im Dauerlastbetrieb gehen Probleme und Brandrisiken richtig los.

Inbetriebnahme-Risiken, TÜV-Abnahme und Versicherungsrisiken

Schon im April 2014 wurde gefragt „Kann der BER nie öffnen, weil die Baufehler zu krass sind? Sicher ist: Die Wurzel des Desasters liegt in den 90er-Jahren. Alle Warnungen wurden damals ignoriert. Auch die des damaligen Bundesfinanzministers Schäuble. Er hatte schon vor Jahren gewarnt, dass sich Berlin verheben könnte – inzwischen sind Milliardenbeträge in den Sand gesetzt. In einem Beitrag in der WELT wird das ganze Dilemma beschrieben: „Hauptstadt-Flughafen: Das Schicksal des BER entscheidet sich binnen 14 Tagen“ ( Michael Gassmann , Ernst August Ginten | 29.04.16 | WELT)

Der heutige Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) trägt schon lange Mitverantwortung an dem Desaster:

– zuerst als Fraktionsvorsitzender der Regierungspartei, und Mitglied im Finanzausschuß.

– Danach als Senator für Stadtentwicklung und Umwelt mit der größten Bau-Fachbehörde, in der er sich selbst nicht genug mit Fachverstand um den BER gekümmert hat.

– und als langjähriger SPD-Politiker, der seinen Ex-Chef Klaus Wowereit praktisch ohne ausreichende Kontrolle und ohne fachliches Controlling „laufen“ ließ.

Der TÜV-Rheinland hat mit seinem Prüfbericht den Blick umgelenkt: es kommt nicht nur auf das Abarbeiten von Baumängeln und fehlenden Installationen an – sondern auf die Vermeidung von Inbetriebnahme-Risiken, Abnahme-Risiekn und letztlich sogar auf Betriebsrisiken des Dauerbetriebs.

Ob Flughafengeschäftsführer Engelbert Lütke-Daldrup als „Experte für Raumentwicklung und Strukturpolitik, Städtebau/Stadtentwicklung, Wohnungswesen, Bauwesen und Bauwirtschaft“ dafür der richtige Mann ist, steht nun auch in Zweifel.
Zwar hat er das Raumprogramm mit dem Flughafenausbau gut erledigt – aber bei der „Elektrik“ gibt es einfach keine Sicherheit.

Die Warnungen und Forderungen zu einem notwendigen Teilrückbau des Hauptterminals sind offenbar nie „oben angekommen“.